Neues Elektrizitätswerk aus alten Ziegelsteinen

Den Wettbewerb für den Neubau des Elektrizitätswerks hat das Architekturbüro Lukas Imhof gewonnen. (Bilder: pd)

Das Elektrizitätswerk zwischen Olma- und Spitalareal in der Stadt St.Gallen muss erneuert und erweitert werden. Den Neubau wird man aber erst auf dem zweiten Blick als solchen erkennen.

Mög­lichst we­nig Be­ton ver­bau­en und wenn es ihn braucht, nur Re­cy­cling­be­ton ver­wen­den. Für die Wän­de Zie­gel­stei­ne vom bis­he­ri­gen Haus re­zy­klie­ren, zu­sätz­lich Lehm­bau­stei­ne ver­wen­den und dort, wo we­ni­ger Sta­bi­li­tät nö­tig ist, mit Holz bau­en. Das sind die Grund­sät­ze, mit de­nen das Zür­cher Ar­chi­tek­tur­bü­ro von Lu­kas Im­hof den Wett­be­werb für das neue Elek­tri­zi­täts-Un­ter­werk an der Steinach­stras­se in St. Gal­len ge­won­nen hat. Fünf Bü­ros konn­ten da­für ih­re Vor­schlä­ge ein­rei­chen.

In der Tal­soh­le der Stadt, zwi­schen Ol­ma- und Spi­tal­are­al, steht das denk­mal­ge­schütz­te Elek­tri­zi­täts­werk von 1897, das an­fangs des 20. Jahr­hun­derts er­wei­tert wur­de. Da­ne­ben be­fin­det sich das eben re­no­vier­te Feu­er­wehr­ge­bäu­de aus den 1960er-Jah­ren der St. Gal­ler Ar­chi­tek­ten Dan­zei­sen und Vo­ser. 

Doch wie plat­ziert man ein er­wei­ter­tes Elek­tri­zi­täts­werk ne­ben die­sen zwei ar­chi­tek­tur­ge­schicht­lich wich­ti­gen Bau­ten? Das ha­ben sich Lu­kas Im­hof und sei­ne Mit­ar­bei­ter:in­nen ge­fragt. Sie be­schrei­ben ih­re Über­le­gun­gen in der Wett­be­werbs­ein­ga­be: Sie woll­ten we­der das Bau­denk­mal noch den be­deu­ten­den 1960er-Jah­re-Bau der Feu­er­wehr be­drän­gen. Sie leh­nen sich an die Ar­chi­tek­tur­spra­che des denk­mal­ge­schütz­ten Ge­bäu­des von 1897 an, bau­en aber ei­ne Er­wei­te­rung nach ak­tu­el­len Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en und in der Nut­zung an­pass­bar.

Wie­der­ver­wen­dung als Kern­ele­ment

Der bis­he­ri­ge Zwi­schen­bau – heu­te ein ver­stüm­mel­tes En­sem­ble – wird da­für nicht ein­fach mit dem Ab­bruch­bag­ger de­mo­liert. Viel­mehr wer­den die Fas­sa­den in grös­se­re Stü­cke zer­sägt, in Stahl­rah­men ein­ge­spannt und zwi­schen­ge­la­gert, bis sie im Neu­bau mit­samt der Stahl­rah­men wie­der ein­ge­setzt wer­den. An­de­re Wän­de des be­stehen­den Baus wer­den in ein­zel­ne Zie­gel­stei­ne zer­legt, was mit Bau­ten, die vor den 1960er-Jah­ren ent­stan­den sind, recht gut ge­lingt. Da­mals wur­den die Back­stein­fas­sa­den mit Kalk­mör­tel auf­ge­mau­ert und dar­aus las­sen sich die Stei­ne recht gut her­aus­lö­sen. 650 ro­te und rund 30'500 graue Stei­ne ge­be der Alt­bau her, rech­nen die Ar­chi­tekt:in­nen vor. Selbst wenn bis zu 20 Pro­zent beim Ab­bruch ka­putt ge­hen, ist die­se Wie­der­ver­wen­dung ein wich­ti­ger Bei­trag zum nach­hal­ti­gen Bau­en. 

Auf­bau­ten aus Holz, mi­ni­ma­le Aus­hub­ar­bei­ten, der Ver­zicht auf Wand­ver­klei­dun­gen im In­nern und dif­fu­si­ons­of­fe­ne Far­ben sind wei­te­re, öko­lo­gisch wich­ti­ge Punk­te. Dich­te Stüt­zen­ras­ter tra­gen die Bö­den, die ho­he Las­ten auf­neh­men müs­sen. Auch hier steckt die Über­le­gung da­hin­ter, dass nä­her bei­ein­an­der­ste­hen­de Stüt­zen we­ni­ger Ar­mie­rungs­ei­sen be­nö­ti­gen, al­so sol­che mit gros­sen Ab­stän­den. 

Die Ar­chi­tekt:in­nen schrei­ben in ih­rer Wett­be­werbs­ein­ga­be, dass sie am Neu­bau aus­drück­lich zei­gen wol­len, wie Tei­le des Vor­gän­ger­baus wie­der­ver­wen­det wer­den. Das sei nicht nur ei­ne Wert­schät­zung der Stadt­ge­schich­te, son­dern auch «ein lei­ses Zei­chen ge­gen die Res­sour­cen­ver­schwen­dung». Wenn sich der­einst Pas­sant:in­nen beim Vor­bei­ge­hen fra­gen, ob das nun ein Neu­bau sei, oder ob das EW schon im­mer so aus­ge­se­hen ha­be und nur auf­ge­stockt wur­de, dann wür­den sie sich als Ar­chi­tekt:in­nen freu­en. Und sie zie­hen den Ver­gleich zur zeit­ge­nös­si­schen Mu­sik­pro­duk­ti­on: Ihr Vor­schlag sei kei­ne Co­ver­ver­si­on, son­dern ein Re­mix. Ein Wei­ter­ver­wen­den und Ad­ap­tie­ren. Ein ar­chi­tek­to­nisch ge­fäl­li­ges Un­ter­werk kön­ne der Be­völ­ke­rung aus­ser­dem zei­gen, wie wich­tig Elek­tri­zi­tät heu­te ist. Auch des­halb wird der Neu­bau durch sei­ne mit di­ckem Glas ge­si­cher­ten Fens­ter den Blick auf die mäch­ti­gen Trans­for­ma­to­ren frei­ge­ben.

Auch die Kunst be­kommt ei­nen Platz

Und als Tüpf­chen auf dem i brin­gen die Ar­chi­tekt:in­nen auch Kunst am Bau ins Spiel und schla­gen vor, dass das Rund­fens­ter auf dem Dach­auf­bau als Pro­jek­ti­ons­flä­che ge­nutzt wer­den soll. Sie ha­ben da­für be­reits mit den In­iti­an­tin­nen der St. Gal­ler «Stadt­pro­jek­tio­nen», mit Ni­na Keel und An­na Vetsch, Kon­takt auf­ge­nom­men.

Lu­kas Im­hof ver­folgt mit sei­nem Bü­ro das Prin­zip des Wei­ter­bau­ens hier nicht zum ers­ten Mal. In meh­re­ren Etap­pen ha­ben die Ar­chi­tekt:in­nen Er­wei­te­run­gen der ARA Al­ten­rhein ge­plant und fol­gen da­bei ei­nem ähn­li­chen Prin­zip. Das Bü­ro wur­de da­für von der Hei­mat­schutz­sek­ti­on St.Gal­len / Ap­pen­zell-In­ner­rho­den mit dem «Gol­de­nen Sche­mel» 2022 aus­ge­zeich­net. Lu­kas Im­hof hat­te sein ers­tes Bü­ro im Kess­wil und er hat meh­re­re Pro­jek­te in der Bo­den­see­re­gi­on ge­plant, dar­un­ter Aus­bau­ten im Ekkhard­hof in Leng­wil (TG), die Mehr­zweck­hal­le und ei­nen Kin­der­gar­ten in Horn (TG) oder ein Mehr­fa­mi­li­en­haus im his­to­ri­schen En­sem­ble von Kess­wil (TG).

Steigender Stromverbrauch: Netz und Technik ausbauen

Un­ser Strom­ver­brauch steigt. Des­halb müs­sen das Mit­tel­span­nungs­netz und die Un­ter­wer­ke aus­ge­baut wer­den. Die An­la­gen im Un­ter­werk an der Steinach­stras­se sind in­zwi­schen 47 Jah­re alt, die Ge­bäu­de er­fül­len dort auch die ak­tu­el­len An­for­de­run­gen an die Hoch­was­ser- und Erd­be­ben­si­cher­heit nicht mehr. Der schritt­wei­se Aus­bau des Net­zes und die Er­neue­rung der Un­ter­wer­ke wur­de in ei­ner städ­ti­schen Volks­ab­stim­mung im No­vem­ber 2024 gut­ge­heis­sen. Bis 2030 sind In­ves­ti­tio­nen von 82,6 Mio. Fran­ken ge­plant. 2030 soll der Neu­bau an der Steinach­stras­se fer­tig sein.