, 2. April 2015
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Peach Weber, ich will dich hassen, aber ich schaffe es einfach nicht

Unermüdlich tourt Peach Weber durch die Schweiz. Ein Besuch in Rorschach, wo der Komiker das Würth-Haus rockte.

Einen Meter hinter mir sitzen zwei Frauen, ihr je nach Pointe keuchendes bis wieherndes Lachen lässt mich immer wieder zusammenzucken. Bald merke ich: Der ganze Saal hängt derart an Peach Webers Lippen. Das Publikum, sicher 500 Personen, steht unter einer hysterischen Grundspannung. Schon als es sich im Foyer an Bier, Weisswein und Cola labte, waren die Vibes deutlich zu spüren: Wir sind hier,

um! zu! LACHEN!

Da komme, was wolle.

Also lachen sie zuverlässig, fast schon vorauseilend. Wenn Peach Weber zu einem Spruch ansetzt, fangen die ersten leise an zu kichern. Nach ein paar Minuten die ersten Schenkelklopfer, immer öfter kippt das Gelächter jetzt für Momente ins Kreischen.

Schweissausbrüche überwältigen mich. Einen superwinzigen Sekundenbruchteil lang glaube ich ernsthaft (wirklich ernsthaft), dass alle im Publikum Zombies sind und mich zerfleischen werden. Das Wahngebilde geht vorüber, weil ich über einen von Peach Webers zotigen Sprüchen grinsen, dann lachen muss. Er ist irgendwie gut. Er ist wirklich schlecht.

Prominenter als Michael Jackson

Peach Weber ist eine zähe Rampensau, er tourt seit Jahrzehnten und auch jetzt gerade wieder durch die Schweiz: Wil, Sempach, Weinfelden, Näfels, Oberstammheim, Basel, Winti, Zürich. Aktuell  macht er mit dem Programm GäxBomb zwei Tourneestopps à jeweils zwei Stunden pro Woche.

Insider berichteten mir von seinem Auftritt Ende Februar in der Mehrzweckhalle im ausserrhodischen Dörfchen Wald: Pumpenvoll sei diese gewesen, das Publikum begeistert und erstaunlich jung. Meine Berichterstatter, die in den 90ern auch ab und zu ins Halli Galli fremdgingen, betrieben derweil ihre soziologisch-humoristischen Studien. Und gaben zu: Ja – auch wir haben gelacht.

Als Peach Weber kürzlich auch noch im obligaten Hawaii-Hemd vom «Anzeiger»-Cover grinste, wurde langsam klar: Das ist kein Zufall, das ist ein Zeichen. Ich muss mir diesen Mann in Action ansehen. Das Ganze nach dem Motto: Nur wer sich aussetzt, setzt sich später ein.

Nun sitze ich in einem grossen, holzverkleideten Saal, der an die äusserst repräsentative Lobby des Würth-Hauses (Gedankennotiz: Genau hier haben wir früher Frisbee und Fussball gespielt.) in Rorschach grenzt. Mit mir hunderte Frauen, Männer, einige Kinder – und ja, es sind erstaunlich viele Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, denen das Ticket 40 Franken wert war.

Peach Weber ist ein popkulturelles Phänomen: Sein Bekanntheitsgrad dürfte in der Deutschschweiz jenen von Michael Jackson (RIP!) übertreffen. Wirklich jede und jeder zwischen Fribourg und eben Rorschach kennt seinen Namen. Live gesehen hat ihn laut einer Umfrage im erweiterten Bekanntenkreis zwar noch niemand, aber zwei, drei Sprüche und ein Songtext werden erstaunlich locker zitiert.

Punkrock für die Mehrzweckhalle

Peach Weber ist aber auch ein Maschinengewehr: Drei bis vier Pointen pro Minute, das ist sein Rhythmus. Dass bei einer solchen Frequenz die eine oder andere Pointe flach ist, ist leider unvermeidlich. Dass die eine oder andere zieht, aber auch.

Peach Webers Witze und Sprüche drehen sich meist um Alltagssituationen, die er überspitzt: So entstehen absurde, gerne auch schlüpfrige Episoden. Dazwischen disst er die Thurgauer (ein Lacher auf sicher, leider gerade auch in der Ostschweiz), immer wieder triffts auch die «Gritten» (Frauen) und Vegetarier. Und C-Promis wie Chris von Rohr, Bachelor-Vujo oder Vera Dillier.

Die Stammtisch-Welt, in der Peach Webers Witze sich bewegen, ist einfach: Der Karren läuft, der Chef ist ein Tubel, nach der Büez säuft man Bier in der Beiz und Würste mögen wir alle, wenn wir nicht gerade in Thailand Ferien machen und Selfies schiessen. Und Furzen an sich ist eh immer lustig, oder? Aber der dritte Tampon-Witz in 30 Minuten Programm ist doch etwas viel.

Peach Weber ist ein abgebrühter Profi. Er redet mühelos, wirkt irgendwie nahbar wie der Kumpel von nebenan, er bezieht so das Publikum in seine Geschichten ein und badet gerne und oft in Selbstironie: «Wenn ich ein Foto von mir will, muss ich das bei Google Earth bestellen.»

Nach einer Vierstelstunde denke ich erstmals an Flucht: Peach Weber greift zur Gitarre und stimmt einen seiner Drei-Akkorde-Songs an. Das ist Punkrock für die Mehrzweckhalle, gespickt mit grausligen Pointen. Ich erinnere mich an die Theorie eines chinesischen Philosophen. Diese besagt, dass wir nicht sicher sein können, ob wir in Wahrheit Schmetterlinge sind, die nur einen Traum haben, in dem sie Menschen sind.

Ich hoffe also aufs Aufwachen, doch nichts passiert.

Alle sind wir doof

Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich lache, aber dennoch: Gegen Ende der ersten 50-minütigen Programmhälfte macht sich bleierne, unwillige Müdigkeit breit – auch wenn Peach Weber selbstironisch verspricht: «Die zweit Hälfti isch im Fall viel besser.» Zum Ende des ersten Teils stimmt er dann noch einen Song an. Spielend bringt er das Publikum dazu, den Refrain Vollgas mitzusingen.

In der Pause wird der Fluchtgedanke drängender, ich gebe ihm nach. Peach Weber ist tatsächlich eine Gag-Bombe, die einem zuverlässig ins Gesicht explodiert, mit etwas zu viel Durchschlagskraft für meinen Geschmack. Den Rest des Abends läuft mir stundenlang der Refrain des oben erwähnten, letzten Songs nach, der auf eine grausame Weise catchy ist:

«Doof, doof, doof / Alli simmer doof.»

Auch eine schöne Wahrheit, die wieder mal jemand brutal einfach und direkt aussprechen musste.

 

Nächste Tourneedaten in der Ostschweiz:
Donnerstag, 2. April, Herisau // Mittwoch, 15. April, Weinfelden // Donnerstag, 16. April, Schaffhausen //

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