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Postkartenstau
von Andrea Haller Ich sehe vor lauter Theater das Theater nicht mehr. Vor mir hängen Postkarten. Postkarten vom Theater St.Gallen. Da wäre zum einen die „Hühner.Habichte“ Postkarte. Sehr schön. Liegt vielleicht auch daran, dass ich drauf bin. Daneben die „Macht der Gewohnheit“ Postkarte. Auch sehr schön. Dann noch die „Seifenoper“ Postkarte. „Das Mass der Dinge“ […]
von Andrea Haller
Ich sehe vor lauter Theater das Theater nicht mehr.
Vor mir hängen Postkarten. Postkarten vom Theater St.Gallen. Da wäre zum einen die „Hühner.Habichte“ Postkarte. Sehr schön. Liegt vielleicht auch daran, dass ich drauf bin. Daneben die „Macht der Gewohnheit“ Postkarte. Auch sehr schön. Dann noch die „Seifenoper“ Postkarte. „Das Mass der Dinge“ Postkarte. „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“ Postkarte. Es staut sich. Ich arbeite. Aber vor lauter Theater kriege ich keinen klaren Bloggedanken hin. „Man sieht den Wald vor lauter Bäume nicht mehr“, trifft es auch. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass die Vulkanasche Islands mir die Sicht betrübt (was für eine Metapher!). Ich stürze mich von einer Premiere zur anderen. Nächste Woche steht die Premiere von „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“ auf dem Plan. Und es läuft. Steck 4 motivierte Schauspieler in eine weiße Box, gib ihnen einen guten Text und ein Regieteam, das dich künstlerisch beflügelt und der Motor springt an und läuft. Aber es rauscht an mir vorbei und ich habe gar keine Zeit, die Momente des künstlerischen Schaffens richtig zu geniessen. Ich will das Wort „Fliessbandarbeit“ nicht benutzen. Obwohl, dass habe ich jetzt ja schon. Also lasse ich es einfach mal so stehen. Und das Herz ist dabei, keine Frage. Aber manchmal würde ich gerne die Notbremse ziehen, um das Erlebte zu analysieren, zu zerlegen und auf mich wirken zu lassen. Wie im Museum. Und wenn man die postmoderne Ausstellung nicht kapiert hat, geht man einfach ein zweites Mal durch. Dann aber mit Führung oder einem Begleitheft, wo dann drin steht: Andrea hat Charlotte Roos „Hühner.Habichte“ versucht zu knacken, ist aber an den Puttputts fast erstickt. Andrea hat in „Die Macht der Gewohnheit“ mimische Akrobatik versucht und ihre Füsse vor dem Kältetod bewahrt. Andrea hat sich in „Das Mass der Dinge“ eingemischt und als Jenny in einer Minute 0,5 Liter lauwarmen, überzuckerten Frappuccinosojayammielatte runtergeschluckt. Andrea versucht in der monatlichen „Seifenoper“ irgendwas zu spielen, mal schlechter, mal besser, aber stirbt tausend Tode in 90 Minuten. Andrea spielt in „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“, dessen Stücktitel viel zu lang ist, eine 19jährige PETA Aktivistin, die beim Tango tanzen schlecht die Führung abgeben kann. Andrea spielt…ne, das wars. Gut, es reicht zwar nicht für ein Begleitheft, aber zumindest für ein Begleitblatt. Mein Kopf ist voll. Ach ja und da stand doch dieses Minarett auf dem Dach des Theaters. Aber es wurde so feinsäuberlich unter den Teppich gekehrt, dass ich es selbst nicht mehr auf dem Bildschirm habe. Zumindest konnte ich es für wenige Minuten live miterleben. Wie es dort oben, in weißer Pracht und mindestens 10 Meter Hoch, dem blauen Himmel entgegenstrahlte.
Die Festplatte ist voll. Ich gehe auf Standby.
18. April, 11:00 Uhr, Matinee im Foyer, „Bikini“ von Tina Müller, mit Bettina Schwarz, Boglárka Horváth und Andrea Haller
22. April, 20:00 Uhr, Premiere „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“