Identity is a fluid thing. Keine Ahnung, was das im Detail bedeuten soll, aber es fühlt sich wahr an – nach bereits der zweiten Pubertät, nach einem Namenswechsel, einmal Auswandern, ein paar Mal das ganze Umfeld austauschen, mal dieser Therapeut, mal jene Therapeutin, zwanzig Jahre Testosterondominanz und ein paar Jahre Östrogene. Das Einzige, was immer gleichgeblieben ist, steckt tief in mir drin, gefühlt von Geburt an, eingepflanzt, und ich kanns nicht so gut beschreiben, aber oh god, do I feel it. Klingt nach Seele, aber ich meine die Krankheit, ganz so delulu bin ich doch nicht.
Identität ist für mich das Konstrukt da rundherum, wie ich die Krankheit verpacke, Make-up für die obsessiven, intrusiven, psychotischen Denkmuster – it's a performance. Eine mit Re-Runs, alle zwanzig Jahre in etwa, Linkin Park und Self-Harm sind derzeit wieder back, Popkultur ist zirkulär und meine Gedanken sind ein Teufelskreis.
It's a match und deswegen orientiert sich das mit der Identität häufig an Pop. Und meiner besteht derzeit aus zwei Playlists, eine mit Charli XCX feat. Lorde, Peach PRCs Teenage Dirtbag-Cover oder einem DeepHouse-Remix von Miley Cyrus' Flowers, und in der anderen Playlist sind Liturgy, Lingua Ignota und zuoberst Uboa: «Never apologise to him for your sins / While you inhabit a body / Pruned in a way that it withers / Not pruned in a way that I grow.»
Zwei hübsche Schienen, auf die ich einspuren kann, wenn mal wieder die Kontrolle verloren geht, da fluffy sapphic pink quirky cute flirty lesbian princess manic pixie dream girl und dort as dark as it goes. Zu beiden Archetypen gehört ein bisschen Durchdrehen, und wenn also das mit Seele oder Disorder Feuer fängt, dann mache ich einen der beiden Modi an und choo choo, off we go on the identity train. Beziehungsweise: Meistens werde ich irgendwann aus der Lokomotive geworfen und sehe den Zug dann in der Ferne entgleisen, ein Trolley-Problem straight out of hell, irgendwo liege immer ich auf den Schienen.
Weil die Zugfahrten aber mehr und mehr überhandnehmen, habe ich nun neu ein Antipsychotikum, mit dem expliziten Ziel, diese kleinen Episoden zu verhindern. Und: I'm scared as fuck. Seit zwei Jahrzehnten habe ich meine Identität immer um genau diese Schübe gebastelt und darum, was ich von anderen davon zurückgespiegelt bekomme, l'enfer c'est les autres, und keines der Arschlöcher in der geschlossenen Gesellschaft liest den Saaltext zur Performance. Und die Pillen sollen das also lösen, nicht das «identity is a performance»-Telefonspiel, lost in translation, sondern die «manic pixie dream girl»-Sache, das mit der «pruned in a way that it withers»-Seele oder Disorder, das, worauf alles andere seit Jahrzehnten aufgebaut hat.
Vielleicht werden die Pillen also meine Outfits, meine gesamte Ästhetik, vielleicht gar die Playlists zerstören, die quirky queer «its called limerence»-Playlist namens «crush 2025 but we're not doing the thing where we go insane», die mit dem neuen Lorde-Song am Anfang. Bisher waren alle Lorde-Alben ja Drogen-themed und vielleicht gehts bei ihrem Comeback-Album jetzt ja um Antipsychotika und vielleicht würde mir das bei der Angst helfen, den Kern meiner Identität, das, was mich gefühlt seit Kindheit begleitet hat, zu zerstören und damit alle Identität obendrauf und die Playlist mit dem guten Titel gleich mit. Choo choo oder god help me, Lorde help me, oder wies in ihrer neusten Single heisst: «Since l was seventeen, I gave you everything / Now we wake from a dream / Well, baby, what was that?» Ja, what the fuck was that?
Mia Nägeli, 1991, arbeitet nach einer Journalismusausbildung und ein paar Jahren bei verschiedenen Medien heute in der Musikbranche in der Kommunikation, als Tontechnikerin und als Musikerin. Seit Herbst 2024 studiert sie Kunst in Wien.