Relaxing Final Fantasy IX Game Soundtrack Village of Dali 11 HOURS LOOP

Ist es noch Musikhören oder schon zwanghaftes Verhalten?, fragt sich Saiten-Kolumnistin Mia Nägeli im Novemberheft.
Von  Mia Nägeli

Seit ein paar Wochen, seit der letzten oder vorletzten Traumaepisode, höre ich stets die gleiche Musik. Zuerst wars einfach das immergleiche Genre, Video-Game-Soundtracks, wieso auch immer. Eine Woche später dann noch der Soundtrack aus dem immergleichen Videospiel. Final Fantasy IX, love it. Und seit ein paar Tagen nun noch der immergleiche Song. «Song» ist vielleicht nicht ganz passend, also eher: Ich höre nur noch die gleiche zehnsekündige Melodie, gefolgt von einer zehnsekündigen Variation davon, dann zehn Sekunden nur die Begleitung und dann wieder von vorne.

Village of Dali heisst das Stück und auf dem offiziellen Soundtrack dauert es knapp zweieinhalb Minuten. Total im Zeitgeist, Popsongs werden ja seit Jahrzehnten kürzer und kürzer, weil im Internet häufig nach Plays ausgezahlt wird und je kürzer der Song, desto eher klickt man vielleicht auf Repeat. Die ersten Tage hab ich das auch gemacht, zehn oder hundert Mal hab ich den Song gehört, bis ich auf YouTube einen elfstündigen Loop gefunden habe. Ein totaler Banger, gleich nochmals von vorne.

Durchgehend die immergleiche Melodie auf Loop im Hintergrund zu hören, gehört für mich zu den Dingen, bei denen ich mich frage, ob das normal ist, also: ob das die anderen auch machen. Nach ein bisschen rumfragen zeigt sich: Das machen fast nur die mit irgendwelchen Diagnosen. Es gibt auch kaum spezifische Literatur dazu, dafür dutzende Threads in Foren für Traumafolgestörungen, Autismus, ADHD und so weiter. «Does anyone else listen to the same song on repeat for weeks?» und darunter hunderte Kommentare: «lol same» und dann noch der Song dazu, Imagine Dragons, Johann Pachelbel, CHVRCHES. Everything goes, ganz so, als ob das gar nichts mit der Musik an sich zu tun hätte, sondern nur irgendeine Form von zwanghaftem Verhalten sei.

Ein möglicher Grund dafür: Immer den gleichen Song zu hören, schützt vor Überraschungen. Oder, mit reaktionärkonservativem Vibe gesagt: Da weiss man, was man hat. Natürlich hilft es bei Traumafolgestörungen, wenn alles ein bisschen erwartbarer ist. Aber wenn rechtsextreme Parteien angeblich total unerwartet Wahlen gewinnen, wenn jährlich Jahrhundertunwetter und alle zehn Jahre ein Jahrtausendunwetter stattfindet, wenn da und dort Kriege ausbrechen und abwechselnd Bombendrohungen oder der Klimawandel Zugstrecken lahmlegen, dann ist ein wenig Konstanz vielleicht für alle eine gute Idee.

Deshalb, bevor du zwischen neuen Releases nach was suchst, das ein bisschen beruhigen würde, something that will fix you – versuchs mal mit Village of Dali. Und bleib dran, ab Stunde drei wird der Track erst so richtig gut.