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Saiten im Sommer: unverzichtbar!
Die Grabenhalle feiert 40 Jähriges. Ausserdem im unverzichtbaren Sommerheft: ziemlich konkrete Pläne zum Haus für die Freien, das Interview mit der neuen St.Galler Kulturamtsleitung, die Flaschenpost aus Athen und die Kultursommertipps.
Seit 40 Jahren ist die Grabenhalle ein fester Anker im St.Galler Nachtleben, «Uusgang» ohne «Graabä» nicht mehr denkbar. Auch wenn die Hüter des guten Geschmacks mäkeln, dass heute nicht mehr so legendäre Konzerte stattfinden wie früher. Eine Kritik, die notabene schon fast so alt ist wie die Grabenhalle selber, wie man merkt, wenn man in alten Ausgaben der «Grabenzeitung» schmökert. Nun könnte man auch einwenden, 40 sei gar kein richtiges Jubiläum. Aber wer will denn so pingelig sein? Rund ist rund, und ein Grund zum Feiern sind vier überstandene Jahrzehnte allemal.
Natürlich stösst man bei der Recherche für dieses Heft im Saiten-Archiv (zum Beispiel online via E-Periodica!) unweigerlich auf Heft Nummer 121, die Aprilausgabe 2004, in der man das eigene Saiten-Jubiläum (das Zehnjährige) nur ganz am Rand erwähnt, dafür zum 20. Geburtstag der Grabenhalle mit voller Kelle anrührt und in mehreren Beiträgen «die ganze Grabenhalle-Story» erzählt. Unter anderem aus der Feder von Aeronaut Olifr M. Guz oder der St.Galler Historikerin Sabin Schreiber, beide mittlerweile verstorben, beide unersetzlich, beide auf ihre Weise auch eng verbunden mit der Grabenhalle.
Man könnte jetzt die zum Teil erstaunlich gut gealterten Texte hervorkramen, sie neu drucken oder anderweitig wiederverwerten. Aber das wäre, wie man sich schon 2004 eingestand, alles etwas historisch. Die institutionelle Geschichte der Hallen-Werdung ist im Grossen und Ganzen auserzählt, meinen wir. Für diese Ausgabe haben wir uns darum zum Ziel gesetzt, Stimmen zu finden, die man noch nicht oft gehört hat in diesen Zeiten, in denen das Erinnern an die wilden 80er so hoch im Kurs steht. In etlichen Gesprächen und Telefonaten wurden Geschichten, Schwänke und Namen gewälzt – um am Schluss doch immer wieder bei den Altbekannten zu landen. Wir haben versucht, sie zu umschiffen, und sind überzeugt, mit dieser Ausgabe einen hübschen Beitrag zur «ganzen Grabenhalle-Story» leisten zu können.
David Gadze hat sich mit Rosa Schwarz, Sascha Vujčin und Arion Gastpar getroffen – und damit mit drei unterschiedlichen Graben- Generationen. Im Interview diskutieren sie kritisch, was die «Halle für alle» heute ausmacht, was aus ihr geworden ist und wohin sie sich entwickelt. Matias Stebler, Graben-IG-Mitglied der ersten Stunde und «Mann fürs Grobe», berichtet von Prügeleien mit Nazi-Skins, dem politischen Kampf für kulturellen Freiraum und seiner späteren Distanzierung von der Halle, die er als Institution aber noch immer hochschätzt. Wolfgang Steiger, Künstler, Grabengänger der ersten Stunde und Mitbegründer der «Grabenzeitung», erinnert sich an seine peinliche Festrede zum 25. Grabenhallenjubiläum und andere Hallengeschichten. Und Julia Kubik lässt im Saitencomic am Schluss des Hefts die Vögel aus der Voliere temporär in der Grabenhallen tschilpen, schnattern und quaken.
Im zweiten Heftschwerpunkt geht es ebenfalls um neuen Raum für die Kultur. Corinne Riedener hat sich nochmals reingeklemmt in die Diskussion rund um das «Haus für die Freien». Denn für die freie Tanz- und Theaterszene in St. Gallen scheint sich in St.Fiden ein Türchen – oder besser: ein Tor zu einem kompletten Gewerbegebäude inklusive grosser Halle aufzutun. Vorerst zwar nur als Provisorium und alles noch etwas in der Schwebe. Ein Stadtratsentscheid ist jetzt gefragt. Die Umbaukosten wären fürs städtische Budget mehr als verträglich. Oder wie Kollegin Riedener schätzt: «ungefähr eine Olmahallenstütze».
Ausserdem im unverzichtbaren Sommerheft: die Flaschenpost aus Athen, das Redeplatz-Interview mit der neuen Co-Leitung des St.Galler Kulturamts und – wie jedes Jahr anstelle des Kulturteils – die beliebten Saiten-Sommerweggeh- respektive -hierbleibtipps. Guten Sommer!
Roman Hertler
Der Inhalt:
Positionen/Reaktionen
Stimmrecht: Die Verurteilten. von Liliia Matviiv
Saitenlinie: Ringen in der Männerbastion. von Nathalie Grand
Bildfang: Generationengräben überwinden
Redeplatz mit Sabina Brunschweiler und Christopher Rühle
24/7 Traumacore: Frauen mit Penis sind die besseren DJs. von Mia Nägeli
Perspektiven
Die «Halle für alle» jubiliert
Seit 40 Jahren ist die Grabenhalle in St. Gallen eine Institution der alternativen Kul- tur – und mehr als das: Sie ist ein Ort für gesellschaftlichen Diskurs, für kulturellen Austausch und Vielfalt, auch für kulturpolitische Kontroversen. Das müssen auch jene eingestehen, die finden, dass früher alles besser war. Zum Jubiläum schaut Saiten nach vorne, ins Heute, aber auch zurück auf vier – mal mehr, mal weniger – wilde Graben-Jahrzehnte.
Generationeninterview mit Rosa Schwarz, Sascha Vujčin und Arion Gastpar
von David Gadze
Matias Stebler: «Diese Kämpfe mussten wir führen»
notiert von Roman Hertler
Antidot gegen das Vergessen
von Wolfgang Steiger
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Zurzeit laufen Abklärungen für ein Kulturhaus für die freie Szene und darüber hinaus an der Oststrasse in St. Fiden. Was ist das für ein Gebäude, was wäre darin möglich und was bräuchte es dafür?
von Corinne Riedener
«Alle sind im Moment aktiviert»
Interview mit Ladina Thöny von Corinne Riedener
Frauenzentrum für Geflüchtete
Flaschenpost aus Athen von Giulietta Romano
Kultur
Die Saiten-Sommertipps
Die unverzichtbaren Sommerweggeh- und -hierbleibtipps von David Gadze, Andi Giger, Roman Hertler, René Hornung, Andreas Kneubühler, Corinne Riedener und Kristin Schmidt aus Appenzell, Arbon, Au, Bonaduz, Bregenz, Eggersriet, Feldkirch, Heiden, Herisau, Lichtensteig, Lustenau, Rapperswil-Jona, Rorschach, St.Gallen, St.Margrethen, Teufen, Trogen, Vaduz und Winterthur
Plattentipps: Analog im Sommer
Gutes Bauen Ostschweiz: Im Grünen geborgen
von Nele Rickmann
Abgesang
Kellers Geschichten: Vetter Johann
Comic von Julia Kubik: Halle für alle