, 7. August 2018
3 Kommentare

Selber schuld!

«Die Frau von…» ist schuld. Wer sonst. Vor allem, wenn es nach dem Nachrichtenportal nau.ch geht. Ein Kommentar zum Sexismus im Sportjournalismus.

Valon Behrami wurde diese Woche laut Medienberichten aus der Schweizer Fussballnationalmannschaft gekickt. Manche sehen darin einen Skandal, anderen ists tendenziell egal. Trainer Petkovic sagte gegenüber RSI, es handle sich «ausschliesslich um einen sportlichen Entscheid».

Was das Online-Portal «nau.ch» nun mit dieser Nachricht macht, ist allerdings mehr als nur unsportlich. Nau wer? Gemeint ist das sogenannte Nachrichtenportal mit Sitz im bernischen Liebefeld, das seit Oktober 2017 die Bildschirme in öffentlichen Verkehrsmitteln mit halbgaren Kurznews flutet.

Nau.ch fragte heute Morgen: «Ist Lara Gut Schuld an Behramis Nati-Rauswurf?» (sic!) Falls es jemand noch nicht weiss: Die Skirennfahrerin Lara Gut und der Udinese-Kicker Valon Behrami outeten sich im vergangenem März auf Instagram als Liebespaar, inzwischen sind sie verheiratet.

Was diese Beziehung mit seinem Rauswurf zu tun hat? Nichts. Aber den Leuten bei nau.ch ist das offensichtlich schnurz. Sie ziehen es vor, mit ausgelutschten, sexistischen Stereotypen ein paar Klicks mehr abzuzügeln.

Bild: Screenshot

Natürlich ist die Frau schuld, wer sonst! Die Frauen sind ja auch schuld, dass ihre Männer nicht mehr so viel saufen gehen dürfen mit ihren Kumpels, dass sie plötzlich «über ihre Gefühle reden» müssen und keinen schweren Töff fahren dürfen, weil sie im Falle eines Unfalls kein Geld mehr heimbringen würden.

Nicht. Die Frauen sind an ganz anderen Dingen «schuld»: Zum Beispiel daran, dass viele Männer bis heute ihre 100-Prozent-Kaderstellen behalten können und Job und Familie trotzdem locker unter einen Hut bringen. Oder daran, dass Alte, Kranke und anderweitig Pflegebedürftige so toll und günstig versorgt werden rund um die Uhr. Oder daran, dass manche Konflikte auch ohne die gute alte Gewalt gelöst werden.

Das war jetzt zu polemisch, sorry. Es gibt natürlich auch ganz viele Männer, die in diesem Jahrhundert leben und sich aktiv am Fortschritt beteiligen. Doch zurück zu nau.ch: Ein bedauerlicher Einzelfall? Ist vielleicht nur jemand «auf der Maus ausgerutscht»? Keineswegs, wie dieser Screenshot von gestern beweist:

Donna Vekic belegt aktuell Platz 182 der Tennis-Weltrangliste. Mit wem sie schläft, ist völlig irrelevant. (Bild: Screenshot)

Sexismus scheint ein gern genutztes «Stilmittel» zu sein beim noch jungen Nachrichtenportal. Offenbar haben die Journalisten dort (gehen wir mal davon aus, dass es in beiden Fällen ein Mann war) nicht mitbekommen, dass die Zeiten, in denen frau noch «die Freundin von», «die Frau von» oder «die Partnerin von» war, längst vorbei sind. Oder schreiben sie beim nächsten Mal von Vekics Freund, wenn Stan Wawrinka gemeint ist? Eher nicht.

Nau.ch ist mit seinem Sexismus aber nicht allein, schliesslich geht es ja hier um Sportjournalismus. Ein anderes Müsterchen aus der jüngeren Zeit konnte frau zum Beispiel in der «Südostschweiz» bewundern. Deren Ressortleiter Sport durfte sich an der WM in Russland vergnügen, und schrieb Sätze wie diesen hier über die vermissten «schönen Olgas von der Wolga» (sic!):

«Darum rate ich allen Schweizer WM-Touristen beziehungsweise dem einem Flirt nicht abgeneigten helvetischen Fan, nur mit sportlich hohen Erwartungen in den Osten Europas zu reisen. Die Chancen auf Punkte gegen Brasilien, Serbien und Costa Rica scheinen mir klar grösser als ein russischer Schönheits-Volltreffer.»

Ja, wenn sich schon die Sport-Journis ständig dermassen sexistisch vertun, braucht man sich auch nicht wundern, wenn die deutsche Sportreporterin Claudia Neumann in den Sozialen Medien aufs unterste beleidigt wird, immer wenn sie ein Fussballspiel kommentiert.

3 Kommentare zu Selber schuld!

  • Manu sagt:

    Nun ja, es ist immer leicht vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Dasselbe könnte man von einem link populistischen portal sagen, die eine ebenso einseitige berichterstattung aufweisen…

  • Manuel Stalder sagt:

    Der Bericht zum Behrami-Rauswurf war saudumm, faktenlos und sehr sexistisch, keine Frage. Das zweite Beispiel hat damit aber nichts zu tun – es ist völlig normal, wenn bei Orten/Personen, die der Otto-Normal-Bürger nicht kennt, Heuristiken zur Einordnung geboten werden. Das hat nichts mit Sexismus zu tun und ist doch gar gesucht, um Nau „generellen Sexismus“ vorwerfen zu können. So wird etwa Schauspieler Justin Theroux häufig auch als Ex von Jennifer Aniston bezeichnet – nicht aus Sexismus, sondern da man sie von populären Formaten schlichtweg besser kennt als ihn.

    • Corinne Riedener sagt:

      Natürlich ist es sexistisch, in der Headline (!) nicht den Namen der Person zu nennen, um die es geht. Zweitrangige Infos wie zum Beispiel den Beziehungsstatus kann man auch im Lauftext versorgen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Impressum

Herausgeber:

 

Verein Saiten
Gutenbergstrasse 2
Postfach 2246
9001 St. Gallen

 

Telefon: +41 71 222 30 66

 

Hindernisfreier Zugang via St.Leonhardstrasse 40

 

Der Verein Saiten ist Mitglied des Verbands Medien mit Zukunft.

Redaktion

Corinne Riedener, David Gadze, Roman Hertler

redaktion@saiten.ch

 

Verlag/Anzeigen

Marc Jenny, Philip Stuber

verlag@saiten.ch

 

Anzeigentarife

siehe Mediadaten

 

Sekretariat

Isabella Zotti

sekretariat@saiten.ch

 

Kalender

Michael Felix Grieder

kalender@saiten.ch

 

Gestaltung

Data-Orbit (Nayla Baumgartner, Fabio Menet, Louis Vaucher),
Michel Egger
grafik@saiten.ch

 

Saiten unterstützen

 

Saiten steht seit über 25 Jahren für kritischen und unabhängigen Journalismus – unterstütze uns dabei.

 

Spenden auf das Postkonto IBAN:

CH87 0900 0000 9016 8856 1

 

Herzlichen Dank!