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Sieben Filme, sieben Überraschungen
Dieses Wochenende finden die siebten und letzten Fussballlichtspiele St.Gallen statt. Die Zahl sieben steht zum Abschluss im Zentrum des Filmfestivals, das seit 2015 die vielen Facetten des Fussballs beleuchtet. Ruben Schönenberger vom OK blickt zurück und verrät, was das Publikum ab Donnerstag erwartet.
Saiten: Seit 2015 organisiert ihr die Fussballlichtspiele in St.Gallen. Warum hört ihr jetzt auf?
Ruben Schönenberger: Bis zur Pandemie lief das Festival sehr gut, wir hatten einen stetigen Zuwachs an Besucher:innen und konnten 2019 etwa 500 Personen begrüssen. Dann kam Corona und wir mussten eine lange Pause einlegen. Danach war es schwierig, wieder ins Rollen zu kommen. Zunächst wollten wir das Festival nicht mehr im ehemaligen Kino Tiffany veranstalten und mussten eine neue Location finden, was sich als Herausforderung erwies. Seit letztem Jahr sind wir im Figurentheater zu Gast. Gleichzeitig wollten wir nach der Pandemie nicht direkt wieder anfangen, weil wir anderen Kulturschaffenden, die von ihren Veranstaltungen leben, nicht das Wasser abgraben wollten. Wir nutzten die Zeit zur Reorganisation, um das Festival nachhaltiger zu gestalten. Leider mussten wir beim letzten Festival feststellen, dass uns das nicht gelungen ist. Unsere Strukturen waren weiterhin nicht nachhaltig, die Arbeiten konnten nicht wie gewünscht neu verteilt werden.
Warum kommt keine jüngere Generation nach, die den Anlass weiterführt?
Jüngere einzubinden, damit wir Älteren uns zurückziehen können, haben wir leider nicht geschafft. Zudem hat sich unsere Lebenssituation verändert; 2015 waren einige von uns noch im Studium oder am Anfang der Berufskarriere, heute haben einige Familien oder sind beruflich stärker eingebunden, was die Organisation zusätzlich erschwert. Wir wollten aber nicht einfach im Stillen aufhören, sondern noch eine letzte Ausgabe machen – mit einem besonders guten Programm als krönendem Abschluss.
Was war die ursprüngliche Idee hinter den Fussballlichtspielen?
Die Idee entstand im ehemaligen Fanlokal der FC-St.Gallen-Fans. Wie es so ist, wenn der Abend etwas bierselig wird: Dann kommen die grossen Ideen. Wir stellten fest, dass in St.Gallen die Verbindung zwischen Fussball und Kultur fehlt. Wir wollten den Fussball aus dem Stadion in die Stadt bringen, und das Medium Film schien uns dafür ideal. Filme sind eine niederschwellige Kulturform, alle gehen ins Kino. Nur vier Monate nach der Idee fand im Sommer 2015 das erste Festival statt. Die Vorbereitungen waren intensiv, mindestens einmal pro Woche sassen wir damals bis morgens um drei zusammen.
Es gibt einige Filmfestivals zum Thema Fussball weltweit. Ihr habt eine besondere Beziehung zu den Kolleg:innen in Berlin. Wie kam das?
Wir haben durch das Festival viele neue Kontakte weltweit knüpfen können. Berlin ist für uns wie ein Klassentreffen. Dort haben wir zum Beispiel Menschen aus Japan oder Brasilien kennengelernt. Geholfen haben uns solche Kontakte auch bei Anfragen, ob wir diesen oder jenen Film bei uns zeigen dürfen. Man dürfte meinen, die verantwortliche Person zu finden sei einfach, ist es aber oft nicht. Dabei haben uns die Kolleg:innen in Berlin massgeblich geholfen. Berlin hat uns auch bei der Suche nach Filmideen unterstützt.
Wie wählt ihr die Filme für das Festival aus?
Anfangs dachten wir, dass uns bald die Filme ausgehen würden. Aber durch den Austausch mit anderen Festivals, insbesondere mit Berlin, sowie durch soziale Medien und verschiedene Fussballmagazine, in denen es um die Kultur und Soziologie des Fussballs geht, haben wir immer wieder interessante neue Filme entdeckt. Im Laufe der Jahre haben uns auch viele Menschen Empfehlungen gegeben.
Die Filme müssen zum jeweiligen Thema des Festivals passen. Was waren die spannendsten Themen der vergangenen Jahre?
Es gibt zu jedem Thema einen passenden Film. Besonders spannend finde ich Dokumentarfilme, die gesellschaftliche Diskussionen aufgreifen, die wir oft auch in unseren Diskussionsrunden zwischen den Filmen vertieften. Ein Beispiel ist der Film Just Charlie. Er erzählt die Geschichte eines talentierten jungen Fussballers, der erkennt, dass er als Mädchen leben möchte. Diesen Film zeigten wir noch bevor die Transgender-Debatte breite Öffentlichkeit fand. Mit solchen Filmen ist es uns sicher gelungen, auch Leute anzuziehen, die sich sonst eher weniger Gedanken zum Thema Fussball machen.
Gibt es gesellschaftliche Themen im Kontext Fussball, die ihr gerne in Zukunft behandelt hättet?
Ja, wir haben eine lange Liste von Themen. Zum Beispiel hätten wir gerne noch mehr über die Kommerzialisierung, den zunehmenden Wettbewerb und die Rolle des Geldes im Fussball diskutiert. Auch Themen wie Migration oder Rassismus im Fussball haben wir zwar schon aufgegriffen, aber noch nicht so ausführlich behandelt, wie es die Themen verdienen.
Welche Gäste haben bei dir einen bleibenden Eindruck hinterlassen?
Das ist natürlich subjektiv. Ich bin beispielsweise ein grosser Fan des englischen Fussballs. Ein Highlight war für mich daher der Film Trautmann – The Keeper und der dazugehörige Talk mit dem inoffiziellen Club-Archivar von Manchester City. Auch der mittlerweile ehemalige Trainer des FC St.Gallen, Peter Zeidler, der bei unserer letzten Veranstaltung 2023 zu Gast war, bleibt mir in Erinnerung. Das Gespräch mit ihm war sehr unterhaltsam.
Beim siebten und letzten Festival dieses Wochenende ist das übergeordnete Thema passend die Zahl sieben. Warum hat die Sieben im Fussball so eine besondere Bedeutung?
Cantona, Beckham, Ronaldo – sie alle trugen die Nummer sieben. Diese Zahl hat dadurch eine gewisse Bedeutung im Fussball. Zudem wird sie mit den sieben Weltwundern oder dem Glück verbunden und hat eine mystische Komponente. Wir haben auch den idealen Film dazu gefunden: Matthews – The Original No. 7. Er thematisiert Sir Stanley Matthews, einen der grössten Fussballer aller Zeiten.
7. Fussballlichtspiele St.Gallen:
5. bis 7. September 2024, Figurentheater St.Gallen.
Vorverkauf und Infos unter: fussballlichtspiele.ch
Wer ist unter den diesjährigen Gästen?
Gleich zu Beginn des Festivals am Donnerstag reden wir in einer Gesprächsrunde mit ehemaligen Spielern des FC St.Gallen, die die Nummer sieben getragen hatten. Am Freitag steht der Frauenfussball im Fokus. Dazu zeigen wir den aktuellen Film Copa 71, der die Entstehungsgeschichte der Frauen-WM in den 1970er-Jahren thematisiert. Bereits 1971 wurde nämlich eine Frauen-WM durchgeführt. Mit unseren Gästen Marisa Wunderlin, der Trainerin der Frauenmannschaft des FC St.Gallen, der ehemaligen nationalspielerin Anita Lindegger sowie Nathalie Grand, der sportlichen Leiterin der Juniorinnenteams der Gruppierung des KF Dardania SG, FC Fortuna SG und FC St.Otmar, werfen wir unter anderem schon einmal einen Blick aufs nächste Jahr, wenn unter anderem in St.Gallen die EM ausgetragen wird. Zum letzten Film am Samstagabend, God Save the Wings, haben wir die Produzentin eingeladen.
Auf welchen Film freust du dich besonders?
Wir zeigen insgesamt sieben Filme, überwiegend Dokumentarfilme, sowie sieben Kurzfilme und einen Überraschungsfilm. Besonders spannend ist der indische Film Maidaan, den wir in Europa zum ersten Mal zeigen dürfen. Diese Europapremiere freut uns ganz besonders. Mein persönlicher Favorit ist am Samstag Stand or Fall – The Remarkable Rise of Brighton & Hove Albion. Dieser Film erzählt die Geschichte von Brighton und wurde bisher nur in England gezeigt.
Der Trailer zu den siebten und letzten Fussballlichtspielen
Wie war das Feedback auf das Ende des Festivals?
Einige dachten, es sei ein Marketing-Stunt, was es aber tatsächlich nicht ist. Viele Vereinsmitglieder, die praktisch immer dabei waren, bedauern das Ende sehr. Gleichzeitig gibt es auch viel Verständnis, besonders von denen, die selbst schon einmal eine Veranstaltung organisiert haben. Der Aufwand ist einfach enorm.
War es schwierig, in den letzten Jahren an Fördergelder und Sponsoren zu kommen?
Nicht wirklich. Der FC St.Gallen hat uns von Anfang an jedes Jahr unterstützt, nicht nur finanziell, sondern auch mit Sachspenden wie Original-Shirts, die wir verkaufen konnten. Auch von der Stadt und dem Kanton St.Gallen sowie von Stiftungen haben wir regelmässig Unterstützung bekommen. Im ersten Jahr nach der Pandemie – 2023 – war das Geld gefühlt relativ locker verfügbar. Dieses Jahr allerdings war die Situation wieder anders, etwas schwieriger. Vielleicht hätten wir gegenüber potenziellen Geldgebern gar nicht erwähnen sollen, dass wir aufhören, das war eventuell nicht so hilfreich. Aber für uns war es einfacher, mit offenen Karten zu spielen.
Es gibt einen Überraschungsfilm. Gibt es noch weitere Überraschungen?
Ja, wir haben insgesamt sieben Überraschungen. Unter anderem den erwähnten Überraschungsfilm am Freitag. Verraten kann ich hier schon mal, dass wir zusammen mit Hermann Bier ein eigenes Festivalbier kreiert haben. Die weiteren Überraschungen werde ich natürlich jetzt noch nicht verraten. Am Samstag gibt es aber nach der offiziellen Veranstaltung im Figurentheater eine Art «Nachspielzeit-Party» im Øya Club bis drei Uhr morgens. Dort können wir nicht nur mit dem Publikum, sondern auch innerhalb unseres Teams den Abschluss der Veranstaltungsreihe feiern.