, 8. Dezember 2014
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Solid aber wenig überraschend

Das Openair St.Gallen setzt 2015 vor allem auf bewährte und mit dem Sittertobel vertraute Acts. Die Bandauswahl ist solid und dürfte beim breiten Publikum ankommen. Sperriges sucht man im Festival-Programm aber noch vergeblich.

Mitten im tiefgrauen Dezember ist am Montag die Vorfreude auf sonnigere Zeiten geweckt worden: Die Leitung des Openair St.Gallen hat 17 Bandnamen für die Festivalausgabe 2015 bekannt gegeben und so den Vorverkauf lanciert. Das Ganze wie schon im Vorjahr geschickt auf das Weihnachtsgeschäft getimet.

Bei regelmässigen Openair-Gängern wurden beim Lesen der News aber nicht nur Erinnerungen an sonnige (oder legendär verschiffte) Festivaltage wach, sondern auch an Konzerte im Sittertobel: So sind unter den Headlinern 2015 mit Placebo, Farin Urlaub Racing Team, Kraftklub oder den Chemical Brothers mehrere Bands vertreten, die schon im Sittertobel gespielt haben – und mit ihrer starken Bühnenpräsenz Eindruck gemacht haben.

Grossartig prügelnde Entdeckungen

Das britische Electro-Duo Chemical Brothers etwa machte 2002 mit wilden Visuals zu seinen Beats Furore. Und Farin Urlaub liess als Ärzte-Frontmann sogar nach dem übel verschlammten Festival 2013 am Abschlusskonzert gute Stimmung bei den durchgerockten Festivalgängern aufkommen. Einfach, weil er zutiefst ehrliche Spielfreude hatte und den Kontakt zum Publikum suchte. Das Ganze nach über 30 Jahren Bandgeschichte ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen. Placebo um Frontman Brian Molko (auf dem Titelbild) schliesslich sind bereits zum dritten Mal beim Openair dabei.

farinurlaub

Ärzte-Frontmann Farin Urlaub kommt 2015 wieder ins Sittertobel. Bild: pd.

Für Openair-Mediensprecherin Sabine Bianchi sind gerade Placebo «absolute Publikumslieblinge, die zudem ein neues Album im Gepäck haben». Die bewährten Bands im Line-Up sieht sie als Stärke des Festivals, weil die Besucher so «wissen, was sie bekommen – nämlich starke Konzerte. Ausserdem finden aufstrebende und spannende Bands noch immer ihren Platz bei uns», so Bianchi.

Tatsächlich sind unter den 17 nun bekannten Bands – gut 40 werden es am Schluss sein – mit The War On Drugs, Mighty Oaks und Future Islands auch frische Namen der Indie- und Folk-Szene vertreten. Wirklich Sperriges oder gar Böses (man denke 2013 etwa an die grossartig prügelnden METZ, zufällig entdeckt auf der Sternenbühne) sucht man aber noch vergeblich.

Der Berliner Marteria, am St.Galler Festival 2015 bisher der Quoten-Rapper, lebte seine finstere Seite mit seiner Kunstfigur Marsimoto unter anderem 2012 am Openair Frauenfeld aus. Fans der etwas härteren Gitarrenmusik dürften sich von den Melodic Punkern Rise Against zwar angesprochen fühlen, wirklich schräge Töne muss man aber auch 2015 anderswo als im Sittertobel suchen. Und das ist ok so, hat die (Ost-)Schweiz doch eine extreme Dichte von mittelgrossen und kleinen Festivals, die alle Geschmäcker bedienen. Sowieso, so geht die gern zitierte Legende, gehe man ans Openair ja nicht in erster Linie wegen der Musik, sondern der Atmosphäre.

Ein Hauch von Anarchie bleibt

Und tatsächlich: Auch nach bald 40 Jahren Geschichte hat sich das Openair St.Gallen dank besonderer Lage im hügeligen Tobel einen Hauch von viertägiger Anarchie bewahren können, der sich am Festivalwochenende über die Stadt legt.

Organisatorische Neuerungen, die das dezidiert kritische Openair-Publikum immer heiss diskutiert, gibt es auch dieses Jahr: Am meisten schmerzen werden die Fans die Preiserhöhungen um knapp 10 Prozent. «Wir haben unsere Preise vier Jahre lang trotz stetig steigender Kosten gleich belassen», sagt Bianchi. «Dieses Jahr kommen wir nicht um Anpassungen herum.»

Nachdem in den letzten zwei Jahren der Ticket-Schwarzmarkt für Unmut gesorgt hat, muss man sich dieses Jahr zudem vorgängig bis am 14. Dezember Online registrieren, um maximal vier Festivalpässe pro Person kaufen zu können. Bis am Montag hatten sich laut Bianchi über 17’000 Personen registriert.

Die letzten zwei Ausgaben des Festivals waren jeweils innert Rekordzeit ausverkauft, trotz eher schwachem Programm im 2014. So wie die Zeichen derzeit stehen – die Facebook-Gemeinde hat bisher mehrheitlich Freude am Programm – spricht vieles dafür, dass auch die Tickets für 2015 schnell weggehen dürften. Trotz Online-Registrierung, trotz etwas höherer Preise. Zu sehr liebt der St.Galler seine vier Tage Anarchie.

 

Weitere Infos: openairsg.ch

Titelbild: Placebo-Sänger Brian Molko hier 2007 am Openair St.Gallen.

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