, 22. November 2017
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Sozialminister Boris Tschirky?

St.Gallen wählt am 26. November den Nachfolger (oder die Nachfolgerin) des verstorbenen Nino Cozzio – und damit aller Voraussicht nach den künftigen Vorstand der Sozialen Dienste der Stadt. Was sind die sozialen Positionen der beiden Kandidierenden? Und wie halten sie es mit der Kultur? Hier Teil zwei: Boris Tschirky.

Bild: pd

Er politisiere am rechten Rand seiner Partei, der CVP – die ihrerseits immer mehr nach rechts rutscht. Vom christlichsozialen Geist des verstorbenen Nino Cozzio sei er zu weit entfernt, kritisieren selbst Parteifreunde. Andere stellen seinen Leistungsausweis in Frage. Boris Tschirky, früher Tourismusdirektor und heute Gemeindepräsident von Gaiserwald, Kantonsrat und Präsident der einflussreichen Vereinigung der Gemeindepräsidenten VSGP, hat wenige Tage vor dem 2. Wahlgang den Sieg keineswegs auf sicher. Welche Sozial- und Kulturpolitik wählt St.Gallen, wenn es Tschirky wählt?

Was ist für Sie das drängendste Thema im Sozialbereich in der Stadt St.Gallen?

Die effektivste Sozialpolitik besteht darin, den Menschen tatkräftig und zielorientiert zu helfen, dass sie ihren Lebensunterhalt selber bestreiten zu können. Deshalb setze ich einen Schwerpunkt darauf, die Anstrengungen im Bereich der Arbeitsintegration zu verstärken und das entsprechende Angebot auszuweiten. Dabei gilt es, passende Lösungen zu finden, ohne bürokratischen Aufwand zu generieren.

Ihre Gemeinde Gaiserwald und die Stadt St.Gallen sind stark verschieden. Zum Beispiel was den Ausländeranteil betrifft (14,7 % zu 30,6 %), beim Steuerfuss (115 zu 144), in der Sozialhilfequote (2,3 zu 4,4) oder beim Anteil Einfamilienhäuser (65 % zu 31 %). Gaiserwald hat bei den letzten Kantonsratswahlen zu 80 Prozent bürgerlich gewählt, St.Gallen hat eine (knapp) linksgrüne Parlamentsmehrheit. Wie passt Ihre bisherige Politik zur Stadt und zu Ihrer künftigen Bevölkerung?

Die Politik muss sich am Gemeinwohl orientieren und nicht an Ideologien oder Dogmen. Das ist in der Stadt gleich wie in Gaiserwald. Ich will die Stadt voranbringen und pragmatische Lösungen im Sinne der ganzen Bevölkerung finden. Das geht nur mit aktiver Kommunikation und im direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Da gibt es keinen Unterschied zwischen St.Gallen und Gaiserwald, davon bin ich überzeugt.

Stadtrat Nino Cozzio hat sich als «Anwalt der Schwächsten» in der Politik verstanden und sich (in einem Saiten-Interview) gewehrt gegen die «solidaritätsfeindliche Grundstimmung» in Teilen der Bevölkerung. Wie stehen Sie zu diesem Erbe Cozzios?

Ich stehe voll und ganz hinter dem politischen Erbe von Nino Cozzio. Als Person, die gerne den Kontakt zu den Menschen sucht und pflegt, nehme ich Bedürfnisse und Sorgen bewusst auf, politisiere transparent und lösungsorientiert. Die Würde jedes Menschen ist unantastbar. Mein Einsatz gilt dem Wohl der Menschen im Zusammenleben in Gesellschaft und Staat. Dabei orientiere ich mich ausdrücklich an christlich-ethischen Werten, insbesondere an der Selbstverantwortung und der Solidarität mit den Schwächeren – so, wie das Nino Cozzio auch getan hat.

Ihre Partei, die CVP driftet immer mehr nach rechts, beispielsweise jüngst beim Burkaverbot, in der Asylpolitik, bei dem (vorübergehenden) Nein zum Kulturförderungsgesetz. Wo bleiben die Werte, für welche die C-Partei früher gestanden ist?

Ich orientiere mich klar an christlich-ethischen Werten. Sie haben für mich grosse Bedeutung. Entscheidend sind für mich Familien als generationenübergreifende Lebensgemeinschaften – sowohl traditionelle Familien als auch Alleinerziehende und andere generationenübergreifende Familienformen. Familien sind als Basis von Gesellschaft und Staat zu schützen und zu fördern. Ich setze mich deshalb in allen Bereichen für familien-, kind- und altersgerechte Rahmenbedingungen ein. Zugleich brauchen die Familien gute materielle und finanzielle Grundlagen. Diese können sie nur erreichen, wenn eine gesunde Wirtschaft genügend Arbeitsplätze bietet und gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben sind.

Wie stehen Sie zu folgenden gesellschaftspolitischen Anliegen: Vaterschafts- bzw. Elternurlaub…

…ist im Umfang von zehn Tagen aus meiner Sicht angemessen. Finanzierbar ist das, realistisch beurteilt, allerdings nur, wenn auch die Wirtschaft mitmacht.

Frauenquoten…

…sind nicht das Mittel, um den Fähigkeiten der Frauen gerecht zu werden. Vielmehr hat es die Gesellschaft selber in der Hand, das Wissen und die Erfahrung der Frauen in Wirtschaft und Politik zur Geltung zu bringen.

Kommunales Ausländerstimm- und -wahlrecht…

…sollte für Niedergelassene (Ausweis C) geprüft werden.

Drogenlegalisierung…

…könnte ich mir (ausschliesslich) beim Cannabis vorstellen.

Sozialdetektive…

…sollen in jenen Fällen eingesetzt werden können, in denen ein offensichtlicher Missbrauch der Sozialhilfe vorliegt.

Sie haben sich im Kantonsrat bisher selten zu Wort gemeldet und bei einer Reihe von Abstimmungen nicht abgestimmt (Schlussabstimmung Sozialhilfegesetz im Februar 17, Kulturförderungsgesetz 1. Lesung im April 17, Debatte zum Vermummungsverbot im September 17, Motion «Kesb und Gemeinden» im September 17, Schlussabstimmung Finanzausgleichsgesetz im November 16). Wie begründen Sie das?

Im Kantonsrat melde ich mich jeweils dann zu Wort, wenn ich es aufgrund der Thematik respektive aufgrund des Diskussionsverlaufs für notwendig erachte. Gesagtes zu wiederholen, nur um ein Votum abgegeben zu haben, dient aus meiner Sicht niemandem und schon gar nicht der Sache. Die punktuellen Abstimmungsabwesenheiten sind in Sitzungen aus meiner Tätigkeit als Gemeindepräsident begründet.

Wo müsste es mit der Kulturstadt St.Gallen noch voran gehen?

Angesichts der Rahmenbedingungen müssen wir vor allem daran arbeiten, das bestehende breite kulturelle Angebot zu erhalten und gezielt zu fördern. Dabei stehen nicht nur die weit über die Stadtgrenzen hinaus bedeutenden Kultur-Institutionen in meinem Fokus, sondern auch die vielen kleinen und grösseren kulturellen Veranstalter und Angebote. Genau diese machen die Stadt attraktiv vielfältig und entwickeln sowohl für die städtische Bevölkerung als auch für die Gäste aus nah und fern Anziehungskraft.

1 Kommentar zu Sozialminister Boris Tschirky?

  • Armando Köppel sagt:

    Er scheint „ganz klar“ und aus Sicht der Wählbarkeit, sowohl als auch es muss dynamisch vorangehen, zumindest könnte er sich vorstellen, dass all das ganz klar geprüft werden sollte, könnte, müsste …..im Fokus sein. Ganz klar, oder?

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