Innenansicht der St.Galler Fernwärmezentrale in der Waldau. (Bilder: Katalin Deér)
Dass am Ende des 19. Jahrhunderts die blühenden Stickerei- und Textilfirmen auch viel Geld für repräsentative Bauten aufwarfen, lässt sich bis heute in der Stadt erleben. Einiges zu dieser Geschichte wissen die architektur- und bauinteressierten Stadtbewohnerinnen und -bewohner. Etwa dass strenge planerische Vorgaben das Museums- oder das Simon-Quartier zwischen Bahnhof- und Poststrasse hervorgebracht haben – letzteres benannt nach Architekt Bernhard Simon. Zum verbreiteten Bauwissen zählen auch Namen wie jene von Ingenieur Robert Maillart oder jene der damals grossen Architekturbüros. Doch Peter Röllin, Kunst- und Architekturhistoriker und Stadtsankgaller in Rapperswil-Jona, rollt die Geschichte vor allem an konkreten Objekten auf.

Betonpionier: das 1968 erbaute Theater St.Gallen, Blick in den Treppenaufgang.
Vorangestellt ist eine Fotoserie von Katalin Deér. Sie zeigt einige von St.Gallens markantesten Betonbauten. Im Text erfahren wir dann die Entwicklungsgeschichte des Betons und lesen, dass schon 1869 in der Stadt die ersten Zementrohre verlegt wurden. Eisenbeton wurde ab 1895 in St.Gallen von den Behörden als Konstruktionsart bewilligt. Die früheste Anwendung dürfte die alte Post Linsebühl (1897) gewesen sein, hat Röllin recherchiert.
Ganz in der Nähe sind auch die Linsebühlkirche und das Volksbad in damals modernster Bautechnik entstanden. Ein Detail dazu: Das Volksbad wurde über eine eigene Wasserleitung vom Broderbrunnen her gespiesen. Die Steinachüberdeckung in der Lämmlisbrunnenstrasse, aber auch die Staumauer des Gübsensees sind weitere Betonpionierbauwerke. Und nicht zu vergessen die Filterhalle des Wasserwerks im Rietli in Goldach mit ihren Pilzstützen von Robert Maillart. Vor acht Jahren wurde dieses Baudenkmal zerstört.
Peter Röllin schildert Details zu den Grossbauten Bahnhof und Hauptpost und erwähnt die lang anhaltende Ablehnung des Sichtbetons: Von der Felsenstrasse-Brücke bis zum Wasserturm, alles musste verkleidet werden. Erst ab den 1960er-Jahren durfte sich Sichtbeton zeigen. Damals entstanden die Bruder-Klaus-Kirche in Winkeln mit ihrem «Seelenabschussrampen»-Dach, die Universität und viele weitere Betongebäude, die bis heute zeigen, wie sie konstruiert sind.

Beton aktuell: Detail vom Helvetia-Neubau von Herzog & de Meuron.
St.Gallens Betongeschichte wird im Magazin «Modulor» bis heute nachgeführt. Clementine Hegner-van Rooden und Marko Sauer stellen – sehr technisch gehalten – die drei neusten Beispiele in der Stadt vor: die Fernwärmezentrale in der Waldau, das Namics-Bürogebäude an der Unterstrasse und die jüngste Etappe der Helvetia-Erweiterung auf dem Rosenberg.

Beton aktuell: die neue Fernwärmezentrale St.Gallen von aussen.
Zwei weitere Texte im Magazin hat Marko Sauer, der neue «Modulor»-Chefredaktor, der St.Gallen als früherer Mitarbeiter des städtischen Hochbauamtes bestens kennt, aus der Serie über gutes Bauen aus dem St.Galler Tagblatt übernommen: den einen übers Stadttheater und den anderen über die Achseln-Türme.
Das Heft oder die einzelnen Beiträge gibts gegen Bezahlung auch online: modulor.ch
- a
- b
-
Mehr zum Thema
- Ein letzter Gruss dem Wasserwerk
Das Gebäude mit den Filterbecken des Stadtsankgaller Wasserwerks in Goldach wird wohl abgebrochen. Eine Sanierung will sich der Stadtrat nicht leisten. Aber vielleicht rettet die Denkmalpflege, was noch zu retten ist.
- Hat das Wasserwerk noch eine Chance?
Im letzten Oktober ist der geplante Abbruch des alten Wasserwerks der Stadt St.Gallen in Goldach gestoppt worden. Ob das Industriegebäude stehen bleiben kann, entscheidet sich jetzt nach den Sommerferien.
- Jetzt wird demoliert
Dem alten Wasserwerk im Rietli in Goldach geht es an den Kragen. Mit dem Abbruch verschwinden Erinnerungen an die Pioniertaten der St.Galler Stadtväter. Ein paar schöne Armaturen aber sind gerettet.
- Tabula rasa im Wasserwerk
Im Sommer 2010 hatte die Stadt St.Gallen die Filterhalle ihres Wasserwerks Riet in Goldach abbrechen lassen – damit verschwand eine Architekturikone, noch bevor die Denkmalpflege sich zu Wort meldete. Jetzt soll auch der Rest der Anlage geschleift werden – doch diesmal steht die Denkmalpflege auf der Matte.
- 50er-Jahre-Schönheit: Goldzackhalle zu verkaufen
Die «Goldzackhalle» in Gossau ist ein Baudenkmal der 1950er-Jahre. Ihre architektonische Bedeutung ist unbestritten. Der Bau ist zwar im Bundesinventar aufgeführt, aber es gibt für ihn keine Schutzverfügung. Jetzt steht die Halle zum Verkauf.
- Essen in der Bankschalterhalle
Am Freitag eröffnet das «Tibits», nur wenige Schritte vom St.Galler Bahnhof entfernt. Wer dort eintritt, steht in einem wirtschaftshistorisch wichtigen Gebäude – in der Schalterhalle der ehemaligen «Eidgenössischen Bank».
- Abbrechen und zubauen oder schützen und bewahren
Die Abstimmungsresultate sind klar: Die Bevölkerung will die wilde Bauerei in den Griff bekommen, und sie hängt an identitätsstiftenden Ortsbildern. Doch die jüngsten Entwicklungen aus St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden zeigen: Die Baulobby lässt sich kaum bremsen.
- Architekten in die Politik!
«Beim Bauen ist auf unkonventionellen Wegen oft mehr möglich, als es anfänglich scheint», sagte der St.Galler Kantonsbaumeister Werner Binotto an der ersten öffentlichen Veranstaltung der Architekturwerkstatt der Fachhochschule St.Gallen. Und rief zum Fachdiskurs auf.
- Bye bye Bleicheli
Die zwei letzten Zeitzeugen des alten Bleicheli-Quartiers in St.Gallen werden bald abgebrochen. Es entsteht ein Neubau – einer ohne Tiefgarage!
- Die neue Liebe zu den Fünfzigerjahren
Zwei auf den ersten Blick unspektakuläre Industriebauten aus den 1950er-Jahren in der Stadt St.Gallen stehen vor Veränderungen: Das einstige Expresspostgebäude an der Leonhardstrasse und die frühere City-Garage im Lerchenfeld. Bei beiden lohnt sich genaues Hinschauen.
- Ein Turm und eine Plaza Mayor
Vier Architekturbüros haben für das Areal Bahnhof Nord in St.Gallen in den letzten Monaten Testplanungen erarbeitet. Seit heute kennt man das Ergebnis, und es herrscht rundum Zufriedenheit.
- Helvetia plant die nächste Ausbauetappe
Neben dem Helvetia-Hauptsitz auf dem Girtannersberg soll eine zukunftsgerichtete Wohn- und Arbeitswelt entstehen. Der Vorschlag von Staufer & Hasler Architekten aus Frauenfeld überzeugte die Jury. Bedenken gab es bezüglich Privatsphäre und Nachhaltigkeit.
- Swica-Neubau: Gut eingepasst?
Strahlend weiss und von monotonen schwarzen Fensterbändern durchzogen – so präsentiert sich der Neubau der Krankenkasse Swica an der Teufenerstrasse 5 in St.Gallen. Ein Beispiel mehr von missratener Stadterneuerung.
- Kann St.Gallen urban werden?
Was passiert mit den freien Flächen auf der St.Galler Bahnhof-Nordseite oder mit dem Güterbahnhofareal? Eine Diskussion in der Lokremise brachte keine konkreten Antworten.
- Porträt der gebauten Stadt
Ein Handbuch und eine iApp zur St.Galler Architektur laden zum Stadtspaziergang – Ein Beitrag von Marko Sauer.
- St.Galler Wohnungsfragen
Warum sinkt in der Stadt St.Gallen in den letzten Jahren die Einwohnerzahl leicht? Warum stehen wir bei verschiedenen Indikatoren der wirtschaftlichen Dynamik im Vergleich zum gleich grossen Luzern schlechter da? Die Antworten an der jüngsten Veranstaltung des Architekturforums Ostschweiz am Montag waren kontrovers.
- Union-Gebäude: umbauen oder schleifen
Stadt und Kanton St.Gallen haben die lange versprochene Erklärung zur Zukunft der gemeinsamen Bibliothek veröffentlicht. Am Standort Union/Blumenmarkt wird weiter geplant. Aber ob das Gebäude aus den 1950er-Jahren stehen bleiben wird, ist offen.
- Wie kommt die Kunst zum Bau?
Klar ausgewiesene Kredite, ein sauberes Auswahlverfahren und miteinander reden bringen es: Dies ist das Fazit eines Diskussionsabends des Architekturforums Ostschweiz zur Frage «Wie kommt die Kunst zum Bau?»