St.Galler Kantonsrat gefährdet digitale Kalenderplattform Minasa

Seit über vier Jahren entwickeln und betreiben Saiten und Thurgaukultur gemeinsam mit verschiedenen öffentlichen und privaten Partnern die grösste Ostschweizer Veranstaltungskalenderplattform Minasa, ein Angebot, das der Bevölkerung und den Veranstalter:innen gratis zur Verfügung steht und letzteren unkompliziert eine grosse Reichweite ermöglicht. Nun hat der Kantonsrat in einer Hauruckübung Mittel aus dem Lotteriefonds gekippt, die für das Projekt entscheidend sind.

Seit über vier Jah­ren ent­wi­ckeln und be­trei­ben Sai­ten und Thur­gau­kul­tur ge­mein­sam mit ver­schie­de­nen öf­fent­li­chen und pri­va­ten Part­nern die gröss­te Ost­schwei­zer Ver­an­stal­tungs­ka­len­der­platt­form Mi­na­sa, ein An­ge­bot, das der Be­völ­ke­rung und den Ver­an­stal­ter:in­nen gra­tis zur Ver­fü­gung steht und letz­te­ren un­kom­pli­ziert ei­ne gros­se Reich­wei­te er­mög­licht. Nun hat der Kan­tons­rat in ei­ner Hau­ruck­übung Mit­tel aus dem Lot­te­rie­fonds ge­kippt, die für das Pro­jekt ent­schei­dend sind.

In ei­nem kurz­fris­tig ein­ge­reich­ten An­trag hat die SVP-Frak­ti­on im St.Gal­ler Kan­tons­rat die Strei­chung des Pro­jekt­bei­trags an die Mi­na­sa-Ka­len­der­platt­form ge­for­dert. Der An­trag ist auf­grund sei­ner Kurz­fris­tig­keit de­mo­kra­tie­po­li­tisch äus­serst frag­wür­dig, es konn­te sich nie­mand auf ei­ne fun­dier­te De­bat­te vor­be­rei­ten. Trotz­dem ist der Kan­tons­rat dem schwach be­grün­de­ten und mit Falsch­aus­sa­gen ge­spick­ten An­sin­nen mit 59 zu 55 Stim­men ge­folgt. Da­mit hat er 195'000 Fran­ken, die den Be­trieb und die Wei­ter­ent­wick­lung des kan­tons­über­grei­fen­den Di­gi­ta­li­sie­rungs­pro­jekts für die kom­men­den drei Jah­re ge­si­chert hät­ten, aus der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft ge­kippt – vor­der­hand mit un­ab­seh­ba­ren Kon­se­quen­zen.

Was ist Minasa?

Mi­na­sa ist ein Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jekt von Sai­ten und Thur­gau­kul­tur. Es er­mög­licht Ver­an­stal­ter:in­nen, ih­re Events in ei­ne zen­tra­le Da­ten­bank ein­zu­spei­sen. Die­se Da­ten wer­den durch Mi­na­sa über ein wei­tes Netz­werk ge­streut und kön­nen so auf ver­schie­de­nen Platt­for­men ab­ge­ru­fen wer­den. Ge­gen­wär­tig be­zie­hen un­ter an­de­rem Ge­mein­den und die sechs Kul­tur­för­der­re­gio­nen aus dem Kan­ton St.Gal­len, Tou­ris­mus­or­ga­ni­sa­tio­nen, na­tio­na­le An­bie­ter (u.a. Guid­le und Event­frog) so­wie CH Me­dia Ver­an­stal­tungs­da­ten aus dem Mi­na­sa Da­ten­topf. Al­lein in die­sem Jahr be­inhal­te­te der Ka­len­der rund 90'000 Ver­an­stal­tun­gen. Das ist Kul­tur­ver­mitt­lung über di­gi­ta­le Ka­nä­le. Tra­di­tio­nel­le Me­di­en leis­ten die­se Ver­mitt­lung nicht mehr, weil sie sich nicht rech­net. Des­halb wur­de Mi­na­sa als Ser­vice pu­blic kon­zi­piert und ist für al­le frei zu­gäng­lich. Die­se in­no­va­ti­ve Kon­zep­ti­on dient schweiz­weit als Zu­kunfts­mo­del für ei­ne ef­fi­zi­en­te, ver­netz­te di­gi­ta­le Ka­len­der­lö­sung.

Si­cher ist, dass hier ein in­no­va­ti­ves, na­tio­nal aus­strah­len­des und für Be­völ­ke­rung und Ver­an­stal­ter:in­nen kos­ten­lo­ses An­ge­bot oh­ne Not tor­pe­diert wird. Oh­ne Not auch des­halb, weil es sich bei den Lot­te­rie­fonds­gel­dern nicht um «öf­fent­li­che Mit­tel» – al­so Steu­er­gel­der – han­delt, son­dern eben um Gel­der aus dem Lot­te­rie­fonds.

Der Kan­tons­rat hat sei­nen Strei­chungs­ent­scheid auf ei­ner mehr als wack­li­gen Ar­gu­men­ta­ti­ons­ba­sis ge­fällt. Hier die fünf unfun­dier­ten Kern­aus­sa­gen aus dem Vo­tum zum Strei­chungs­an­trag von Ivan Lou­is im Na­men der SVP-Frak­ti­on im Fak­ten­check:
 

  1. «Es er­scheint mir per­sön­lich un­glaub­wür­dig, dass ein Pro­jekt die­ser Grös­sen­ord­nung und die­ser Kom­ple­xi­tät so vie­le Mit­tel be­nö­tigt.»

    Rich­tig ist: Wel­che Mit­tel ein Pro­jekt be­nö­tigt, ist kei­ne per­sön­li­che Glau­bens­fra­ge. Mit Mi­na­sa kön­nen Event­da­ten ge­sam­melt, ver­edelt und wei­ter­ver­brei­tet wer­den. Ver­an­stal­ter:in­nen pro­fi­tie­ren von ei­ner gros­sen Reich­wei­te und Auf­find­bar­keit auf ver­schie­dens­ten Platt­for­men. Das Kon­zept von Mi­na­sa ist ein wich­ti­ger Be­stand­teil der Ver­mitt­lung des kul­tu­rel­len Schaf­fens in der gan­zen Ost­schweiz. In Mi­na­sa steckt lang­jäh­ri­ge, sehr spe­zia­li­sier­te Ex­per­ti­se. Die Kom­ple­xi­tät ei­nes di­gi­ta­len Ver­an­stal­tungs­ka­len­ders wird oft un­ter­schätzt. In der Pro­jekt­ein­ga­be wur­de die­se des­halb aus­führ­lich ver­mit­telt und die Kos­ten wur­den rea­lis­tisch und trans­pa­rent dar­ge­legt. Mi­na­sa wur­de in ver­schie­de­nen Me­di­en­be­rich­ten und an Ver­an­stal­tun­gen be­reits aus­führ­lich vor­ge­stellt, bei Fra­gen zum Pro­jekt und den Kos­ten steht Sai­ten als Be­trei­ber von Mi­na­sa je­der­zeit zur Ver­fü­gung.
     
  2. «Mi­na­sa be­fin­det sich in ei­nem di­rek­ten Wett­be­werb mit pri­va­ten Markt­teil­neh­mern. Ei­ne wei­te­re Markt­ver­zer­rung durch öf­fent­li­che Mit­tel (…) ist nicht an­ge­zeigt.»

    Rich­tig ist: Es gibt kei­nen funk­tio­nie­ren­den Markt für Ver­an­stal­tungs­da­ten. Ei­ne zeit­ge­mäs­se Ka­len­der­da­ten­bank, wel­che die Be­dürf­nis­se von Nut­zer:in­nen und Ver­an­stal­ten­den ins Zen­trum stellt (u.a. Ab­de­ckung von Gross- bis Ni­schen­events, brei­te Streu­ung der Da­ten), lässt sich nicht kom­mer­zi­ell be­trei­ben. Das hat sich et­wa am Bei­spiel des «Zü­ri­tipp» ge­zeigt, der En­de 2024 ein­ge­stellt wur­de. Be­stehen­de An­ge­bo­te er­fül­len die An­for­de­run­gen der vom Kan­tons­rat ab­ge­seg­ne­ten Kul­tur­för­der­stra­te­gie bei Wei­tem nicht und es hat sich längst ein kon­struk­ti­ves Mit­ein­an­der der ver­schie­de­nen Markt­teil­neh­mer:in­nen ein­ge­pen­delt, was sich bei­spiels­wei­se durch den ak­tu­ell prak­ti­zier­ten ge­gen­sei­ti­gen Da­ten­aus­tausch zeigt.
     
  3. «Ich ver­mu­te auf­grund der ho­hen Pro­jekt­mit­tel, dass es zu ei­ner ge­wis­sen Quer­fi­nan­zie­rung des Me­di­ums Sai­ten kommt.»

    Rich­tig ist: Ver­mu­tun­gen sind kei­ne Ent­schei­dungs­grund­la­ge. Das Ma­ga­zin Sai­ten ist seit über 30 Jah­ren ein un­ab­hän­gi­ges, selbst­tra­gen­des KMU und als Me­di­um aus­schliess­lich durch Abo­bei­trä­ge und In­se­ra­te­ein­nah­men fi­nan­ziert. Mi­na­sa fi­nan­ziert sich über ein vom Ma­ga­zin ge­son­der­tes Bud­get, da fliesst kei­ne ver­steck­te Me­di­en­för­de­rung durch ir­gend­wel­che Hin­ter­tür­chen in den Be­trieb des Kul­tur­ma­ga­zins. Sai­ten hat in den letz­ten 30 Jah­ren den gröss­ten und wich­tigs­ten Ver­an­stal­tungs­ka­len­der der Ost­schweiz auf­ge­baut und fi­nan­ziert. Um der zu­neh­men­den Kom­ple­xi­tät in der Di­gi­ta­li­sie­rung des Ka­len­ders Rech­nung zu tra­gen, hat Sai­ten ge­mein­sam mit Thur­gau­kul­tur die­sen di­gi­ta­len Ser­vice pu­blic ent­wi­ckelt und in Be­trieb ge­nom­men. Den Ka­len­der in der Print­aus­ga­be des Ma­ga­zins fi­nan­ziert Sai­ten nach wie vor sel­ber. Die Un­ab­hän­gig­keit der bei­den Bud­gets von Sai­ten und Mi­na­sa ist im Ge­suchs­dos­sier nach­voll­zieh­bar und trans­pa­rent dar­ge­stellt.
     
  4. «Das Pro­jekt plant ge­mäss der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft 2023 den Ein­be­zug ei­ner Ti­cke­ting­platt­form. In die­sem Be­reich herrscht in­ten­sivs­ter Wett­be­werb. In die­sem Be­reich hat der Staat nichts ver­lo­ren.»

    Rich­tig ist: Von un­se­rer Sei­te ist und war im Mi­na­sa-Pro­jekt nie der Auf­bau ei­nes Ti­cke­ting­sys­tems vor­ge­se­hen. In der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft 2023 schreibt der Kan­ton, dass er «die För­de­rung ei­nes Ost­schwei­zer Kul­tur­ka­len­ders un­ter Ein­be­zug be­stehen­der An­ge­bo­te und ein­schliess­lich ei­nes kul­tur­freund­li­chen Ti­cke­ting­sys­tems» als ein «kon­kre­tes Hand­lungs­feld» in der Kul­tur­för­der­stra­te­gie 2020 bis 2027 er­ach­tet. Ein sol­ches Ti­cke­ting­sys­tem ist und war un­se­rer­seits aber nie Teil des Bei­trags­ge­suchs 2023 und eben­so we­nig des nun vom Kan­tons­rat ab­ge­lehn­ten Ge­suchs 2025.
     
  5. «Ein sol­ches Pro­jekt soll­te spä­tes­tens nach die­ser Start­pha­se selbst­tra­gend be­trie­ben wer­den kön­nen, wie es auch in der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft 2023 an­ge­kün­digt war.»

    Rich­tig ist: Dass es kei­nen funk­tio­nie­ren­den Markt für Ver­an­stal­tungs­da­ten gibt, ha­ben wir oben dar­ge­legt (Punkt 2). In der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft war denn auch nie an­ge­kün­digt, dass Mi­na­sa einst «selbst­tra­gend» sein wür­de. Wört­lich steht in der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft in der Be­grün­dung des Kan­tons für die Bei­trags­spre­chung von 2023, dass «nach ei­ner ers­ten Start-up-Fi­nan­zie­rung ge­mein­sam mit den Stake­hol­dern», zu de­nen im We­sent­li­chen auch der Kan­ton St.Gal­len ge­hört, «ei­ne nach­hal­ti­ge Fi­nan­zie­rung si­cher­ge­stellt wer­den und da­nach die Ein­glie­de­rung in ei­ne re­gu­lä­re Fi­nan­zie­rung» er­fol­gen soll. Dar­un­ter wä­re zum Bei­spiel auch ei­ne Leis­tungs­ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Kan­ton und Mi­na­sa vor­stell­bar. Dies wür­de dem kul­tur­po­li­ti­schen Ziel ei­ner ge­stärk­ten Kul­tur­ver­mitt­lung in der kan­to­na­len Kul­tur­för­der­stra­te­gie 2020 bis 2027 ent­spre­chen.

Wich­ti­ger Teil ei­ner zeit­ge­mäs­sen Kul­tur­för­der­po­li­tik ist auch die Stär­kung der Kul­tur­ver­mitt­lung. Kul­tur­ver­mitt­lung ist je­doch nicht gra­tis, tra­di­tio­nel­le Me­di­en über­neh­men die­se Auf­ga­be längst nicht mehr kos­ten­los. CH Me­dia hat­te bei­spiels­wei­se sei­ne Ver­an­stal­tungs­agen­da in der Ost­schweiz zu­nächst kom­plett ein­ge­stellt, mitt­ler­wei­le in re­du­zier­ter Form aber wie­der auf­ge­nom­men. No­ta­be­ne zum Teil mit Da­ten, die von Mi­na­sa be­zo­gen wer­den.

Die zwei­fel­los weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen des Kan­tons­rats­ent­scheids zur Strei­chung des Lot­te­rie­fonds­bei­trags an das lau­fen­de und weit fort­ge­schrit­te­ne Mi­na­sa-Pro­jekt sind zu um­fang­reich, um sie be­reits heu­te im De­tail be­nen­nen zu kön­nen. Ob und in wel­chem Um­fang der Ka­len­der ab 2026 über­haupt zur Ver­fü­gung ste­hen kann, wer­den die ak­tu­ell auf Hoch­tou­ren lau­fen­den Ab­klä­run­gen zei­gen. Stand heu­te ist klar, dass für die Jah­re 2026 bis 2028 rund 40 Pro­zent des Bud­gets weg­fal­len. Ein Be­trag, der von der Re­gie­rung ab­ge­seg­net, von Re­gie­rungs­rä­tin Lau­ra Bucher in der Rats­de­bat­te noch­mals be­kräf­tigt und von der par­la­men­ta­ri­schen Fi­nanz­kom­mis­si­on be­reits dis­kus­si­ons­los gut­ge­heis­sen wor­den war.

Der Strei­chungs­ent­scheid des Par­la­ments in der Lot­te­rie­fonds­bot­schaft, der für den Kan­ton St.Gal­len kei­ner­lei Spar­ef­fek­te auf­weist, trifft nicht in ers­ter Li­nie Sai­ten, son­dern so­wohl die Be­völ­ke­rung als auch sämt­li­che Ver­an­stal­ter:in­nen aus al­len Re­gio­nen der Ost­schweiz. Fällt Mi­na­sa weg, müss­ten die bis­lang rund 30 grös­se­ren In­sti­tu­tio­nen mit Mi­na­sa-Di­rekt­an­bin­dung aus dem Kan­ton St.Gal­len (z.B. Kon­zert und Thea­ter St.Gal­len, Schloss Wer­den­berg, Dio­ge­nes Thea­ter, Al­tes Ki­no Mels, Stifts­be­zirk St.Gal­len u.v.m.) ih­re Event­da­ten wie­der ein­zeln auf al­len heu­te an­ge­schlos­se­nen Platt­for­men se­pa­rat er­fas­sen. Be­trof­fen sind auch di­ver­se kom­mu­na­le und kan­to­na­le Stel­len, die bis­lang – auch aus fi­nan­zi­el­len Über­le­gun­gen– auf den Auf­bau ei­nes ei­ge­nen Ka­len­ders ver­zich­te­ten und dies mit dem Ver­weis auf die be­reits be­stehen­de gu­te Lö­sung mit dem Mi­na­sa-Ka­len­der be­grün­de­ten. Die Strei­chung des Lot­te­rie­fonds­bei­trags ist in die­sem Sinn das Ge­gen­teil ei­ner Spar­mass­nah­me.

Mit den Sai­ten-Sta­tu­ten ver­pflich­ten wir uns in ge­mein­nüt­zi­ger Wei­se zur Pfle­ge und För­de­rung des un­ab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus in der Ost­schweiz. Ein wich­ti­ger Schwer­punkt da­bei ist die Kul­tur­ver­mitt­lung. Des­halb steht im Sai­ten-Ma­ni­fest: «Sai­ten be­treibt den um­fas­sends­ten Kul­tur­ka­len­der der Ost­schweiz.» Da­für en­ga­gie­ren wir uns wei­ter­hin!

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