, 13. März 2019
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Stadtzerstörung bleibt Stadtzerstörung

«Zubringer» statt «Teilspange»: Auch der neue Name macht das letzte Woche vorgestellte Projekt des Autobahntunnels zum St.Galler Güterbahnhof und weiter bis ins Riethüsli nicht besser. Die Anschlüsse werden monströse Betonwerke.

So könnte der Güterbahnhof samt Autobahneinfahrt Geltenwilenstrasse aussehen. (Visualisierung: Markus Tofalo)

Es gehe um die Engpassbeseitigung, und die bestehe aus drei Teilen, so informierten letzten Donnerstag das Bundesamt für Strassen, der Kanton St.Gallen und die Appenzeller Nachbarn an einer gemeinsamen Präsentation. Die drei Teile sind: ein Zubringer mit unterirdischem Kreisel im Areal des Güterbahnhofs mit drei Anschlüssen, zwei in die Stadt, einer ans anschliessende Tunnel in die Liebegg. Dazu die dritte Röhre durch den Rosenberg und – in bestem Strassenbauer-Deutsch – eine PUN, eine permanente Pannenstreifenumnutzung zwischen den Anschlüssen St.Fiden und Neudorf.

Ausfahrt an Ausfahrt: Planzeichnung des Zubringer-Projekts (Bild: Baudepartement Kt. St.Gallen)

Das sei die «Bestvariante», und «bestens» ist sie vor allem für die Kassen der Kantone St.Gallen und Ausserrhoden, denn den Löwenanteil wird der Bund bezahlen. Zwischen 150 und 200 Millionen werden an den regionalen Kassen hängen bleiben, wurde prognostiziert. Wer später einmal wie viel bezahlen wird, wisse man frühestens in zwei Jahren, wenn das Vorprojekt steht.

Dichtestress an der Leonhardsbrücke

Dieses Vorprojekt gilt es dann genau anzuschauen, denn zu den wichtigsten Folgen des Zubringers Güterbahnhof für die St.Galler Stadtentwicklung schweigen sich die Strassenbau-Promotoren aus. In ihrer neu ausgearbeiteten Präsentation zubringer-gueterbahnhof.ch gibt es zwar die Rubrik «Häufig gestellte Fragen» und dort auch jene nach der Entwicklung des Güterbahnhofs. Doch die Antwort ist medioker: «Das unterirdische Führen des Verkehrs und die damit einhergehende Entlastung verschiedener Quartiere ermöglichen die weitere Siedlungsentwicklung und schaffen Planungssicherheit.» Dazu kommt noch der Hinweis auf die Zwischennutzung durch die Lattich-Container.

Dass im Güterbahnhof aber nur jene Minderheit von Autos unter dem Boden bleiben werden, die vom und ins Appenzellerland fahren, ist Fakt: «Vom Kreisel sind Ein- und Ausfahrten auf die Geltenwilenstrasse und (via Güterbahnhofstrasse) in die Oberstrasse sowie zum Tunnel Liebegg vorgesehen.» Genau deswegen gab es gegen die bisherige «Teilspange» Opposition. Für diese Ausfahrten und ihre Rampen werden massive Bauwerke nötig.

Der geplante unterirdische Kreisel mit Anschlüssen.

Der Güterbahnhof als bestens gelegenes Wohnquartier wird massiv darunter leiden. Dazu stellt sich die Frage, was zwei unmittelbar nebeneinanderliegende Autobahnanschlüsse auf beiden Seiten der St.Leonhardbrücke sollen. Diese Dichte gibt es wohl sonst nirgends.

Mehr Strassen, aber kein Geld für die S-Bahn

Dass Linke und Grüne von diesem Projekt nichts halten, haben sie schon lange und nun erneut lauthals gesagt. Jede Kapazitätserweiterung auf der Strasse bringt nur mehr Verkehr – eine Entwicklung, die seit Jahrzehnten bekannt ist. VCS-Präsident und SP-Kantonsrat Ruedi Blumer bezeichnet denn auch im neuesten VCS-Magazin die St.Galler Gesamtverkehrsstrategie als «Papiertiger», der Verband äussert sich «enttäuscht und entsetzt über die klimafeindliche, strasseneuphorische Politik».

Das Kantonsparlament hat das Strassenbauprogramm 2019-2023 gar noch mit zusätzlichen Projekten aufgestockt, während die Regierung den Ausbau der S-Bahn immer weiter hinausschieben will – sich damit allerdings in den letzten Tagen massive Proteste etwa des VCS, der links-grünen Parteien, der Regio und selbst von bürgerlicher Seite, etwa vom Hauseigentümerverband HEV, eingehandelt hat.

Ganz so schnell wird der angebliche Engpass St.Gallen – er schafft es kaum je in die Verkehrsmeldungen! – allerdings nicht saniert. Bis das Vorprojekt steht, wird es noch dauern, und wenn die Pläne dann aufgelegt werden, sind Einsprachen sicher. Das anvisierte Eröffnungsjahr 2040 steht noch in den Sternen. Bleibt nur zu hoffen, dass die aktuelle Klimabewegung bis dann am Ball bleibt.

3 Kommentare zu Stadtzerstörung bleibt Stadtzerstörung

  • Matthias sagt:

    Wir haben grad heute darüber gesprochen, wie es wohl möglich sein wird bzw. wie aufwändig es werden wird, wenn wir in naher oder ferner Zukunft Verkehrsflächen rückbauen wollen, weil wir dem Wert fruchtbarer Böden endlich genügend Gewicht geben? Sind die Schäden irreversibel und wie kurzsichtig ist es eigentlich Dinge zu bauen, von denen wir heute schon wissen, dass wir sie irgendwann rückbauen müssen, sofern wir als Spezies überleben wollen? Wieso werden die Ressourcen (planerischer und finanzieller Art) nicht in die Städteinitiative gesteckt? Ich finde in den vergangenen 9Jahren(!) seit der Abstimmung ist herzlich wenig passiert.

  • […] Ostschweizer Magazin Saiten blickt dem Projekt kritisch entgegen und spricht davon, dass Stadtzerstörung eben Stadtzerstörung […]

  • Chris sagt:

    Wenn es keiner Betreffen würde und “alle” so extrem “grün” sind…. warum steht man den zwischen 16.30 und 19.00 Uhr immer im Stau in St. Gallen (Kreuzbleiche)…?! Es muss eine soliede Lösung her. Ich finde die Aufteilung und Ausbau der Ein und Aus-Fahrten perfekt.
    Lieber mal was gutes unternehmen als nur meckern und dann sein lassen. Kennen wir ja vom Marktplatz wie es dann raus kommt und sich um Jahre verzögert wegen all den Ideenlosen “Hatern” von erneuerungen

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