, 27. November 2019
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Stern 587 ist mein, I love Gallensternenstadt.

Warum Charles Pfahlbauer jr. jetzt Braunauge, Doktor Grubenmann, Harry Grimm, Pfahlgenossen und auswärtigen Freunden voller Stolz seinen Stern zeigen kann.

Bilder: Charles Pfahlbauer jr.

Am Anfang wars ein Witz, ein komischer Funken in einer allerdings hitzig gewordenen Fondueplauderei über Zugehörigkeit und Verbundenheit, über Abbrüche und Aufbrüche, Bandenbildung und Perspektiven, Verschwindendes und Auftauchendes. Und über die Liebe, die verortet werden müsse, wie einer betonte, und sei es nur in einem Quartier oder einem Stück Strasse. Ein grosser Satz, zu gross für einen Punkt, der ein Punkt bleibt, erst recht an einem schwermutverhangenen Spätnovemberabend an der Schwelle zum Advent.

Plötzlich stand ich am Pranger und redeten mir alle ins Gewissen. Die alte Leier: fehlendes Bekenntnis zum Sumpf, mangelnde Begeisterung für die Falte und ihre Pflastergassen. Die Gallenstadt nie wirklich ins Herzen ge- schlossen. Noch nicht mal einen Sitz vom Espenmoos erstanden. An keinem Stadtfest gesehen, nie am Kinderfest, weder am Elektrogarten- noch am Parkplatzfest. Und unten im Tobel nicht. Wieder kein Handballmatch, obwohl tausendmal versprochen. Und hast du je irgendetwas für dein Quartier getan? Und wann eigentlich zum letzten Mal etwas eingekauft, das nicht ess- oder trinkbar ist, also eine Hose oder ein Küchengerät? Ich hockte blöd da, hatte nur kleinlaut schlechte Antworten und wurde immer hässiger.

Bis eben dieser lustige Vorschlag folgte, der mich hundert Franken und wahrscheinlich einen Winter lang grossflächiges Gespött kosten, aber der mich letztlich überirdisch froh machen würde. Ein Stern, Charlie, ein Stern fürs Gewerbe und für den Gassenglanz, ein Stern deiner Heimatliebe, du kaufst jetzt einen Stern! Jaja, schon gut, ihr könnt euch den Stern gern in eure Käsebäuche stecken, das war noch harmlos. Die Runde löste sich schnell auf, der Abgang war grimmig und der Nachgeschmack bitter, die Nacht voller Kälte und Kopfweh.

Am nächsten düsteren Morgen aber wusste ich mit dem ersten verkaterten Gedanken: Klare Sache, denen würde ich es zeigen, soll mir keiner mehr so kommen! Natürlich hatten sie recht: Ich bin ein schlechter Kunde und ein lausiger Konsument, die meisten leeren Ladenlokale allein schon im Klosterviertel gehen direkt auf meine Kappe, und auch dass das Akkordeonorchester im Werbevideo der Sternenstadt so traurig ist, kann man mir anlasten.

Sofort studierte ich die Sternenkarte, erwog die möglichen Hängeorte und las mich durch die Namen, die schon einen Stern gespendet hatten. Der Reiz wurde nur grösser, mein Name unter den Paganinis, Osterwalders, Frischknechts oder Martels, deren Sterne in der Sternenstadt schon länger leuchteten. All die, ähm: wir namhaften Sterngallenstädter!

Einen Moment lang kam der Spielverderber in mir auf: Was, wenn ich nicht meinen ehrenwerten Namen eingeben würde, sondern einen Reiznamen, Milo Rau, Marco Streller, Sister Wyborada, oder einen Stachelbegriff, vielleicht Anticity, Prostata, Gallagalla, Zwickzwack, Roter Stern Heiligkreuz? Nichts da, die Blödelei schnell verworfen, wenn schon denn schon musste mein echter Name her, anständig, bitteschön.

Der Ort bereitete Mühe: Die Sternenstadt gilt nicht dem Otmarkurden, dem Lachensyrer oder dem letzten Plattenhändler an der Rorschacherstrasse, sondern nur den glühverweinten Zentrumsgeschäften. Also entschied ich mich tapfer für die schluchtnächsten Angebote: Stern 233 über der Kellerbühne schien ideal, aber zu nah am Haus und der Lampe für die Bushaltestelle. Dann sprang mir Stern 587 ins Auge, was jetzt auch keine Superzahl ist, aber er hängt am Altstadtrand eingangs Mülenenschlucht, und die bleibt ein guter Ort, obwohl das neue Bähnli ein kaltherziger Graus ist.

Ein letztes Zögern, wohlig Schaudern, dann hatte ich gewählt und eingezahlt: 587 war mein, I love Gallensternenstadt. Noch bevor ich auf der Karte meinen Namen erspähte, kam postwendend schon der Dank: «Lieber Charles Pfahlbauer jr., herzlichen Glückwunsch! Sie sind jetzt Sternenpate. Ihr Stern leuchtet jetzt noch heller, weil er sich über seinen neuen Götti freut.» Dazu eine Urkunde, hoch offiziell: Stern 587 gehört Pfahlbauer. Welch himmlisches Glück! Es durchströmte mich eine interstellare Freude, eine weltkulturerblich wärmende Genugtuung: Ich hatte mich aus dem bratwurstigen Sumpf erhoben und mir einen Platz im Gallengewerbehimmel gesichert. Wenigstens für ein Jahr.

Jetzt kann ich Braunauge, Doktor Grubenmann, Harry Grimm, Pfahlgenossen und auswärtigen Freunden, speziell aus der Uckermark, voller Stolz meinen Stern zeigen, wie er noch heller leuchtet. Advent, Advent, happy Aussicht! Going Up To The High Places! Ich singe den Gospel und denke mir einen würdigen Namen für 587 aus, einen richtigen Sternenamen wie Sirius, Wega, Arktur, Denebola, Unukalhai. Gibts alle schon. Meine Favoriten Halluzinio oder schlicht Blasius. Aber Kloaka wäre schon auch schön. Lasst sie leuchten!

Dieser Beitrag erscheint im Dezemberheft von Saiten.

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