Trotz Pandemie: kklick in den Köpfen

Welche Folgen hat die Pandemie für die Kulturangebote in Schulen? Richi Küttel hat mit der Plattform kklick die verschiedensten Erfahrungen gemacht. Aber vorallem diese: «Die Kinder sind nach dem Lockdown wie Schwämme.»
Von  Peter Surber

Eigentlich sollte 2020 ein Jahr des Ausbaus sein: Die Vermittlungsplattform kklick konnte 2019 ihr fünfjähriges Bestehen feiern. Gegründet und finanziert von den kantonalen Kulturämtern der Kantone St.Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden, war zum Jubiläum der Kanton Glarus hinzugekommen. Und die Zahl der über kklick vermittelten Angebote stieg kontinuierlich auf inzwischen über 300.

Das «Rezept»: kklick listet kulturelle Programme für Schulen auf, geordnet nach Sparten und Stufen, und macht es so den Lehrpersonen einfach, die für ihre Klasse und ihre Unterrichtsthemen geeigneten Anlässe zu finden und zu buchen. Klassen entdecken über kklick die ideale Ausstellung, Theaterschaffende kommen via kklick in die Schulhäuser – «Kulturprojekte sollen ein selbstverständlicher Teil des Schulalltags werden», heisst das Ziel.

Schaltstelle in der Corona-Verunsicherung

Dann kam die Pandemie. Die Schulhäuser gingen vorübergehend zu, der ganze Kulturbetrieb war auf Eis gelegt und ist es teils noch immer. Das war einerseits ein Dämpfer für die Vermittlungsaktivitäten, sagt Richi Küttel – und andrerseits auch ein Ansporn.

«Es gab ganz viele Fragezeichen.» Was bedeutete das genau, wenn von «Veranstaltungen» und deren Verbot die Rede war? Was blieb für die Schulen dennoch möglich, was für Schutzkonzepte mussten erstellt werden, wohin konnten Klassen noch reisen und wohin nicht? «Die Pandemie hat Wasser auf unsere Mühlen gespült, uns stärker und eindringlicher einzubringen und die Informationen weiter zu vermitteln. Wir konnten uns einschalten zwischen den Anbietern, den Schulen und den Behörden.»

Einzelne Schulhäuser machten in Sachen Kulturprogramm ganz dicht, andere bemühten sich insbesondere im Herbst 2020 wieder um Angebote. Ganz ausfallen mussten im Jahr 2020 die Schul-Lesungen von Autorinnen und Autoren. Und dies erstmals seit der Lancierung des Angebots vor 57 Jahren.

Ein Hauptgrund: Rund die Hälfte der 40 Schriftsteller:innen, die für die Lesungen zur Verfügung stehen, leben im deutschsprachigen Ausland. Und an Reisen war bekanntlich kaum noch zu denken.

Online-Schreibseminar mit der deutschen Autorin und Journalistin Christina Bacher, Anfang Mai an der Oberstufe Kirchenfeld in Diepoldsau. (Bild: kklick)

Ein Teil der Lesungen fand digital statt. Autorinnen und Autoren hätten attraktive digitale Formate entwickelt, für Küttel «eine zufriedenstellende Alternative, solange ein persönlicher Auftritt nicht möglich ist». Aber gerade die Pandemie hat aus seiner Sicht auch die Grenzen des Digitalen spürbar gemacht. Auch wenn hybride Formate zweifellos Zukunft hätten: Kinder und Jugendliche verbrächten so schon viel Zeit vor den Bildschirmen, bei kleineren Kindern machten zudem nur interaktive, nicht bloss konsumierende Formen Sinn.

Küttels Fazit: «Die Livebegegnung ist durch nichts zu ersetzen. Kultur braucht körperliche Anwesenheit.» Handyführungen durchs Museum könnten attraktiv sein, aber dennoch fehle das Haptische, die Unmittelbarkeit. Das weiss die Pädagogik schon lange: ohne «greifen» kein «begreifen».

Kulturelle Bildung: noch nicht in allen Köpfen drin

Die wechselnden Lockerungen und Verschärfungen warfen immer wieder neue Fragen auf. Und, dies Küttels etwas desillusionierende Erfahrungen: Sie wurden in den verschiedenen Kantonen und Gemeinden unterschiedlich ausgelegt. So durften eine Zeitlang Schulklassen aus dem Kanton Graubünden die Stiftsbibliothek besuchen – die städtischen Schüler:innen aber noch nicht.

Die vorerst letzten Lockerungen im April gaben erneut zu reden. Um alle Informationen zusammenzubringen, habe er stundenlang «alle Kantone abgeklappert», wurde zum Teil zwischen den Ämtern hin- und hergeschoben und hörte von einem der Beamten: Kulturangebote seien momentan noch nicht erwünscht, die Klassen sollten sich «auf den Unterricht konzentrieren».

Das hat Küttel geärgert: «Als ob kulturelle Bildung kein Teil des Unterrichts wäre – dabei ist sie im Lehrplan verankert».

Im Sportunterricht wurde bezüglich der Corona-Massnahmen rasch und detailliert Klarheit geschaffen, hat Küttel festgestellt – in Sachen Kultur war die Unsicherheit hingegen gross, was erlaubt und verboten sei. Auch diese zeige den teilweise unbefriedigend tiefen Stellenwert, den die kulturelle Bildung noch immer in gewissen Köpfen habe. Welche Regeln aktuell gelten: Hier ein Merkblatt.

Mit Monet im Schulzimmer

Erfreuliches gab es natürlich auch. Küttel nennt als Beispiel die Initiative des Kunstmuseums St.Gallen: Die Kunstvermittlerinnen fuhren mit einer Kopie von Monets venezianischem Palazzo Contarini, einem der Highlights der Sammlung, in die Schulen. Sie überbrückten so die Zeit, da das Museum seine Türen geschlossen hatte; das Angebot mit dem Titel «Kunstkopie!» besteht aber weiterhin.

Jetzt sind die Häuser wieder offen und stellen fest: Die Klassen kommen, viele hätten spürbar auf diesen Moment gewartet. «Die Kinder sind wie Schwämme», sagt Küttel.

Insgesamt überwiegen für ihn denn auch die positiven Entwicklungen: Die Angebote nehmen zu, die Buchungen nehmen zu, und rund ein Drittel der Schulhäuser in der Ostschweiz hat inzwischen eine Lehrperson als «Kulturverantwortliche» bestimmt.

«Wir sind gut unterwegs – aber noch nicht dort, wo wir gerne wären: dass Kultur selbstverständlich ein fester Bestandteil des Unterrichts ist als Teil einer ganzheitlichen Bildung.» Kultur fördere das kreative eigene Tun, das soziale Lernen, das fächerübergreifende Denken, Kultur mache Welten auf – alles Qualitäten, die aus seiner Sicht unverzichtbar sind und in den neuen, auf Kompetenzen statt Lernstoff aufbauenden Lehrplan 21 bestens hineinpassen. Trotzdem hätten sie in einer «auf Messbarkeit getrimmten Schule» noch nicht den Platz, der ihnen zustehen würde.