Üble Sache, Maloney, aber «make it japanese»

In seinen Träumen begegnet der Detektiv «Masa»  seinen Dämonen. (Filmstill: pd)

Der Regisseur Roger Walch zeigt am Samstag im Kinok sein drittes Werk. Way of the Siren ist eine mystische, schöne Geschichte aus dem Herzen Osakas mit einigen Stereotypen und gewöhnungsbedürftigem Stil.

Er wirkt ein biss­chen wie die ja­pa­ni­sche Ver­si­on von Phil­ip Mal­o­ney, dem De­tek­tiv aus dem gleich­na­mi­gen Schwei­zer Ra­dio-Kri­mi-Klas­si­ker. Ma­sa­hi­ko Yo­shi­da (Aki­hi­ko Sai) schläft auf sei­ner Couch, trinkt zu je­der Ta­ges­zeit ir­gend­ei­nen hoch­pro­zen­ti­gen Fu­sel, mal aus der Fla­sche, mal aus ei­nem Glas, oft aus sei­nem Flach­mann – auch beim Ren­nen, und hilft schein­bar hilf­lo­sen Frau­en aus der Pat­sche. So auch der jun­gen Künst­le­rin An­do (Su­zu­ne Toya­ma), die ihn un­ver­mit­telt beim Schla­fen stört – «wir ha­ben heu­te ge­schlos­sen». Er hilft der Schö­nen dann doch bei der Su­che nach ih­rer Schwes­ter Sa­ku­ra Ta­ni­za­ki (Sayuri Ta­ki), die im Film so­wie im ech­ten Le­ben ei­ne be­kann­te Sän­ge­rin ist, und kämpft da­bei nicht nur mit sei­ner Ver­gan­gen­heit, son­dern auch mit der ja­pa­ni­schen Ma­fia, den Ya­ku­za.

Way of the Si­ren ist der drit­te Spiel­film des 60-jäh­ri­gen Re­gis­seurs Ro­ger Walch. Seit rund 27 Jah­ren lebt der ge­bür­ti­ge Ror­scha­cher in Ja­pan, wo er als Fil­me­ma­cher und Pu­bli­zist ar­bei­tet. Sein neu­es­tes Werk ist ein Film Noir mit span­nen­der Ge­schich­te und wirr-schö­nen Ele­men­ten. Es ist aber auch ei­ne hard­boi­led De­tek­tiv­ge­schich­te aus der Sicht ei­nes Man­nes. Es lässt sich na­tür­lich dar­über strei­ten, ob der «ma­le ga­ze» das Gen­re nicht eben aus­macht. So ist der De­tek­tiv selbst schon ein we­nig Kli­schee: 
Denn der hart­ge­sot­te­ne Ma­sa­hi­ko Yo­shi­da war na­tür­lich frü­her Söld­ner und trau­ert um ei­ne ver­lo­re­ne Lie­be, die er erst ge­ret­tet hat­te und dann ein­fach nicht be­schüt­zen konn­te. 

Akihiko Sai, in der Rolle des Detektivs Masahiko Yoshida, sucht nach einer verschwundenen Sängerin. Laut Roger Walch ist der Detektiv «ein typischer Ippiki Ôkami-Typ», ein Einzelkämpfer.  (Filmstill: pd)

In sei­nem neu­en Fall, für den ihn ja eben­falls ei­ne jun­ge, schö­ne Frau um Hil­fe bit­tet, fin­det sich der trau­ern­de De­tek­tiv bald in alt­be­kann­ten, ma­fiö­sen Sümp­fen er­mit­telnd – und muss sich sei­ner trau­ma­ti­schen Ver­gan­gen­heit stel­len. Denn es scheint, als ob die Ya­ku­za et­was mit dem ak­tu­el­len Fall zu tun ha­ben. Und es wa­ren eben auch die Ya­ku­za, die da­mals die Freun­din des De­tek­tivs tö­te­ten. Na­tür­lich, weil sie ihn un­ter­stüt­zen woll­te, ob­wohl er fand, es sei zu ge­fähr­lich. Am En­de hat er (na­tür­lich) ja Recht be­hal­ten.

Mit der Son­nen­bril­le durch Osa­ka

Wäh­rend die Ge­schich­te vie­le span­nen­de Tie­fen hat, macht die Um­set­zung zu­wei­len ei­nen et­was simp­len Ein­druck. Die­se ist al­ler­dings wohl auf die Tat­sa­che zu­rück­zu­füh­ren, dass Walch den Film kom­plett ei­gen­fi­nan­ziert hat, das Bud­get al­so be­schränkt war. Vie­le der Ar­bei­ten rund um die Pro­duk­ti­on hat Walch selbst er­le­digt, wäh­rend ihm die Lo­ca­ti­ons oft kos­ten­los zur Ver­fü­gung ge­stellt wur­den. 

Die Sze­nen sind fast im­mer grell aus­ge­leuch­tet – so sehr, dass das Ge­sicht des De­tek­tivs un­ent­wegt glänzt. Se­quen­zen in en­gen Räu­men se­hen da­durch schnell aus wie Aus­schnit­te aus leicht por­no­gra­fi­schen oder güns­tig pro­du­zier­ten In­ter­net- oder Ani­me-Fil­men. Viel­leicht liegt das aber auch an eben­die­sem «ma­le ga­ze»: den Kos­tü­men, Dia­lo­gen und (Kör­per-)Hal­tun­gen der be­tei­lig­ten Frau­en – üb­le Sa­che, Mal­o­ney.

Be­tont ge­stresst hetzt der­weil De­tek­tiv «Ma­sa» in der ers­ten Hälf­te des Films im Stech­schritt durch die Stras­sen Osakas, mit Son­nen­bril­le auf der Na­se, Trench­coat über den Schul­tern und ei­nem Fo­to der ver­lo­re­nen Sän­ge­rin in der Hand. Die Stras­sen Osakas und sei­ne Lie­be zur Stadt wa­ren ge­mäss Walch auch die In­spi­ra­ti­on für den Film.

Zu­wei­len wir­ken auch die Ver­fol­gungs­sze­nen et­was un­be­darft und gleich­zei­tig über­zeich­net, so­dass man sich fragt, ob es sich da­bei um ein be­wuss­tes Stil­mit­tel han­delt. Dann wäh­nen sich Zu­schau­en­de in ei­ner sur­rea­len Ko­mö­die, ob­wohl die Sze­nen da­für nicht lus­tig ge­nug sind und die Ge­schich­te zu kom­plex scheint.

Künstlerin Ando (Suzune Toyama) sucht nach ihrer Schwester und beauftragt den Privatdetektiven mit der Suche. Im echten Leben ist Suzune Toyama bekannt als Model und Künstlerin. (Filmstill: pd)

Choshun Kagei, ein bekannter Noh-Masken-Schnitzer, hat die Fuchsmaske extra für den Film von Roger Walch geschnitzt und trägt sie gleich selbst. Welche Rolle er im Film, also hinter der Maske spielt, erfahren wachsame Zuschauer:innen im Kino. (Filmstill: pd)

Schau­spie­le­risch fällt in man­chen Sze­nen der Prot­ago­nist et­was ab. Aki­hi­ko Sai hat be­reits in Ne­ben­rol­len in grös­se­ren Hol­ly­wood-Pro­duk­tio­nen (Last Sa­mu­rai, Re­si­dent Evil) mit­ge­spielt und hat­te auch ei­ne grös­se­re Rol­le in Walchs Spiel­film Anaïs. In die­ser ers­ten gros­sen Cha­rak­ter­rol­le aber glänzt er nicht so sehr wie in sei­nen frü­he­ren, we­ni­ger text­las­ti­gen Rol­len, wo er als Mar­ti­al-Arts-Spe­zia­list mit­wirk­te. Ne­ben Aki­hi­ko Sai ist Kan Mi­ka­mi, be­kannt aus Mer­ry Christ­mas, Mr. Law­rence oder Der Deut­sche, als Ma­sa­hi­kos Men­tor im Film zu se­hen. Auch er hat be­reits in an­de­ren Fil­men von Ro­ger Walch mit­ge­spielt und ist ein gu­ter Freund des Re­gis­seurs. 

Über­haupt hat der Ror­scha­cher Re­gis­seur für die­sen Strei­fen mit vie­len Be­kann­ten oder Freund:in­nen zu­sam­men­ge­ar­bei­tet. Be­reits in frü­he­ren Fil­men Walchs spiel­ten ei­ni­ge Lai­en-Schau­spie­ler:in­nen mit. In Way of the Si­ren sind ein be­freun­de­ter Ki­no­be­sit­zer (er be­treibt das letz­te 24-Stun­den-Ki­no in Osa­ka), Re­stau­rant­be­sit­zer:in­nen, ei­ne Künst­le­rin, ein Mo­del und Mu­si­ker:in­nen aus dem Dunst­kreis des Re­gis­seurs mit­ein­ge­bun­den. Die­se Ge­schich­ten ab­seits der Ge­schich­te ma­chen den Film um­so in­ter­es­san­ter.

Die Traum­wel­ten, der Fuchs und der Tod

Es braucht al­so ei­ne Wei­le, bis man sich an den Stil – das Licht, den Ton, das Schau­spiel – ge­wöhnt hat. Dann aber funk­tio­niert die­ser doch als Sog in ei­ne wir­re Ge­schich­te mit schö­nen Tie­fen. Ir­gend­wie passt dann doch al­les zu­sam­men. Und eben auch zur Ge­schich­te. Im­mer wie­der las­sen sich wun­der­ba­re, cle­ve­re und an­re­gen­de Mo­men­te ent­de­cken.

So be­ginnt der Film mit ei­ner fan­tas­ti­schen Sze­ne, in der sich der Prot­ago­nist, wäh­rend er schein­bar re­gungs­los in grün­blau­em Was­ser treibt, Ge­dan­ken zum The­ma Tod macht, um dann ab­rupt und flu­chend fest­zu­stel­len, dass er gar nicht tot ist: «Ver­dammt, ich kann nicht at­men.» Das Teil­ha­ben der Zu­schau­er:in­nen an den Ge­dan­ken­gän­gen ei­nes Cha­rak­ters ist im Film Noir üb­lich und ver­leiht die­sem Werk ei­ne zu­sätz­li­che, span­nen­de Ebe­ne. Auch der Sound­tep­pich spielt in Way of The Si­ren ei­ne wich­ti­ge Rol­le, be­tont oder ir­ri­tiert an den rich­ti­gen Stel­len. Wenn «Ma­sa» er­mit­telt, tut er dies zu ab­ge­brüh­tem Jazz. Die Mu­sik hat ein Quar­tett aus Osa­ka um die Pia­nis­tin Say­a­ka Mat­suo­ka bei­gesteu­ert – eben­falls im Film zu se­hen.

Be­son­ders schön sind die Traum­se­quen­zen des ge­quäl­ten Prot­ago­nis­ten. So träumt er ein­mal von ei­nem kom­plett in vio­lett ge­tauch­ten Raum. Dort singt ei­ne an­mu­ti­ge Fi­gur ein Lied, dass vom Träu­men han­delt, und spielt da­zu auf ei­ner Chi­ku­zen-Bi­wa, ei­ner bir­nen­för­mi­gen, tra­di­tio­nel­len, ja­pa­ni­schen Lau­te. Way of the Si­ren ver­spricht schon in den ers­ten Mi­nu­ten Kom­ple­xi­tät in der Ge­schich­te – wenn man ge­nau auf­passt. Und auch der Fuchs, der in al­len Fil­men Walchs vor­kommt, spielt in die­sem Werk, in ver­schie­de­nen For­men, ei­ne be­son­de­re Rol­le. Am En­de des Films ist man sich gar nicht mehr si­cher, wo un­ten und wo oben ist – oder wer wen in die Tie­fe zieht.

Way of the Si­ren, 16. Au­gust 2025, 16:15 Uhr, Ki­nok St.Gal­len mit an­schlies­sen­dem Ge­spräch mit Re­gis­seur Ro­ger Walch 
23. Au­gust 2025, 19:30 Uhr, Ge­wöl­be­kel­ler “Klang und Kleid” St.Gal­len

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