, 7. Februar 2018
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«Um Himmels Willen nicht immer die gleiche Musik»

Über 50 Konzerte und eine schwarze Null, Verliebte, Absperrgitter und Lärmbeschwerden: Das Tankstell-Kollektiv schaut zurück auf seine ersten fünf Jahre. Ab Donnerstag wird gefeiert.

20 Jahre St.Galler Nachtleben: Tankstell - Freiraum am Berg. (Bilder: Reto Wettach)

Ende der 90-er wurden die Kellerräume des Wohnhauses an der Teufenerstrasse 75 zur Bar umfunktioniert. Als vierte Delegation übernahm 2013 das jetzige Kollektiv die Tankstell und hielt in den Statuten der Genossenschaft fest: Der «gemütliche Treffpunkt im Quartier Riethüsli (…) dient nicht in erster Linie der Erwirtschaftung von Profit, sondern der Versorgung ihrer Mitglieder.»

Mittlerweile versorgt die Tanke sieben Kollektivmitglieder, zumindest im Nebenjob: Lisa Caluori, Tobias Diedrich, Maja Dörig, Josua Federer, Jasmine Oberhänsli, Rouven Stucki und Reto Wettach.

Zehn Fragen an drei Siebtel des Kollektivs.

Maja Dörig, du bist seit 2013 dabei. Was haben die fünf Jahre Tankstell mit dir gemacht?

Maja Dörig: Mich? Alt. Und jung gehalten (lacht). Wir haben viel Bestätigung erfahren und schnell gemerkt, dass die Stadt nicht viele Räume bietet wie unseren an der Teufenerstrasse: ein alternatives Lokal, das nicht nur Nische sein will. Wo man tanzen kann, ohne Eintritt zu zahlen und keine horrenden Preise für Getränke hinlegen muss.

Die meisten eurer Vorgänger haben das Lokal nach zwei, drei Jahren wieder abgegeben. Warum ist das bei Euch anders?

Maja: Bei uns ist der Betrieb auf mehrere Schultern verteilt. Wir sind sieben und noch lange nicht ausgebrannt.

Jasmine Oberhänsli, du bist im Herbst 2016 dazugekommen. An welchen Moment erinnerst du dich?

Jasmine: Wohl an meinen ersten Abend.

Maja: Du bist sehr spontan eingesprungen damals.

Jasmine: Genau. Ich war auf dem Heimweg, ihr habt mich reingewunken und gefragt, ob ich aushelfen kann.

Maja: Das war Rouvens Idee.

Jasmine: Und ich hatte keinerlei Bar-Erfahrung. Es ging jedoch überraschend gut. Das letzte Jahr an der Bar hat mich vor allem Offenheit gelehrt.

Maja: Wir suchten damals auch jemanden Neues für das Kollektiv, und es war klar, dass es eine junge Frau sein soll. Momentan reicht unser Team von 25 bis knapp 40.

Reto Wettach, du warst im Gründungsteam 2013, damals noch ohne Gastronomie-Erfahrung: An welchen Moment erinnerst du dich?

Reto: Vor allem an Begegnungen: Ein Paar, das sich im Laden verliebt. Alte Freunde, die sich nach Jahren zufällig wiedertreffen in der Tankstell. Oder Engstirnige, die Ihre Vorurteile abbauen können.

Der schlimmste Moment?

Reto: Wenn mich die fünf Jahre Barleben etwas gelehrt haben: Schlimme Momente vergisst man zum Glück viel zu schnell.

Maja: Für mich war der schwierigste Moment schon der im letzten Sommer, als Nachbarn interveniert haben, vor allem wegen Lärm. Die wollten am liebsten, dass wir schliessen. Auch die Gewerbepolizei stellte damals hohe Anforderungen an uns. Wir wussten zu Beginn nicht, ob wir überhaupt weitermachen können – oder wollen.

Das hatte auch mit der Situation des leerstehenden Schulhaus Tschudiwies in der Nähe zu tun. Es gab plötzlich mehr Andrang bei euch.

Man wollte uns für verschiedenes verantwortlich machen. Wir haben jedoch schnell das Gespräch gesucht, einen runden Tisch organisiert mit allen Parteien. Es hat sich herausgestellt, dass sich nicht die gesamte Nachbarschaft gestört fühlte, sondern jediglich die Anwohnerschaft eines Hauses.

Innert zwei Wochen habt ihr eine Lösung gefunden.

Maja: Und eine Woche später einen Türsteher.

Und das Tankstell-Publikum bekam ein US-Mindestalter: kein Zutritt unter 21. Neu trennt auch ein Absperrgitter die Bar von der Strasse. Wie haben sich diese Änderungen auf den Betrieb ausgewirkt?

Maja: Naja, es ist ein wenig ruhiger geworden, ein wenig entspannter.

Jasmine: Es gibt wieder mehr Raum zum Tanzen und mehr Zeit für Gespräche mit den Gästen.

Reto: Ich kann dazu noch keine klare Antwort geben. Wir befinden uns mittendrin in dieser Entwicklung. Diese Änderungen stellen eine Zäsur dar im Tankstell-Mikrokosmos. Sie sind eine grosse Herausforderung, wirtschaftlich wie menschlich. Und dies auch noch auf die Wintersaison… Es ist deutlich ruhiger geworden.

Maja: Manchmal vermisse ich die Jungen. Die sind auch weniger wählerisch, tanzen zu allem.

Ihr veranstaltet auch Konzerte für Acts, die teilweise keinen Slot finden im Palace, Kugl oder der Grabenhalle. Wie wichtig sind diese Gigs für Euch?

Maja: Für unser Verständnis der Location sind regelmässige Konzerte sehr wichtig. Auch für den Raum: Damit er lebt, damit das Publikum herausgefordert wird, mit Neuem, mit Ungewohnten. Wir wollen Abwechslung, um Himmels Willen nicht immer die gleiche Musik!

Zahlen sich diese Gigs aus?

Maja: Wirtschaftlich gesehen nicht. Die Konzerte sind meist mit Mehraufwand verbunden und werden querfinanziert.

Wenn ihr unbeschränkte Mittel hättet für die Tankstell: Was würdet ihr damit machen?

Jasmine: Ninze & Okaxy buchen: schöner, deeper Slow House aus Leipzig. Oder Aurora.

Maja: Ich sage immer: Diplo. Oder Die Nerven.

Jasmine: Und eine Gartenüberbauung.

Maja: Einen Wintergarten. Vielleicht mit dem Flair eines Palmenhauses.

Jasmine: Vielleicht ohne die Palmen. Mehr lokale Pflanzen.

Maja: (lacht)

Reto: Ich würde eigentlich nichts ändern an der Tankstell. Mit unbeschränkten Mitteln würde ich den Betrieb für die nächsten 20 Jahre sichern, damit auch die nächsten Generationen dieses Kleinod der Barlandschaft geniessen können.

Montag, nach dem Abräumen: Jasmine Oberhänsli und Maja Dörig vom Tankstell-Kollektiv. (Bild: cb)

Was plant ihr neben dem Fest an diesem Wochenende im Jubiläumsjahr?

Maja: Die Tanke wird neben unserem Fünfjährigen ja auch grosse 20. Dazu planen wir eine Reihe von Veranstaltungen. Vielleicht holen wir auch die ehemaligen Tankwärterinnen und Tankwarte zurück.

Reto: Ich dementiere mal nichts. Wir planen bekanntlich relativ spontan. Nur soviel: Der Sommer wird lang und schön.

Zum Schluss: Wenn die Tankstell ein Getränk wäre, welches wäre das?

Jasmine: Im Moment ein Fresh Paloma – frischgepresster Grapefruitsaft, Tequila, Salz, Limette, ein wenig Mineral. Viele Drinks improvisieren wir. Das passt zu uns: Wir arbeiten mit dem, was wir haben. Jedes Wochenende anders.

Maja: Vor fünf Jahren hätte ich wohl gesagt: Pimm’s. Das war unsere Visitenkarte – bunt, viel Verschiedenes, im grossen Glas serviert, Früchte, Minze, Gurke. Aber ich stimme Jasmin zu: Heute improvisieren wir mehr. Trotzdem haben wir grundsätzlich alles hier. Ausser Energydrinks – da verweigern wir uns.

Reto: Ganz profan: Bier. Manchmal ist für mich die Tanke aber auch die heisse Ovi, nach einem langen Tag in den Bergen. Süss, warm und voller Liebe.

Maja: Hach!

Spielen am Samstag am Jubiläum: das Lieblings-DJ-Paar deines Lieblings-DJs: Pa-Tee & P-Beat.

Das Jubiläumswochendende startet am Donnerstag, 8. Februar mit Tango von Café Deseado. Am Freitag legen TheDawn, Pac-Man und Ham-E Broken Beats auf, am Samstag (Fasnacht! Freinacht!) Pa-Tee & P-Beat, Manuel Moreno, Luca Barletta und Oliver von Mentlen Techno. Freitag und Samstag bekocht Daniel Cortez zudem frühe Gäste mit seiner Bleifrei Kitchen.
tankstell.ch

3 Kommentare zu «Um Himmels Willen nicht immer die gleiche Musik»

  • Urs Grädel sagt:

    Schön, dass es die Tankstell immer noch gibt! Habe viele gute Erinnerungen an diese Beiz!
    Viel Erfolg und den Gästen viel Spass am Jubiläumswochenende!
    Aber sagt mal, ist das der Käfer, den ich noch aus dem Keller in der Moosbruggstrasse kenne?

    • Tobi sagt:

      Das freut uns sehr, das du die Tankstell mit guten Erinnerungen verbindest. Ja, das ist tatsächlich der Käfer aus der damaligen Legobar an der Moosbruggstrasse. Wir durften ihn damals beim Abbruch des schönen Hauses glücklicherweise vor dem Schrottplatz retten.

  • Ernesto Müller sagt:

    Freut mich auch, dass es die Tankstell noch gibt… hab Helmut damals noch bei der Renovation geholfen… weiterhin viel Erfolg!

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