Und der Rest ist Drag

Diesen Donnerstag gastieren eine Dragqueen und eine Opernsängerin in der Grabenhalle. In ihrer Produktion Zucker, Brot und Peitsche vermischen sich Schauspiel, Musical, Oper und Drag-Performance. Es ist ein Stück über Identitäten und wie man sie findet.
Von  Andi Giger

Wer bin ich, wenn ich auf der Bühne stehe? Und überhaupt: Wer bin ich? Und bin ich genug? Diese Fragen untersuchen Paula Meyer und Amélie Putain im Musiktheaterstück Zucker, Brot und Peitsche. Paula Meyer ist Opernsängerin und kommt aus Amriswil, heute lebt sie in Belgien. Sie hat zusammen mit der Dragqueen Amélie Putain das Stück entwickelt.

Hinter Amélie Putain steckt Felix. Er kommt aus Uttwil und wohnt inzwischen in Winterthur. Seinen Nachnamen macht Felix aus Selbstschutz nicht öffentlich. Er hat seine Drag Persona vor ungefähr sieben Jahren entwickelt. Es ist ein zweites Ich, das er mit viel Schminke, aufwändigen Kostümen und Perücken aufsetzen kann. Teilweise sind die Sachen selbst gefertigt. Unter der Woche arbeitet er als Lehrer. Das Spiel zwischen den Identitäten ist für ihn Alltag: «Ich habe gelernt, dass es in Ordnung ist, verschiedene Rollen im Leben zu spielen. Sie beeinflussen sich und alle bringen eigene Vorteile mit sich.»

Die fabelhafte Schlampe

Der Name Amélie Putain ist an eine Anlehnung an Amélie Poulain aus dem Filmklassiker Die fabelhafte Welt der Amélie. «Ich liebe ihre Verträumtheit und ihre Mission, andere Leben zu verschönern», sagt Felix. Amélie Putain sei aber mehr: «Mal ein Space Girl, mal ein Spice Girl.» Ihr Ursprung war jedoch französische Eleganz und die Varietéästhetik.

Putain, auf deutsch Schlampe, sei vor allem ein lustiges Wortspiel, so Felix. In der Romandie komme der Name gut an. Einen direkten Bezug zur Sexarbeit gebe es nicht.

Paula Meyer und Amélie Putain. (Bild: pd)

Paula Meyer und Amélie Putain. (Bild: pd)

Im Film vergisst Amélie sich selbst, und das sei etwas, was Felix privat lernen könne: «Man darf sich selbst nicht aus dem Leben nehmen.» So sagt es im Film auch der Maler mit der Glasknochen-Krankheit: «Sie dürfen sich jetzt ins Leben stürzen.» Das hat Felix mit der Erfindung  seiner Amélie gemacht. Er ist als Amélie im ganzen deutschsprachigen Raum unterwegs.

Ein autobiografisches Musiktheater

Im Stück hat es Schauspielelemente, gewisse Momente ähneln teilweise schon fast einem Poetry Slam. Doch auch die Musik spielt eine wichtige Rolle. Die beiden singen Musicalnummern mit abgeändertem Text und natürlich bringt Paula Meyer auch Opernelemente auf die Bühne.

Zucker, Brot und Peitsche:
26. September, Grabenhalle St.Gallen.

grabenhalle.ch

Felix und Paula haben sich am Theaterworkshop der Kantonsschule Romanshorn kennengelernt. Auf der Bühne spielen sie sich selbst: Paula als Paula und Felix als Amélie. Sie fragen sich, welche Seiten sie auf der Bühne zeigen wollen und erzählen Geschichten von Castings, Zweifel und Rampenlicht. Es ist ein Thema, das bereits die Queen of Drag RuPaul mit ihrem berühmten Satz auf den Punkt gebracht hat: «You’re born naked and the rest is drag.»