, 19. Februar 2013
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VBSG Auslagerung verspricht heissen Vorsommer

Noch gut dreieinhalb Monate, bis in der Stadt St. Gallen am 9. Juni über die Auslagerung der Städtischen Verkehrsbetriebe VBSG und die Umwandlung in zwei Aktiengesellschaften abgestimmt wird. Auf Einladung der Stadtpartei der Grünen haben zwei wichtige Kontrahenten in dieser Frage bereits jetzt die Klingen gekreuzt: Stadtrat Fredy Brunner, Direktor der Technischen Betriebe, als Verfechter […]

Noch gut dreieinhalb Monate, bis in der Stadt St. Gallen am 9. Juni über die Auslagerung der Städtischen Verkehrsbetriebe VBSG und die Umwandlung in zwei Aktiengesellschaften abgestimmt wird. Auf Einladung der Stadtpartei der Grünen haben zwei wichtige Kontrahenten in dieser Frage bereits jetzt die Klingen gekreuzt: Stadtrat Fredy Brunner, Direktor der Technischen Betriebe, als Verfechter einer neuen Gesellschaftsform und Stadtparlamentarier Etrit Hasler (SP), als Gegner der Auslagerung der VBSG.

Es tut sich nichts

„Das ist die schwierigste Vorlage in meiner bisherigen Karriere als Stadtrat“, sagte Brunner und fügte bitter hinzu, dass er sich seit Jahren bemühe, im Tarifverbund etwas zu bewegen, um den ÖV in der Region vorwärts zu bringen. „Aber es tut sich nichts, das ist manchmal zum Verzweifeln.“ Die ÖV-Unternehmen im Tarifverbund repräsentierten ein „Sinnbild der Uneinigkeit“, weil sie vor allem Eigenstrategien verfolgten, lamentierte der Direktor der Technischen Betriebe weiter.

Auf gleicher Augenhöhe begegnen

Die Brunner`sche Vision um aus der Lethargie herauszufinden ist die Überführung der VBSG in eine Transport AG und in eine Logistik AG, die zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand bleiben würden. Dadurch hätte man die gleiche Betriebsform wie die anderen Unternehmen im Tarifverbund und könnte ihnen auf gleicher Augenhöhe begegnen, lautet Brunners Credo. Das Stadtparlament hat der Vorlage bereits mehrheitlich zugestimmt, das will aber nicht heissen, dass die Stimmbürger und die Stimmbürgerinnen dazu auch Ja sagen werden.

VBSG Fusion mit den Appenzeller Bahnen

Brunner sprach von fantastischen Kraftakten, welche die VBSG – mit neuer Gesellschaftsform ausgestattet – vollbringen könnte: beispielsweise eine Fusion mit den Appenzeller Bahnen, und das schon in den nächsten fünf Jahren. Der Direktor der Technischen Betriebe St. Gallen zweifelt nämlich daran, dass die AB in naher Zukunft ohne starken Partner über die Runden kommen.

VBSG funktioniert auch jetzt

Indigniert fragte Stadtparlamentarier Etrit Hasler: „Wofür eigentlich eine neue Gesellschaftsform.“ Die VBSG funktioniere doch bestens in der Form wie sie jetzt aufgestellt sei: Die problemlose Beschaffung neuer Busse und die schlanke Einführung digitalisierter Fahrpläne an den wichtigen Haltestellen, sei das beste Beispiel dafür. Ein Quantensprung im Vergleich zu den Zeiten, bevor Brunner das Zepter in die Hand gegeben worden sei, lobte Hasler zunächst seinen politischen Gegner.

Versprechungen, die nicht gehalten werden können

Mit der Annäherung an die Kardinalfrage jedoch änderte sich Haslers Tonart schnell. Die Umwandlung in zwei Aktiengesellschaften beinhalte nichts anderes als grosse Versprechungen, die nie und nimmer eingehalten werden könnten. Auch finde in der Form von Aktiengesellschaften nicht die propagierte Steigerung der unternehmerischen Effizienz statt, meinte Hasler. Das sei überhaupt kein Argument. Ein solcher Effekt liesse sich denn auch nicht beweisen. „Und wenn wir mit der AG scheitern, können wir es  nicht mehr rückgängig machen. Dann stehen wir einfach vor einem Scherbenhaufen.“

Trick für mehr Abgeltungen

Laut dem Stadtparlamentarier sind die zwei geplanten Aktiengesellschaften letztlich nur ein Trick, um mehr Abgeltungen von den Bestellern des ÖV zu erhalten. Das funktioniere aber nicht, meinte Hasler. „Die VBSG muss innovativer auftreten, wenn sie ihre Position im Tarifverbund stärken will“, umriss er seine Erfolgsvorstellung. „Dazu brauche es aber keine neue Unternehmensform, sondern den politischen Willen.“

ÖV rentiert nie

Zur Wirtschaftlichkeit meinte Hasler, dass der ÖV nie rentieren könne und deshalb auch immer öffentlich finanziert werden müsse. Eine Auslagerung würde letztlich das Unternehmen nur der Kontrolle durch Parlament und Volk entziehen. Das sei nicht gut und auch nicht wünschenswert.

Arbeitsbedingungen und Löhne gefährdet

Die Änderung der Gesellschaftsform bei der VBSG würde zudem die jetzige Position der Belegschaft schwächen, meinte Hasler weiter, weil neu ein auf fünf Jahre kündbarer Gesamtarbeitsvertrag in Kraft träte. Die Arbeitsbedingungen und Löhne seien dadurch nicht mehr in gleicher Form garantiert wie heute.

Zweiklassen-System bereits in der Erprobung

Apropos Löhne: Die VBSG erproben anscheinend bereits das Zweiklassen-System. Bei der Tochterunternehmung Seebus soll ein anderer Dienstort als St. Gallen zugewiesen werden, um Löhne zu kürzen und Kosten zu sparen. Dies geht aus einer eben eingereichten einfachen Anfrage von SP-Stadtparlamentarierin Monika Simmler hervor.

Stimmfreigabe

Die Stadtpartei der Grünen hat es sich an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung mit der Parolenfassung nicht leicht gemacht. Weder Brunner noch Hasler waren überzeugend. Nach langem Ringen ist letztlich auf Stimmfreigabe entschieden worden. Tendenziell habe eine Ablehnung der Vorlage zwar nahe gelegen, sagte Grünen Präsidentin Catherine Buchmann. Aber der Versammlung sei bewusst geworden, dass die Gesellschaftsform bei der VBSG nicht das Entscheidende sei, sondern der politische Wille, der den ÖV tragen müsse. Das wiederum sei aber nicht das Thema der Vorlage vom 9. Juni.

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2 Kommentare zu VBSG Auslagerung verspricht heissen Vorsommer

  • wayneswiss sagt:

    Die Argumente der technischen Direktion werden immer diffuser. Auch wenn eine Fusion mit den Appenzeller Bahnen an sich nicht abwegig ist, wird es nie dazu kommen, wenn bereits jetzt so argumentiert wird. Auch die Fusion der verschiedenen Appenzeller Bähnlis hat eine Weile gedauert und war schlussendlich ein Vernunftentscheid und basierte nicht auf grossen Reden von Politikern.

    Der Seebus ist übrigens noch kein Tochterunternehmen und erscheint auch in der Rechnung der VBSG nicht separat – Seebus ist einfach eine Marke so wie St. Gallerbus!

    Fraglich bleibt auch, wieso die Position einer VBSG AG im Tarifverbund Ostwind (übrigens eine Genossenschaft) besser sein soll als heute!

  • Tobias sagt:

    8 Jahre später und auf Grund der jüngsten Ereignisse (Stichwort vbl) sind vielleicht einige froh, dass das Stimmvolk dies abgelehnt hat.

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