, 2. Juni 2014
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Verfechter der kooperativen Planung

Der frühere St.Galler und danach Zürcher Stadtbaumeister Franz Eberhard ist im Alter von 69 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. Seit seinem Wechsel nach Zürich vermissen einige in St.Gallen die Baukultur. Ein Nachruf.

Der Architekt Franz Eberhard war 1975 als junger Stadtplaner nach St.Gallen gewählt worden. Ein paar Jahre später wurde er Stadtbaumeister. Schon früh hat er die «offene Planung» eingeführt: Reden mit allen Interessengruppen war sein Motto. Eberhard fasste Hochbauamt und Stadtplanung zusammen. Zusammen mit Fritz Schumacher – dem späteren Basler Stadtbaumeister – führte er das damals neue Instrument der städtebaulichen Studien ein. Dabei geht es um ganze Quartiere, um den Überblick. Die Studien wurden öffentlich präsentiert und meist kontrovers diskutiert.

Die Qualität des Ganzen im Blick

Für diese Studien wurde die Stadt St.Gallen 1992 mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet. Franz Eberhard begründete die Planungen damals so: «Jeder, der eine Parzelle bebaut, baut an der Stadt. Einzelbau und städtebaulicher Rahmen brauchen sich gegenseitig. Fehlt die Qualität des einen, ist das Ganze für alle weniger wert.»

Im Rückblick waren es diese Diskussionen, die man heute unter dem Stichwort Baukultur vermisst: Darf das Weiterbildungszentrum der Universität auf der Holzweid gebaut werden, auch wenn die Studie für Rotmonten etwas anderes vorschlägt? Was passiert rund um den Autobahnanschluss im Osten der Stadt? Wie macht man die Restfläche beim Hirschen St.Fiden wieder zu einem Platz? Was wird aus den Hinterhofgebäuden der Webersbleiche? Was aus den Lagerhäusern? All diese Fragen sind längst beantwortet – nicht alle jedoch im Sinn der in Studien vorgeschlagenen Lösungen.

eberhard1Konterpart zur Baulobby

Eberhard setzte sich aber auch für die Sanierung des Kunstmuseums ein und für den Erhalt der Grabenhalle ein. Und ihm verdanken wir einen Teil der zahlreichen Calatrava-Werke in der Stadt (die Buswartehallen St.Fiden, den Umbau der Musikschule, die grosse Wartehalle Marktplatz, die Notrufzentrale, den Keller unter dem inneren Klosterhof).

Hochbau- und Planungsamt unter einem Dach vereint: Das funktionierte als Konterpart zur Baulobby. Ihr wird denn auch nachgesagt, sie habe nach Eberhards Berufung nach Zürich die Trennung durchgesetzt. Nach dem jüngsten personellen Wechsel in der Stadtplanung wurde die Forderung nach der Wiedervereinigung der Ämter laut – der Stadtrat wollte allerdings nicht in die «Aera Eberhard» zurückzukehren.

Europaplatz_1Franz Eberhard packte in Zürich als Direktor des Amtes für Städtebau die Planung jener Gebiete an, die inzwischen zu Boomquartieren geworden sind: Zürich-West, Europaallee (Bild), Hürlimannareal, Leutschenbach. Auch hier war sein Ziel, Blockaden zu lösen.

Dies war ihm übrigens schon ganz am Anfang seiner St.Galler Laufbahn in Winkeln gelungen. Als dort die Unterführung neben dem Bahnhof gebaut wurde, sprach er mit allen lokalen Interessengruppen über die neue Gestaltung: «Ohne es je angesprochen zu haben, liegt hier eine kleine offene Planung vor», stellte er im Rückblick im Buch «St.Galler Quartiere» fest.

«Nicht einfach das Naheliegende»

Nach seiner Pensionierung 2009 eröffnete er sein eigenes Büro für Raumplanung, Städtebau und Architektur. «Qualifizierter Städtebau vermittelt zwischen Raumplanung und Architektur, schafft Identitäten und ist eine der Grundlagen zur Nachhaltigkeit», lautete sein Credo. Als «Architekt und Städtebauer», wie ihn die Familie in der Todesanzeige nennt, war er Dozent, Experte und Vermittler. Er war auch wieder vermehrt in der Ostschweiz anzutreffen, nicht nur in seiner Rolle als Grossvater. Seit 2009 war er unter anderem Mitglied der Stadtbildkommission in Kreuzlingen.

Letztes Jahr betreute er den Studienauftrag für das Herisauer Bahnhofareal, und er referierte vor der IG Dorfgestaltung in Teufen. Der «Tüüfner Post» sagte Franz Eberhard im vergangenen Herbst einen Satz, der jetzt wie sein Vermächtnis klingt: «Es geht darum, dass man später einmal, aus Sicht der nächsten Generation, nicht sagen kann, man habe einfach das Naheliegende gemacht.»

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