Wenn Träume wahr werden

In St.Gal­len hat sich et­was ver­än­dert. Plötz­lich ist es so deut­lich spür­bar ge­wor­den. Selbst in ein­fa­chen, schein­bar all­tägli­chen Din­gen.

So stand ich ein­mal am SBB-Schal­ter im Haupt­bahn­hof und sag­te bei­läufig zu ei­ner Frau, dass sie ei­nen sehr schönen Nach­na­men ha­be. Ich las ihn, als wir For­mu­la­re aus­füll­ten, und lächel­te. Und plötz­lich sag­te sie: «Ach, Hug ist so ein be­kann­ter Nach­na­me in der Schweiz, er ist vom Kan­ton Thur­gau bis nach Lu­zern ver­brei­tet ...» Und dann be­gann sie, mir sei­ne Ge­schich­te zu er­zählen. Mich fas­zi­niert die­se Tra­di­ti­on der

Schwei­zer Fa­mi­li­en­na­men über­haupt sehr. Und dann mein­te sie auf ein­mal: «Das ist bei mir so et­was wie ‹Mel­nyk› (ein sehr häufi­ger Na­me in der Ukrai­ne, Anm. d. Red.), wis­sen Sie?» – «Ja, si­cher», sag­te ich, ob­wohl das völlig un­er­war­tet kam. Man weiss nie, wo­her ei­ne in­ter­es­san­te Ge­schich­te kommt.

Wir plau­der­ten noch ein biss­chen über Tra­di­tio­nen und lächel­ten ein­an­der an, und ich ging mit lau­ter span­nen­den Er­kennt­nis­sen nach Hau­se. Und das al­les er­gab sich bei ei­nem Schal­ter­be­such der SBB. So ei­ne Klei­nig­keit, und doch sorg­te sie für gu­te Lau­ne für den gan­zen Rest des Ta­ges ...

Und noch ei­ne schöne Er­in­ne­rung aus dem Som­mer: Am Kul­tur­fest war zum ers­ten Mal der ukrai­ni­sche Stand ver­tre­ten. Es war ein Traum, der in Er­füllung ging. Stellt euch nur vor: ukrai­ni­sche Küche «Wa­ren­y­ky» (viel­fältig ge­füll­te Teig­ta­schen, Anm. d. Red.) mit­ten in St.Gal­len ... kaum zu glau­ben, dass wir das er­le­ben durf­ten. In Ba­sel fin­det man Wa­ren­y­ky ganz leicht, in Ro­mans­horn auch. Nun end­lich auch hier bei uns, oh­ne ex­tra aus Win­ter­thur be­stel­len zu müssen (ja, das gibt es wirk­lich).

Über die­se Wa­ren­y­ky ha­ben wir uns ge­freut wie ver­rückt. Das be­deu­tet doch, die ei­ge­ne Küche zu präsen­tie­ren – nicht nur Freund:in­nen oder Gästen, son­dern der gan­zen Stadt. Und was das für Vor­be­rei­tun­gen wa­ren, das könnt ihr euch kaum vor­stel­len! Die Mädels tra­fen sich mehr­mals bei ei­ner Freun­din im Riet­hüsli und so­gar in den Nach­bars­tädten. Al­le freu­ten sich über die Ge­le­gen­heit, zu­sam­men­zu­kom­men, und form­ten die Wa­ren­y­ky von Hand ... bunt, mit ver­schie­de­nen Füllun­gen ... Wie ihr ver­steht: ein köst­li­ches Es­sen.

Und nach­dem man ge­se­hen hat­te, wie den gan­zen Tag Men­schen zum ukrai­ni­schen Stand ka­men, das Es­sen und den ukrai­ni­schen Kräuter­tee kos­te­ten, ins Ge­spräch ka­men, Fra­gen stell­ten, wur­de es ei­nem ir­gend­wie warm ums Herz. Das war ein­fach wun­der­bar – ihr kennt be­stimmt die­sen Fes­ti­val-Vi­be, wenn al­le am Zelt la­chen. So vie­le Men­schen aus St.Gal­len frag­ten, wie man das Es­sen zu­be­rei­tet.

Wir ha­ben so­gar ein Bild mit Ma­ria Pap­pa ge­macht.

Am En­de kam der Fes­ti­val­di­rek­tor vor­bei und sag­te: «Na dann, bis nächs­tes Jahr!» Und zwin­ker­te. Das war das schöns­te Lob. Mit ihm ha­ben wir auch ein Fo­to ge­macht.

Das sind schein­bar ganz ge­wöhn­li­che Din­ge. Aber stellt euch mal vor, wie sehr man sich über so et­was freu­en kann.

Li­li­ia Matviiv, 1988, stammt aus Lviv in der Ukrai­ne. Die Jour­na­lis­tin, Es­say­is­tin und So­zi­al­ak­ti­vis­tin ist im Früh­ling 2022 in die Schweiz ge­kom­men und lebt der­zeit in St. Gal­len. Ol’ha Gn­eu­pel hat den Text über­setzt.