, 18. März 2020
2 Kommentare

Wie ich mir die Zeit totschlug

«Ich habe die Isolation schon einmal überlebt und ihr werdet sie auch überleben – auch wenn es manchmal schwer wird», schreibt die St.Galler Künstlerin Fabienne Egli. Hier ihr Gastbeitrag.

Bild: Fabienne Egli

Letzten November hatte ich eine grössere Operation und wusste damals, dass ich etwa zehn Tage im Spital das Bett gar nicht bis kaum verlassen darf. Wieder zuhause, musste ich für etwa zwei Monate meine Bewegungen auf ein Minimum beschränken.

Die härteste Zeit waren die ersten fünf Tage nach der Operation, ich durfte nicht einmal das Bett verlassen. Eine grössere Einschränkung habe ich noch nie erlebt – und will ich auch nie mehr erleben. Es war der Horror. Netflix und Bücher waren das Einzige, das mir blieb, für Games hatte ich anfangs einfach zu viele Schmerzmittel intus. Nach etwa fünf Tagen durfte ich dann wenigstens vom Bett zum Bad laufen, das war wunderbar.

Die härteste Zeit stand mir aber noch bevor, denn die Wundheilung verlangte, dass ich mich für etwa zwei Monate daheim quasi verbarrikadierte. Die einzige Bewegung bestand aus dem Einkauf im Grossverteiler um die Ecke. Die sozialen Kontakte im Ausgang waren für diese Zeit sowieso gestrichen, da ich mich auch zuhause an die Bettruhe halten musste.

Nun, die Bettruhe bin ich nun schon seit Längerem wieder los, trotzdem muss ich jetzt «dank» Corona wieder zuhause bleiben – immerhin darf ich mich in meiner Wohnung bewegen, wie ich will. Der Frühling lässt es auch zu, dass ich hin und wieder auf dem Balkon hocke. Was bleibt, ist der kleine Ausflug in die Migros. Und den reduziere ich gerade.

Nun fragen sich einige sicherlich: «Wie zur Hölle hast du das zwei Monate lang überlebt? So eine Einschränkung ist ja nicht ohne!» Ja, so eine Einschränkung ist nicht ohne. Hart, heftig, gnadenlos! Und ich behaupte von mir, dass ich ein Mensch ohne grosse Willenskraft bin. Trotzdem habe ich es überlebt. Und hey, innerhalb von kurzer Zeit bin ich jetzt sogar zum zweiten Mal dazu verdonnert, zuhause zu bleiben. Die meisten von euch erleben das zum ersten Mal.

Also, wie habe ich es überlebt: Mit Büchern, mit Filmen, mit Computerspielen, mit kreativen Tätigkeiten. Ich habe gezeichnet, ich habe gepuzzlet, ich habe geschrieben, ich habe gelesen und ich habe fast jede erdenkliche Serie auf Netflix geschaut. Zum Teil sogar zweimal. Und ich habe aus Verzweiflug geweint. Ja, es ist hart, es ist krass. Ich bin an meine Grenzen gestossen.

Jetzt muss ich den ähnlichen Scheiss nochmals erleben. Irgendwie fühle ich mich aber besser vorbereitet, denn ich weiss, was in nächster Zeit auf mich zukommt. Und ich bin nicht alleine damit. Diesmal sind wir Millionen! Alle zu Hause. Alle kämpfen mit denselben Problemen. Und als eine mit Praxiserfahrung zum Thema Isolation und eingeschränkten Kontakten kann ich euch allen ein wenig Mut machen. Wir können uns gegenseitig Mut machen. Uns unterstützen, wenn nötig.

Ich habe die Isolation überlebt und ihr werdet sie auch überleben. Auch wenn es manchmal schwer sein wird. Weint und flucht, wenn es euch hilft! Nutzt die Zeit für Sachen, die ihr schon immer machen wolltet. Lernt etwas Neues, macht Online-Sprachkurse, lest Bücher, baut alte Legomodelle zusammen, zeichnet und malt Bilder, spielt mit den Kindern, näht ein Kleid, kocht euch etwas Feines.

Stay strong, stay at home und bleibt gesund!

2 Kommentare zu Wie ich mir die Zeit totschlug

  • Irene Schüschner sagt:

    Deine „Isolation“ nach der Operation hatte aber doch wohl nicht das social distancing zur Folge, es sei denn, du hattest eine ansteckende Krankheit, was aus deiner Beschreibung nicht hervorgeht. Auch konntest du im Spital sicher Besuch empfangen oder auch zu Hause. Ein Freundin von mir liegt jetzt per Notfall im Spital (steht kurz vor einer Operation) und nicht einmal ihr eigener Ehemann darf sie besuchen. Aber sie wird es trotzdem überstehen. So wie wir alle – daran glauben wir fest.

  • Meike Lorenz sagt:

    Ach, ja. 10 Wochen… Als Risikopatientin lebe ich seit dem 28.02.2020 allein mit meinen Katzen. Chronisch krank und immunsupprimiert kann ich immer noch nicht wieder am Leben teilnehmen. Mir versiegen die Worte, weil ich fast nicht mehr spreche, manchmal tagelang nicht. Die Katzen sind lieb – sie sehen es mir nach. Feiert noch schön. Ich werde noch warten.

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