, 27. Oktober 2016
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Wie kommt die Kunst zum Bau?

Klar ausgewiesene Kredite, ein sauberes Auswahlverfahren und miteinander reden bringen es: Dies ist das Fazit eines Diskussionsabends des Architekturforums Ostschweiz zur Frage «Wie kommt die Kunst zum Bau?»

«Jetzt auch noch ein Kunstkredit für diesen eh schon viel zu teuren Bau?» Diese Frage taucht in Parlamenten ebenso häufig auf wie in Baukommissionen. Und wenn der Sparhammer fällt, muss immer zuerst die Kunst dran glauben. Das sei aber der schlechteste aller Wege, wurde von allen Seiten am Diskussionsabend des Architekturforums Ostschweiz dieser Tage betont.

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Farbenfroh im Werkhof

Das Zürcher Architekturbüro Allemann, Bauer, Eigenmann hat schon verschiedene Alterszentren, aber auch den neuen Werkhof des Stadtsanktgaller Gartenbauamtes realisiert. Patric Allemann schilderte vor Ort und anhand anderer realisierten Bauten, wie er die Angst vor der Kunst am Bau verloren habe. Früher habe er oft befürchtet, «dass jemand aus der Baukommission noch die malende Coiffeuse im Dorf kennt und sie dann den Auftrag für Kunst am Bau bekommt.» Wenn aber eine kunstaffine Person in der Bauherrschaft für ein Werk plädiere und dazu auch Expertenwissen aus der Kunstszene vorhanden sei, dann gelinge die Zusammenarbeit.

Denn Architekten wie Kunstschaffende seien gleichermassen Gestalter. Im konkreten Beispiel des Werkhofs für das Gartenbauamt in St.Gallen hätten anfänglich sowohl die Projektleitung im städtischen Hochbauamt als auch viele Mitarbeiter im Architekturbüro von Kunst in einem Werkhof nichts wissen wollen. Bis der Künstler Harald F. Müller alle umstimmen konnte. Das Resultat ist eine fast schon überbordende Farbigkeit der Räume, an der inzwischen alle ihre Freude haben.

Für Karin Frei Rappenecker als Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin ist der Werkhof ein gelungenes Beispiel, weil hier die farbigen Wände identitätsstiftend sind. Zwar könnte auch der Architekt Farbe ins Haus bringen, oft gebe er diese Verantwortung aber lieber ab. Und manchmal müsse die Kunst Aufgaben lösen, die der Architekt nicht schaffe, etwa einen langen Gang so zu gestalten, dass er nicht bedrückend wirkt.

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Wenn Kunst verschwindet

Gelingen kann die Symbiose, wenn klare Regeln gelten. Tanja Scratazzini, die die Fachstelle «Kunst am Bau» des Kantons Zürich leitet, kommt immer dann ins Spiel, wenn in einem Baukostenplan die Position 98 «Künstlerischer Schmuck» auftaucht. Bei Neubauten des Kantons Zürich sind dies zwischen einem halben und einem Prozent der Bausumme. Bei Kunstkrediten über 100’000 Franken werde jeweils ein Wettbewerb ausgeschrieben. Dann suche sie mit den Nutzern und den Architekten das Gespräch, um herauszufinden, welche Kunst passe. Da müsse sie mitunter sehr viel reden, schilderte sie das Beispiel eines Gebäudes für die Zürcher Justiz. Alle Staatsanwälte hatten sich zuerst strikte gegen Kunst ausgesprochen. Nach Besichtigungen und vielen Diskussionsrunden seien diese dann zu Kunstfreunden mutiert.

Für die Kunstschaffenden Katja Schenker und Josef Felix Müller ist reden nicht der einzige Erfolgsfaktor. Wer einmal ein Kunstprojekt an einem Bau realisieren konnte, werde weitergereicht, stellten sie übereinstimmend fest. Das schränke aber auch ein, so Josef Felix Müller, denn die Bauherrschaft erwarte jeweils etwas Ähnliches, wie sie es anderswo gesehen habe. Doch so, wie jede Bauaufgabe neu sei, müsse auch das Kunstwerk jedesmal adäquat und damit anders sein.

Das sei mitunter schwierig umzusetzen, denn an der Kunst entzündeten sich oft heftige Diskussionen, ja sie löse manchmal sogar Aggressionen aus. Müller nannte Beispiele: Nach Jahren musste plötzlich der Brunnen von Roman Signer auf dem Areal der Kaufmännischen Berufsschule St.Gallen abgestellt werden, weil sich ein paar Lehrer am Lärm störten. Oder es verschwinden Teile von H.R.Frickers Werk mit den in der Stadt gesetzten Steinen, die verschiedene «Orte» (Bild unten) benennen. Leider kümmere sich im Stadtsanktgaller Tiefbauamt niemand um den Erhalt und die Pflege der Kunstwerke im öffentlichen Raum – im Gegensatz zu Zürich.

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Kanton St.Gallen in der Kritik

Die Kunstschaffenden lobten den Kanton Zürich auch wegen seiner klaren Regelung bei der Ausschreibung von Kunst-am-Bau-Projekten. Sie kritisierten auch hier vor allem den Kanton St.Gallen. Beim Verwaltungsgebäude am Oberen Graben, beim Bundesverwaltungsgericht, bei der Fachhochschule und beim Projekt Klanghaus sei jedesmal Kunst am Bau entweder gestrichen worden oder es sei erst im letzten Moment ein zugekauftes Werk dazugekommen.

Von einem gemeinsamen Projekt mit den Architekten könne da nicht die Rede sein, so Josef Felix Müller. In seiner Funktion als Präsiden von Visarte, dem Berufsverband der visuell schaffenden Künstlerinnen und Künstler, sagte er, dass verschiedene Vergabeverfahren durchaus möglich seien. Diese müssten aber transparent sein. Um die Situation zu verbessern, rief der Visarte-Präsident die Architektinnen und Architekten dazu auf, ihrerseits Visarte beizutreten: «So ergeben sich mehr Kontakte und eine bessere Zusammenarbeit.»

Bilder Werkhof St.Gallen: Hannes Henz / Architekturbüro Bauer, Eigenmann, Zürich

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