, 20. Januar 2015
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Wie man einen Roboter bestraft

Kann man einen von Menschen entwickelten Roboter bestrafen? Und wenn ja: Wie? Der Fall um das beschlagnahmte Ecstasy der !Mediengruppe Bitnik wirft auch (rechts-)philosophische Fragen auf.

Dass die St.Galler Staatsanwaltschaft künstlerisch verwertetes Ecstasy in der Kunsthalle beschlagnahmt hat, sorgte für unterschiedliche Reaktionen: Der «Blick am Abend» liess sich etwas hämisch darüber aus, dass die Behörden erst ganz am Schluss der dreimonatigen Ausstellung Witterung aufgenommen hatte. Andere Medien schrieben von von einem Kunstskandal.

Ungewollt stösst die Staatsanwaltschaft mit ihrem späten Aktivismus eine Debatte an. «Die Fragen sind etwa: Ist ein Roboter bestrafbar? Und falls ja, wie?», sagt der auf Recht im digitalen Raum spezialisierte Zürcher Anwalt Martin Steiger.

Nebst interessanten Spielereien wie dem Random Darknet Shopper (der das mutmassliche Ecstasy für die Kunsthalle gekauft hatte) sind heute auch künstliche Intelligenzen aktiv, deren Handeln handfeste Auswirkungen hat: zum Beispiel Drohnen oder Programme, die international an der Börse handeln.

Mordender Supercomputer

Da sich ein autonomer Roboter oder ein Programm meist auf einen Menschen dahinter zurückführen lässt, drängen diese Fragen im Alltag noch nicht. «Mit der stetig fortschreitenden Digitalisierung ist es aber möglich, dass dereinst zumindest gewisse Roboter straffällig werden», sagt Steiger. Androide und Supercomputer etwa, die ein hohes Mass an Autonomie und künstlicher Intelligenz erreicht haben. Steiger verweist darauf, dass im heutigen Strafrecht in Ausnahmefällen auch Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können. «Das war einst auch kaum denkbar und es hat viel Zeit gebraucht, das einzuführen.»

Es geht hier auch um das Kernthema und die Ur-Angst vieler Science Fiction-Geschichten: Mensch gegen Maschine. Bekanntestes Beispiel ist wohl der Bordcomputer Hal aus Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey. Dieser entwickelt ein Eigenleben und tötet mehrere Menschen. Im letzten Moment gelingt es Astronaut Bowman im Film, der bösen, künstlichen Intelligenz den Stecker zu ziehen.

 

 

Denkbare rechtliche Sanktionen gegen künstliche Intelligenz sehen aus heutiger Sicht nicht gross anders aus: Stecker ziehen, Festplatte neu formatieren oder einstampfen.

Mehr Delikte im digitalen Raum

Eine starre Regelung der Strafffälligkeit von künstlicher Intelligenz durch das Gesetz mache aber keinen Sinn, sagt Steiger. «Das geschriebene Gesetz würde ständig der technischen Entwicklung nachhinken.» Es gelte, im Rahmen des bestehenden Strafrechts eine Praxis zu entwickeln.

Der St.Galler Fall rund um die !Mediengruppe Bitnik sei seines Wissens für die Schweiz ein Präzedenzfall. «Klar ist, dass sich Delikte immer mehr in den digitalen Raum verlagern – und das Recht entsprechende Antworten finden muss», sagt Steiger, der sich beruflich auch immer wieder mit dem Darknet beschäftigt: So vertritt er etwa Klienten, die sich im Darknet strafbar gemacht haben oder deren Persönlichkeitsrechte dort verletzt wurden.

Laut Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz und die Aufbewahrung von illegalen Substanzen wie Ecstasy strafbar – was man den Menschen hinter dem Random Darknet Shopper ankreiden könnte….

Kunst darf Recht verletzen

…wenn da nicht die Kunstfreiheit wäre, die von der Bundesverfassung geschützt wird. Auf diese beruft  sich die !Mediengrupe Bitnik in ihrer Erklärung zur Beschlagnahmung. Das Künstlerkollektiv stützt sich dabei auf eine Einschätzung des Ostschweizer Kunstrechtsexperten Bruno Glaus.

Glaus schreibt, dass das Interesse an künstlerischer freier Produktion ausnahmsweise Rechtsverletzungen rechtfertigt. Voraussetzung dafür sei ein nachvollziehbares Informations-, Kunst- oder Wirtschaftsinteresse. Der Eingriff soll so weit als möglich erkennbar oder als zeitlich begrenzter «Laborversuch» deklariert sein. Explizit erwähnt Glaus in seiner Einschätzung auch die «Ausstellung illegaler Gegenstände».

Es bleibt abzuwarten, ob die St.Galler Staatsanwaltschaft Kenntnis von solchen Betrachtungen hat – oder ob sie wieder einen Hinweis braucht.

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