, 2. Mai 2017
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«Wir tauschen uns aus und spinnen Ideen – Lachen erlaubt»

Matea sitzt neu im Organisationskomitee des Sozial­- und Umweltforums Ostschweiz (Sufo). Ein Gespräch über veraltete Strukturen, Kulturflucht nach Trogen und das Recht auf Privatsphäre.

Matea, fotografiert von Andri Bösch.

Saiten: Letztes Jahr sah es ziemlich schlecht aus für die Weiterführung des Sufo. Das OK kam an seine Grenzen, es gingen diverse «Hilfeschreie» raus. Warum hat es nun doch wieder geklappt?

Matea: Das Hauptproblem waren die fehlenden Leute in der Organisation, nicht die Finanzen. Aber die Hilfeschreie sind angekommen und verschiedene, nicht nur junge Leute sind als «rettende Samariter» für die Organisation eingesprungen. Ursprünglich waren wir zu neunt, heute sind wir noch fünf, darunter auch eine Person vom alten OK. Zur Erklärung: Das Sufo war 13 Jahre lang das «Kind» seines Mitbegründers, des Pfarrers Andreas Nufer. Er hatte stets die Fäden in der Hand. Seit seinem Rücktritt fehlt diese Federführung, und man hat es auch verpasst, ein System aufzubauen, das neue junge Leute anzieht, die einen solchen Anlass mitorganisieren wollen. Das ist aber, zugegeben, auch nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit dahinter steckt…

Von wie vielen Stunden reden wir?


Schwer zu sagen… Die Sitzungen sind nicht so aufwendig, aber die Arbeiten darum herum: Bewilligungen einholen, Anfragen starten, Dinge abklären und so weiter. Es ist die Summe, die es ausmacht. Ich für meinen Teil habe es mir einfacher vorgestellt. Aber nochmal: Es wäre einfacher, wenn das Sufo wieder eine Art Obhut hätte. Ob das nun eine Einzelperson oder eine Dachorganisation ist, spielt für mich keine Rolle. Jedenfalls braucht es neue Strukturen.

Konntet Ihr an diesen schon konkret etwas ändern?


Nicht wirklich. Unser vorrangiges Ziel war es, das Sufo dieses Jahr wieder stattfinden zu lassen – was wir geschafft haben. Das ist ein erfreulicher Anfang. Wir versuchen nun unter anderem, über verschiedene Schulen und Schülerzeitungen an neue potenzielle Organisatorinnen und Organisatoren heranzukommen, die allenfalls auch bereit wären, die Obhut zu übernehmen.

Bräuchte es dafür eine neue Attitüde?


Auf jeden Fall. Wenn ich mir die alten Texte auf der Website durchlese, geht es immer gegen «den Kapitalismus» und alles «Böse» auf dieser Welt. Das ist mir zu theoretisch und klingt zu sehr nach «wir sind hässig, wir sind links», statt nach «wir tauschen uns aus und spinnen Ideen – Lachen erlaubt». Natürlich sind wir politisch, und links sind wir auch, aber wir wollen nicht extrem und immer nur gegen etwas sein, sondern für etwas, für den Fortschritt. Nur hat es dieser leider etwas schwer in St.Gallen…

Wie meinst Du das?


Nehmen wir die Kultur: Vieles hier ist so unglaublich bürgerlich. Das Angebot ist nicht auf Junge ausgelegt, sondern völlig «verbünzlet» – und für gewisse Leute auch gar nicht mehr zahlbar. Mir fehlt die Subkultur, das Kleine, das Herzblut. Vieles läuft heute nur über den Kopf. Ich hätte die Dinge gerne «herzlastiger» und emotionaler – auch beim Sufo. Es soll primär ein gemeinsames Experimentier-­ und Gedankenfeld sein. Ich glaube, das Sufo ist so ein letzter Krümel linker Kultur, der noch nicht nach Trogen geflüchtet ist.

Wie bitte?


Ja! St.Gallen verarmt. Kulturell und politisch ist mir die Stadt zu bürgerlich, zu unattraktiv, zu kalt und verschlossen. Wenn man hier mal farbige Schlabberhosen trägt, ist man in den Augen gewisser Leute schon ein kiffender Hippie. Andere, grössere Städte sind da weniger voreingenommen. In St.Gallen muss man für jegliche alternativen Räume kämpfen, für das Werkhaus 45 zum Beispiel. Wieso kann denn die Stadt nicht einfach sagen: «Hier, diese Immobilien stehen gerade frei – bitte, bereichert uns, macht was draus!» In Winterthur zum Beispiel sind solche Projekte viel einfacher umzusetzen. In St.Gallen nehmen wir uns die Möglichkeit der Vielfalt, da wir ein unattraktives Umfeld bieten. Dadurch verarmt die Stadt kulturell.

Sufo 2017: 5. bis 7. Mai, Literaturraum Hauptpost St.Gallen (Podium am Freitag), GBS Schulhaus Kirchgasse St.Gallen (Beiz und Workshops am Samstag) und Centrum St.Mangen St.Gallen (Brunch und Workshops am Sonntag). Infos: sufo.ch

Zurück zum Sufo: Welches sind Deine Highlights dieses Jahr?

Ganz klar der Wasser­-Workshop. Da geht es um die Versalzung von Böden, um die Nutzung von Süsswasser und die Regeneration vertrockneter Böden. Kurz gesagt um Permakultur. Ich habe diesen Workshop vor zwei Jahren schon einmal besucht, und es hat mir damals ziemlich den Ärmel reingezogen. Kulturell kann ich fünf Jungs aus dem Appenzell sehr empfehlen – sie zäuerlen.

Klingt nicht gerade sehr fortschrittlich…


Es geht beim Sufo um die Kultur und da gehört auch Zäuerlen dazu. Ich freue mich sehr darauf. Und auf den Brunch am Sonntag, der zum ersten Mal stattfindet dieses Jahr. Bis jetzt war das Sufo ja immer zweitägig, aber wir haben einfach gemerkt, dass die Zeit für den gemeinsamen Austausch viel zu knapp ist, wenn man dauernd von einem Workshop zum anderen rennen muss. Und darum geht es ja auch beim Sufo… Dafür haben wir dieses Jahr den Umzug gestrichen.

Aber das Podium am Freitagabend gibt es noch, oder?


Ja. Es stand zwar kurz auf der Kippe, aber wir wollten dann doch nicht darauf verzichten. Das Thema ist «Kapitalismus von Gestern! Lösungen für Morgen?», organisiert wird es von den Jungen Grünen St.Gallen.

Erklärst Du noch, warum Du nur Deinen Vornamen nennst und auf dem Foto nicht erkannt werden willst?

Zum Schutz meiner Privatsphäre. Ich mache ausser dem Sufo noch viele andere Dinge. St.Gallen ist klein, und ich fände es mühsam, wenn meine Person nur mit dem Sufo in Verbindung gebracht würde. Und ich will auch nicht, dass man bei Google meinen Namen eingeben kann und jegliche Einzelheiten über mich oder meine Familie erfährt. Dafür sind mir meine Daten und mein Gesicht zu wichtig. Es geht auch ein Stück weit um «Altersvorsorge»: Ich bin jetzt 22 Jahre alt, und das Internet wird vermutlich länger leben als ich … Abgesehen davon geht es ja hierbei nicht um mich, sondern um das Projekt Sufo.

Matea, 22, arbeitet an einer Heilpädagogischen Schule und macht auch Kunst und Theater. Sie ist seit diesem Jahr Teil des Sufo-OK.
matea-w-elten.ch

Dieser Beitrag erschien im Maiheft von Saiten.

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