«Wir wollen, dass die Leute Spass haben» 

Zum 50. Jubiläum zeigen die Musikfestwochen Haltung, statt Feuerwerke zu zünden. Was diese ausmacht und warum das Wetter und das Perlentauchen essenziell sind, verraten Co-Geschäftsleiterin Lotta Widmer und Booker Matthias Schlemmermeyer im Gespräch mit Saiten.

Lotta Widmer und Matthias Schlemmermeyer freuen sich auf die 50. Ausgabe der Musikfestwochen Winterthur. (Bild: pd)

Sai­ten: Die Mu­sik­fest­wo­chen wur­den 1976 in der Win­ter­thu­rer Af­ri­ca­na-Bar als Ge­gen­mo­dell zu den als eli­tär emp­fun­de­nen Lu­zer­ner Mu­sik­fest­wo­chen ge­grün­det. Nun fei­ert ihr das 50-jäh­ri­ge Be­stehen des Fes­ti­vals. Wel­che Be­deu­tung hat es heu­te für Win­ter­thur?

Mat­thi­as Schlem­mer­mey­er: Ei­ne enorm gros­se. Es ist kul­tu­rel­ler Kitt. Men­schen mit un­ter­schied­li­chen Le­bens­ent­wür­fen, Ein­kom­mens­ver­hält­nis­sen, kul­tu­rel­len Hin­ter­grün­den und mu­si­ka­li­schen Vor­lie­ben kom­men hier zu­sam­men. Das Fes­ti­val hat auf die Ge­sell­schaft ei­ne prä­gen­de Wir­kung. Es sind rund 1100 Hel­fen­de, da­von et­wa 800 aus Win­ter­thur. Das sind al­les Mul­ti­pli­ka­tor:in­nen.

Lot­ta Wid­mer: Und es hilft si­cher auch, dass wir schon 50 wer­den. Mitt­ler­wei­le gibt es in die­ser Stadt so vie­le Men­schen, die ir­gend­wann in ih­rer Le­bens­ge­schich­te Kon­takt hat­ten mit den Mu­sik­fest­wo­chen – das sieht man gut an den vie­len Hel­fer:in­nen-Shirts, die in Win­ti un­ter­wegs sind. Da sind lau­ter per­sön­li­che Ge­schich­ten da­bei, die die­se Stadt tra­gen. Un­ser Image und der Rück­halt in der Stadt sind un­glaub­lich gut, weil so vie­le Men­schen und Fir­men ei­ne Ver­bin­dung zum Fes­ti­val ha­ben und es mit­tra­gen. 

MS: Win­ter­thur könn­te sich ver­mut­lich we­ni­ger en­thu­si­as­tisch Kul­tur­stadt nen­nen, wenn es die Mu­sik­fest­wo­chen nicht mehr gä­be. 

Und um­ge­kehrt, wel­che Rol­le spie­len die Stadt und die Part­ner­schaft mit lo­ka­len In­sti­tu­tio­nen für das Fes­ti­val?

LW: Ei­ner­seits sind wir di­rekt von der Stadt ab­hän­gig, weil wir oh­ne Be­wil­li­gung na­tür­lich gar nichts ver­an­stal­ten kön­nen. Gleich­zei­tig ge­ben wir ihr viel zu­rück: Wir be­le­ben die Alt­stadt, schaf­fen Be­geg­nung und stär­ken das kul­tu­rel­le Pro­fil. Ge­ra­de des­we­gen fin­det der Dia­log auf Au­gen­hö­he statt. Stadt und Kan­ton för­dern uns – zu 90 Pro­zent sind wir je­doch ei­gen­fi­nan­ziert. Aus­ser­dem ma­chen über 100 lo­ka­le Part­ner:in­nen – vom Salz­haus bis zum Coucou, vom Ge­wer­be­mu­se­um bis zur re­for­mier­ten Kir­che – das Fes­ti­val mit uns mög­lich. Wir sind tief in der Stadt ver­an­kert.

MS: Wir sind aber auch mit­ten in der Alt­stadt zu Gast. Das ist ein gros­ses Pri­vi­leg, aber auch ei­ne Her­aus­for­de­rung. Des­halb ist uns der Dia­log mit der Be­völ­ke­rung, dem Ge­wer­be und der Stadt be­son­ders wich­tig. Vor un­ge­fähr fünf Jah­ren ha­ben wir be­gon­nen, die­sen Aus­tausch noch ge­ziel­ter zu pfle­gen. Seit­her ist die Zu­sam­men­ar­beit mit al­len Be­tei­lig­ten deut­lich ge­wach­sen. Ich glau­be, es wird sehr ge­schätzt, dass wir früh­zei­tig in­for­mie­ren, auf­merk­sam zu­hö­ren und ge­mein­sam nach Lö­sun­gen su­chen. Das schafft Ver­trau­en und trägt zu ei­ner po­si­ti­ven Fes­ti­val­stim­mung bei.

Be­tei­li­gung ist ein gu­tes Stich­wort, denn da­von lebt ihr ja auch: Wie fin­det ihr Frei­wil­li­ge und wie ge­lingt die Ko­or­di­na­ti­on von über 1100 Hel­fen­den? 

MS: Vor ei­ni­ger Zeit ha­ben wir fest­ge­stellt, dass wir in die Hel­fer:in­nen­be­treu­ung in­ves­tie­ren müs­sen. Nicht nur Geld, son­dern vor al­lem auch Ideen, Zeit und Herz­blut. Die Hel­fen­den müs­sen ei­ne wirk­lich gu­te Zeit ha­ben, sonst kom­men sie nicht wie­der. Wir ha­ben al­so bei­spiels­wei­se die Ver­pfle­gung aus­ge­baut – rund 300 Mahl­zei­ten wer­den im Hel­fer:in­nen­be­reich pro Abend von an­de­ren Hel­fer:in­nen ge­kocht. Das ist ei­ner von vie­len Bau­stei­nen, durch die sie sich hier zu­hau­se füh­len. Da­durch hat sich ih­re Bin­dung zum Fes­ti­val deut­lich er­höht.

LW: Wir konn­ten den ge­sam­ten Hel­fen­den-Be­reich über die letz­ten Jah­re pro­fes­sio­na­li­sie­ren. Wir ha­ben ei­ge­ne Res­sorts ge­schaf­fen, wie den «Hel­fer:in­nen-Desk» als An­lauf­stel­le oder den «Hel­fer:in­nen-Plausch», wo Ak­ti­vi­tä­ten or­ga­ni­siert wer­den, da­mit sich die Hel­fen­den res­sort­über­grei­fend ken­nen­ler­nen kön­nen und die Ge­mein­schaft ge­stärkt wird. Es soll ein­fach ein gu­tes Er­leb­nis sein, bei uns zu hel­fen. Um­fra­gen un­ter den Hel­fen­den zei­gen klar, dass die Mehr­heit mit­hilft, weil sie die MFW toll fin­den, nicht we­gen Goo­dies wie Ge­trän­ke­je­tons oder Kon­zert­ti­ckets. 

Man hört über­all von den Schwie­rig­kei­ten der Fes­ti­vals, die Fi­nan­zie­rung zu si­chern, Ti­ckets zu ver­kau­fen und die Ga­gen zu zah­len. Wie sieht das bei euch aus?

MS: Wir ste­hen auf si­che­ren Bei­nen und ha­ben gu­te Jah­re hin­ter uns. Aber wir sind stark ab­hän­gig vom Wet­ter. Wenn es neun Ta­ge reg­net wäh­rend des kos­ten­lo­sen Pro­gramms, schrei­ben wir si­cher ein Mi­nus. 

LW: Un­se­re gröss­te Ein­nah­me­quel­le ist die Gas­tro­no­mie. Schlech­tes Wet­ter hat ei­nen di­rek­ten Ein­fluss auf den Um­satz. An zwei­ter und drit­ter Stel­le sind dann schon die Ti­ckets und Part­ner­schaf­ten. Was al­ler­dings oft ver­ges­sen geht: Un­ser gröss­tes Ka­pi­tal sind die rund 1100 frei­wil­li­gen Hel­fer:in­nen. Sie leis­ten je­des Jahr über 28’000 Stun­den – das ent­spricht, das ent­spricht, wenn man es mit 30 Fran­ken pro Stun­de hoch­rech­net, ei­nem Wert von rund 840'000 Fran­ken. Oh­ne die­ses En­ga­ge­ment wä­re ein Fes­ti­val in die­ser Form gar nicht mög­lich.

MS: Dass die Ga­gen stei­gen, mer­ken wir na­tür­lich auch, auch des­halb set­zen wir auf das «Per­len­tau­chen» als Stra­te­gie, auf New­co­mer:in­nen, die in zwei Jah­ren dann deut­lich grös­ser sind. Beim Ge­ran­gel um die gröss­ten Acts kön­nen und müs­sen wir auch nicht mit­ma­chen. Für uns ist nicht der Na­me oder der Markt­wert ent­schei­dend, son­dern dass der Act, der auf der Büh­ne steht, live über­zeugt und ei­ne be­stimm­te Qua­li­tät hat.

Seit 1987 findet das Festival in der Winterthurer Altstadt statt. (Bild: pd/Robyne Dubief)

2024 besuchten rund 60'000 Personen die Musikfestwochen. (Bild: pd/Andrin Fretz)

Wie funk­tio­niert das Per­len­tau­chen? Oder an­ders ge­fragt: Wie er­kennt und bucht ihr New­co­mer-Acts in­ter­na­tio­nal? 

MS: Vie­le Kon­zer­te be­su­chen, viel Mu­sik hö­ren und vor al­lem Of­fen­heit. Ein gu­tes Bei­spiel ist der iri­sche Sin­ger-Song­wri­ter Aa­ron Ro­we, der die­ses Jahr bei uns spielt. Als ich ihn ge­bucht ha­be, hat­te er noch kei­nen ein­zi­gen of­fi­zi­el­len Song ver­öf­fent­licht – nur ein De­mo. Das war so stark, dass ich wuss­te: Den müs­sen wir ho­len. Klar, so­was ist im­mer auch ein Ri­si­ko. Ich bin mir aber si­cher, dass es su­per funk­tio­nie­ren wird. Mitt­ler­wei­le ist er mit Ed Sheeran und Le­wis Ca­pal­di auf Tour – das scheint sich al­so gut zu ent­wi­ckeln.

Das war aber nicht im­mer so: Bei euch stan­den in 50 Jah­ren ja schon Ra­dio­head oder AC/DC auf der Büh­ne …

MS: Ra­dio­head wa­ren da­mals noch nicht der Act, der sie heu­te sind. Beim Per­len­tau­chen geht es zwar auch dar­um, dass wir uns beim kos­ten­lo­sen Pro­gramm nicht über­neh­men, aber eben auch dar­um, ein Image des Ver­trau­ens auf­zu­bau­en. Es soll heis­sen: Kommt vor­bei, hier ent­deckt ihr Mu­sik, die euch über­rascht und be­geis­tert – egal, ob ihr den Na­men schon kennt oder nicht.

LW: Da­mit po­si­tio­nie­ren wir uns in der Fes­ti­val­bran­che. Die Mi­schung aus sorg­fäl­tig ku­ra­tier­tem kos­ten­lo­sem Pro­gramm und grös­se­ren Na­men bei den kos­ten­pflich­ti­gen Kon­zer­ten, zeich­net uns aus – bis weit über Win­ter­thur hin­aus. 

MS: Die grös­se­ren Acts brin­gen Geld ein, zwar we­ni­ger, seit die Ga­gen ge­stie­gen sind und wir uns in ei­ner welt­wei­ten Kon­kur­renz­si­tua­ti­on be­fin­den. So spie­len Au­ro­ra und Id­les bei­de welt­weit, brin­gen nicht nur Pu­bli­kum, son­dern auch Sicht­bar­keit und Glaub­wür­dig­keit. Und das wirkt sich wie­der­um auf die Bands im kos­ten­lo­sen Pro­gramm aus. So steht je­mand, der auf der Start­ram­pe spielt, auf dem­sel­ben Pla­kat wie Au­ro­ra.

Apro­pos Start­ram­pe: Da­mit prägt und för­dert das Fes­ti­val ja seit 2016 Nach­wuchs­künst­ler:in­nen in der Re­gi­on.

MS: Ge­nau, wir ha­ben neun Slots für Bands aus der Ost­schweiz zu ver­ge­ben und hat­ten die­ses Jahr un­ge­fähr 99 Be­wer­bun­gen. Ich hö­re mir dann al­le an, bei man­chen weiss ich nach drei Se­kun­den, ob das was wird, bei an­de­ren dau­ert es et­was län­ger. Ich ach­te auch dar­auf, dass der Act zu den rest­li­chen Bands des Abends passt und ei­ne ge­wis­se Di­ver­si­tät er­füllt ist. Ins­ge­samt herrscht ein Über­an­ge­bot an Acts, für die Start­ram­pe so­wie für die Haupt­büh­ne. Das Sor­tie­ren ist die gröss­te Her­aus­for­de­rung. Man läuft Ge­fahr, auf die Fal­schen zu setz­ten.

LW: Ne­ben der Start­ram­pe spie­len auf un­se­rer kleins­ten Büh­ne, der «Stras­sen­mu­sik», auch noch Bands, die von ei­nem ei­ge­nen OK-Res­sort ge­bucht wer­den. Und wir ha­ben den Band-it-Fi­nal oder die Win­ti-Night, wo nur lo­ka­le Bands spie­len. Aus all den For­ma­ten er­ge­ben sich schö­ne Ge­schich­ten, wie sich ei­ne Band ent­wi­ckelt und uns er­hal­ten bleibt. Her­ma­nos Gut­ier­rez ha­ben bei­spiels­wei­se mal auf der Start­ram­pe ge­spielt und wur­den spä­ter für die Haupt­büh­ne ge­bucht. Oder Fa­ber, der vor vie­len Jah­ren den Band-it-Fi­nal ge­wann und spä­ter mehr­mals im Haupt­pro­gramm ge­spielt hat.

Auch neben den Bühnen treten Künstler:innen auf. (Bild: pd/Robyne Dubief)

Auf der Startrampe spielen Nachwuchskünstler:innen aus der Region. (Bild: pd/Ben Flumm)

Wel­chen Ein­fluss hat die Nach­wuchs­för­de­rung auf das Pu­bli­kum?

MS: Es sen­si­bi­li­siert. Man gibt Acts, die man noch nicht kennt, ei­ne Chan­ce. Spä­ter macht es die Leu­te stolz, wenn sie sa­gen kön­nen: «Hey, die­se Band ha­be ich schon an den MFW ge­se­hen, da wa­ren die noch un­be­kannt.». Das ist ja auch wie­der ei­ne Iden­ti­fi­zie­rung mit uns. Auch in­ner­halb der Bran­che ha­ben wir mitt­ler­wei­le ein be­stimm­tes Stan­ding, weil vie­le Mu­si­ker:in­nen gu­te Er­fah­run­gen ge­macht ha­ben.

LW: Die­ses Ver­trau­en wol­len wir auch nach aus­sen ver­mit­teln. So ma­chen wir auf un­se­rer Web­site bei­spiels­wei­se kei­nen Un­ter­schied: Die Acts der Start­ram­pe wer­den ge­nau­so pro­mi­nent dar­ge­stellt wie je­ne auf der Haupt­büh­ne. Ei­ni­gen Zu­schau­er:in­nen ist es dann tat­säch­lich nicht be­wusst, dass da ein:e New­co­mer:in oder ei­ne Nach­wuchs­band auf der Büh­ne steht. Das ist ein in­te­gra­ler Be­stand­teil un­se­res Fes­ti­val­kon­zepts.

Gab es in der Fes­ti­val­ge­schich­te ei­nen be­son­ders schwie­ri­gen Mo­ment, an dem das Fes­ti­val auf der Kip­pe stand? 

MS: Ei­ne ech­te Her­aus­for­de­rung – nicht nur bei uns, son­dern ge­ne­rell in der Kul­tur – ist die Fluk­tua­ti­on in klei­nen Teams. Wenn bei uns im sie­ben­köp­fi­gen Kern­team zwei Leu­te gleich­zei­tig ge­hen, bringt das das Fes­ti­val min­des­tens ge­nau­so ins Wan­ken wie ei­ne kurz­fris­ti­ge Head­li­ner-Ab­sa­ge, wie letz­tes Jahr bei The Smi­le. Es ist nicht leicht, Leu­te zu fin­den, die ins Team pas­sen, die zu den ge­ge­be­nen Be­din­gun­gen ar­bei­ten wol­len und das dann auch noch gut ma­chen.

LW: Es gab Pha­sen, in de­nen sich das Fes­ti­val fi­nan­zi­ell et­was über­nom­men hat – un­ter an­de­rem durch sehr gros­se Bu­chun­gen, die nicht auf­ge­gan­gen sind, wie bei­spiels­wei­se AC/DC. Al­ler­dings hat das wie­der­um zu ei­ner Be­we­gung im Ver­ein ge­führt, dass man auf klei­ne­re For­ma­te ge­setzt hat, auf ein Rah­men­pro­gramm. So ent­stand bei­spiels­wei­se auch das «Rou­lot­te», mit dem wir mit­tels Le­sun­gen, Zir­kus oder Thea­ter ein brei­te­res Pu­bli­kum ab­ho­len kön­nen.

Was hat sich in den letz­ten 50 Jah­ren ver­än­dert, was ist ge­blie­ben?

LW: Die Zu­sam­men­ar­beit mit der Stadt, die heu­te so gut funk­tio­niert – et­wa bei Sub­ven­tio­nen oder Be­wil­li­gun­gen –, war nicht im­mer selbst­ver­ständ­lich. Das muss­ten wir uns mit der Zeit er­ar­bei­ten. Heu­te kön­nen wir auf die­ser Ver­trau­ens­ba­sis auf­bau­en. Und auch die bei­den Haupt­aspek­te sind ge­blie­ben: Mu­sik und Men­schen. Die Mu­sik als zen­tra­les Ele­ment, das die Men­schen zu­sam­men­bringt, und die Men­schen, oh­ne de­ren Herz­blut es die MFW und die Mu­sik nicht gä­be. Und das ist un­glaub­lich bein­dru­ckend – je­des Jahr.

MS: Bei­be­hal­ten ha­ben wir auch den Stand­ort in der Alt­stadt. Nur sel­ten muss­ten wir aus­wei­chen – 2021 zum Bei­spiel, pan­de­mie­be­dingt. Aber es war auch da schön zu se­hen, wie die Leu­te zu uns hiel­ten und trotz­dem ka­men. Wir ha­ben da­mals in drei Parks aus­ser­halb der Alt­stadt ver­an­stal­tet. Auch das zeigt: Der Fo­kus auf die Mu­sik und das Mit­ein­an­der der Men­schen, die das Gan­ze auf eh­ren­amt­li­cher Ba­sis mög­lich ma­chen, sind Pfei­ler, die im­mer er­hal­ten blei­ben.

Wie se­hen die MFW in Zu­kunft aus?

LW: Das ist ge­nau die Fra­ge, die wir uns in un­se­rem Ju­bi­lä­ums­jahr stel­len. Aus die­sem Jahr möch­ten wir Er­kennt­nis­se ge­win­nen, die lang­fris­ti­ge Wir­kun­gen für den Ver­ein ha­ben. Des­halb ver­an­stal­ten wir ein Zu­kunfts­la­bor mit dem Think-and-Do-Tank De­zen­trum. Wir wol­len über­le­gen, wie ein Fes­ti­val in Zu­kunft aus­se­hen kann, wie sich viel­leicht das Hör­ver­hal­ten ver­än­dert, was die An­sprü­che und Be­dürf­nis­se der kom­men­den Ge­ne­ra­ti­on sind. So kön­nen wir un­se­re Wei­chen heu­te schon stel­len, um auch in 50 Jah­ren noch re­le­vant und zu­kunfts­fä­hig zu sein.

MS: Es geht nicht dar­um, ein kon­kre­tes Bild zu zeich­nen, son­dern viel­mehr dar­um, ver­schie­de­ne Ein­fluss­fak­to­ren und de­ren Ent­wick­lung wie Kli­ma, Po­li­tik oder Ge­sell­schaft im Au­ge zu be­hal­ten und zu schau­en, wie man da­mit ar­bei­ten oder dem ent­ge­gen­wir­ken kann. Es geht um Mind­set und Sen­si­bi­li­tät, nicht dar­um, die Hoff­nung u ha­ben, es gä­be ei­ne fix­fer­ti­ge Lö­sung.

Kommt da­her auch das Mot­to «Hal­tung statt Hüpf­burg»?

LW: Ja. Hüpf­burg wä­re ja ein­fach: Wir stel­len su­per­gros­se Acts an, ver­grös­sern un­ser Ge­län­de ums drei­fa­che, stel­len dann ei­ne Kon­fet­ti­ka­no­ne auf und zün­den am En­de Feu­er­wer­ke. Das wä­re die Er­war­tung bei ei­nem Ju­bi­lä­um. Aber der Fo­kus auf die Hal­tung führt uns zu­rück zu un­se­ren Wer­ten, zur Es­senz un­se­rer Ar­beit. Wir möch­ten über­le­gen, wie wir die­se bei­be­hal­ten kön­nen.

MS: Ei­ne rie­si­ge Show im Sta­di­on mag kurz­fris­tig be­ein­dru­cken – aber was bleibt da­von? Die Leu­te kom­men, schau­en zu und ge­hen wie­der, oh­ne ech­te Ver­bin­dung zum Fes­ti­val. Für uns ist es viel wert­vol­ler, tief in der Stadt­ge­sell­schaft ver­an­kert zu sein. Wenn Men­schen im­mer wie­der­kom­men, sich ein­brin­gen, mit­den­ken oder mit­hel­fen, ent­steht ei­ne ech­te Be­zie­hung. Hal­tung und Wer­te si­chern un­se­re Zu­kunft – nicht Kon­fet­ti und Feu­er­werk.

LW: Ein wei­te­res, ex­pli­zi­tes Ziel die­ses Jahr ist auch den gan­zen Er­mög­li­cher:in­nen Dan­ke zu sa­gen. Da­mit sind heu­ti­ge, aber auch ehe­ma­li­ge Hel­fer:in­nen ge­meint, die vor 30 Jah­ren schon ge­ar­bei­tet und mit­ge­dacht ha­ben. Auch Part­ner:in­nen, Po­li­ti­ker:in­nen und Gön­ner:in­nen, die uns über all die Jah­re be­glei­tet und un­ter­stützt ha­ben, ge­hö­ren da­zu. Wir wol­len wert­schät­zen, was al­les schon in­ves­tiert wur­de. Denn nur da­durch ste­hen wir heu­te an dem Punkt, an dem wir heu­te sind.

Al­so fei­ert ihr auch ein biss­chen?

LW: Ja ge­nau, aber wir wol­len eben die Leu­te fei­ern, die das Gan­ze mög­lich ma­chen und kei­ne Selbst­be­weih­räu­che­rung be­trei­ben.

Und gibt es ein High­light in die­sem Jahr, wor­auf ihr euch be­son­ders freut? 

MS: Meis­tens merkt man die High­lights ja erst nach dem Fes­ti­val. Für mich sind die schöns­ten Mo­men­te ei­gent­lich im­mer, wenn ein Act noch bes­ser funk­tio­niert, als man ge­hofft hat – wenn es im Pu­bli­kum «klick» macht und al­le mer­ken: Das war ge­ra­de et­was ganz Be­son­de­res. Aber wenn ich in die­sem Jahr ei­nen Act her­aus­pi­cken müss­te, wä­re das si­cher Zaho de Sa­ga­zan, die ein Welt­star wird. Es ist schon sehr be­son­ders, dass sie die­ses Jahr bei uns spielt.

LW: Ich freue mich be­son­ders auf die neu­en For­ma­te wie das Zu­kunfts­la­bor oder das Mu­sik­fest­ka­rus­sell, wo wir für den Sams­tag­nach­mit­tag ei­nen Spa­zier­gang durch die Alt­stadt kon­zi­piert ha­ben und al­te so­wie neue Büh­nen ent­de­cken. 

Mat­thi­as Schlem­mer­mey­er, 1980, auf­ge­wach­sen und stu­diert im gros­sen Kan­ton, ra­delt ger­ne und nach Etap­pen­an­künf­ten im Ku­la Kon­stanz, Ga­re de Li­on Wil und KiFF Aar­au seit 2013 ver­ant­wort­lich für das Boo­king der Win­ter­thu­rer Mu­sik­fest­wo­chen.

Lot­ta Wid­mer ist un­ter­wegs: Bei den Mu­sik­fest­wo­chen als Co-Ge­schäfts­lei­te­rin (seit 2019), im Na­tio­nal­vor­stand von PET­ZI und dem Salz­haus Win­ter­thur als Vor­stän­din und sonst ger­ne in den Ber­gen.

50 Jahre Musikfestwochen

Das 50-Jahr-Ju­bi­lä­um der Mu­sik­fest­wo­chen Win­ter­thur (MFW) fin­det vom 6. bis 17. Au­gust 2025 un­ter dem Mot­to «Hal­tung statt Hüpf­burg» statt: kein Pomp, son­dern Fo­kus auf kul­tu­rel­le Re­le­vanz, Zu­kunfts­fä­hig­keit und Nach­hal­tig­keit. Rund 100 Acts ste­hen die­ses Jahr auf acht Büh­nen, neun der zwölf Fes­ti­val­ta­ge blei­ben kos­ten­frei. Er­gänzt wird das mu­si­ka­li­sche An­ge­bot durch Work­shops, Ge­sprächs­run­den, ein Zu­kunfts­la­bor (9. Au­gust) mit dem Think-and-Do-Tank De­zen­trum und ein Mu­sik­fest­ka­rus­sell mit Pop-up-Kon­zer­ten an über­ra­schen­den Or­ten. Da­ne­ben fin­den die Rät­sel­fest­wo­chen als Pos­ten­lauf bis En­de Sep­tem­ber statt. 

mu­sik­fest­wo­chen.ch