Herta Lendenmann, Charlotte Kehl und Margrit Zierer sind Umweltaktivistinnen in der Ostschweizer Regionalgruppe der Klimaseniorinnen. Der Verein, dem rund 3000 Frauen «im Pensionsalter» angehören, hat im Frühjahr 2024 international für Aufsehen gesorgt und der Schweiz gehörig zu denken gegeben. Denn die Klimaseniorinnen klagten sich bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) – und schrieben Geschichte: Klimaschutz ist ein Menschenrecht, lautete das Urteil des Gerichts. Die Schweiz muss demnach dafür sorgen, dass das Leben der Bevölkerung nicht unter dem Klimawandel leidet – tut sie aber nur ungenügend, auch das geht aus dem Urteil des EGMR hervor.
Lendenmann, Kehl und Zierer waren in Strasbourg vor Ort, als das internationale Gericht den Fall verhandelte. Nun zeigen sie zusammen mit der Ostschweizer Regionalgruppe von Public Eye und dem Verein «Filme für die Erde» im Rahmen der St.Galler Klimawoche eine Handvoll Filme zum Thema Klima. Dazu gibt es mehrere Podiumsveranstaltungen.
«Wir wollen zeigen, was es sich zu bewahren lohnt», sagt Herta Lendenmann über die Veranstaltung. Bereits vor einem Jahr hat die Regionalgruppe der Klimaseniorinnen an der Klimawoche in St.Gallen teilgenommen. Damals verteilte sie vegane Häppchen mit den dazugehörigen Rezepten. Auch dieses Jahr wollen die drei Frauen aus Teufen, Trogen und Rorschach mit einem Stand für klimafreundlichere, vegane Ernährung sensibilisieren und mit Filmen zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Die drei Ostschweizerinnen wollen Menschen motivieren, sich einzusetzen, sagt Lendenmann. Drei Filme haben sie ausgesucht, die in fünf verschiedenen Sälen gezeigt werden: Kinok, Grabenhalle, Kino City Uzwil, Cinétreff Herisau und Kino Rosental Heiden. Daneben zeigt «Filme für die Erde» drei weitere Filme in St.Gallen anlässlich des jährlichen Festivals, das an diversen Orten in der gesamten Schweiz stattfindet.
Die Zusammenarbeit mit «Filme für die Erde» sei eher zufällig entstanden, weil das Festival in St.Gallen gleichzeitig stattfinde wie die Klimawoche, erklärt Lendenmann. «‹Filme für die Erde› verfügt ausserdem über das Know-how und hat uns etwa im Umgang mit Lizenzen unterstützt.» Finanzielle Unterstützung gabs auch über die Kulturförderung der Kantone sowie von diversen Stiftungen.
Erst kürzlich ist die Dokumentation Trop Chaud von Benjamin Weiss über die Klimaseniorinnen und ihren Kampf für Klimagerechtigkeit erschienen. Zwar fehlt dieser Film im diesjährigen Programm, doch handelt es sich bei den Filmen, die Lendenmann und ihre Kolleginnen an der Klimawoche zeigen, ebenfalls um Dokumentarstreifen zum Thema Klimawandel. Jeder der Filme aus der Schweiz, Deutschland, Österreich oder England beschäftigt sich mit einem anderen spezifischen Aspekt zum Thema.
So dreht sich der deutsch-österreichische Dokumentarfilm Scars of Growth von Linda Osusky und Monika Grassl um den Bergbau in Europa. Zwar gelten grüne Technologien als Hoffnungsträger der Energiewende, doch ihr Rohstoffhunger hat einen hohen Preis. Der Film zeigt, wie Bauern in Spanien und indigene Rentierzüchter:innen in Nordschweden gegen neue Bergbauprojekte kämpfen, die ihre Lebensgrundlage bedrohen. Zwischen Klimazielen, Kapitalinteressen und dem Ruf nach «nachhaltigem» Bergbau stellt die Doku die unbequeme Frage: Wie grün ist Europas Zukunft wirklich?
Auch Requiem in Weiss – Das würdelose Sterben unserer Gletscher beschäftigt sich mit unbequemen Fragen und Themen – schliesslich ist dies ja auch Ziel der Veranstaltung. Das eindrückliche Werk von Harry Putz (ebenfalls Österreicher) führt zu 13 schmelzenden Gletschern der Ostalpen und verknüpft emotionale Bilder mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Während das «ewige Eis» verschwindet, boomt der Tourismus –
inklusive Kunstschnee, Gletscherabdeckungen und massiver Eingriffe in die Natur. Der Film ist ein «stilles Requiem» für eine untergehende Welt und ein dringlicher Appell zum Umdenken.
Beim Film Fashion Reimagined handelt es sich um eine Produktion aus England. Becky Hutner, die Regisseurin, begibt sich dabei gemeinsam mit der Designerin Amy Powney auf die Spuren der Textilindustrie. Powney will Mode neu denken – radikal nachhaltig, von der Rohstoffernte bis zur fertigen Kollektion. Auf ihrer Reise durch globale Lieferketten zeigt sie, wie schmutzig und ressourcenintensiv die Modeindustrie ist – und wie schwer es ist, echte Alternativen zu schaffen. Die Doku macht deutlich: Jeder Knopf, jeder Stoff erzählt eine Geschichte – und unsere Kleidung sowie die Arbeit dahinter verdienen mehr Wertschätzung.
Future Council des bekannten australischen Regisseurs Damon Gameau beschäftigt sich derweil mit Fragen von Kindern. Acht Kinder machen sich in einem Biobus auf, um Europas Entscheidungsträger:innen mit ihren Fragen zur Klimakrise zu konfrontieren – und um Antworten oder Lösungen zu finden. Dabei entsteht ein inspirierender Roadtrip voller Hoffnung, Neugier und kindlicher Ehrlichkeit. Der Film zeigt, dass echte Veränderung oft dort beginnt, wo Erwachsene zuhören und Kinder mitgestalten dürfen.

Monika Grassl, Linda Osusky: Scars of Growth (2024) (Bild: pd)

Becky Hutner: Fashion Reimagined (2022) (Bild:pd)
Auch zwei Schweizer Filme werden in der Klimawoche gezeigt: Tamina – wann war es immer so? und Home is the Ocean. In ersterem führen die beiden Ostschweizer Regisseure Beat Oswald und Samuel Weniger sowie die gebürtige Deutsche und ebenfalls als Regisseurin und als Cutterin beteiligte Lena Hatebur zwischen Wolfssuche und Naturreflexion durch das Taminatal und hinterfragen poetisch unser Verhältnis zur Wildnis. Denn während medial der Wolf sehr präsent ist, begegnet sich im Wald der Mensch vor allem selbst. Eine ruhige, nachdenkliche Reise über das Zusammenleben von Mensch, Tier und Landschaft im Wandel der Zeit. Saiten berichtete im April letzten Jahres über den Film (saiten.ch/die-meinungen-fuer-oder-gegen-den-wolf-interessieren-mich-nicht).
Auch über zweiteren, Home is the Ocean von der gebürtigen St.Gallerin Livia Vonaesch, hat Saiten anlässlich der Premiere im März dieses Jahres berichtet (saiten.ch/captain-fantastic-auf-hoher-see). Seit 25 Jahren lebt die Familie Schwörer auf einem Segelboot und erkundet die entlegensten Winkel der Ozeane. Die Langzeitdokumentation begleitet die achtköpfige Crew sieben Jahre lang und zeigt, wie Erziehung, Bildung und Gemeinschaft auf engstem Raum neu gedacht werden. Sie stellt aber auch die Frage: Wie lange kann ein
Leben zwischen Freiheit und Verantwortung auf offener
See gutgehen?
Nach den ersten drei Filmen Scars of Growth, Requiem in Weiss – Das würdelose Sterben unserer Gletscher und Fashion Reimagined haben die Klimaseniorinnen jeweils ein Podium organisiert. So disktutieren Bettina Dürr, Vorstandsmitglied bei der Klima-Allianz Schweiz, Henrik Nordborg, Professor für Physik an der Fachhochschule OST, und Hauke Schlesier, Energie- und Umweltingenieur EMPA, nach Scars of Growth darüber, was die Nachteile des «Green Deals» sind und wer die wirklichen Opfer der Klimakrise. Moderiert wird das Gespräch vom Journalisten Pius Kessler.

Harry Putz: Requiem in Weiss - Das würdelose Sterben unserer Gletscher (2025) (Bild:pd)
Nach Fashion Reimagined stellen sich Martin Leuthold, ehemaliger Kreativdirektor der Jakob Schlaepfer AG, Juliane Christine Sauer, Kuratorin der Ausstellung «Wasser» im Textilmuseum, und Alina Loacker von der Klimagruppe AR dem Thema Fast Fashion und wie damit realistisch und nachhaltig umgegangen werden soll. Dieses Gespräch wird ebenfalls von Pius Kessler moderiert. Besonders heraus sticht das Podium nach Requiem in Weiss – Das würdelose Sterben unserer Gletscher, denn neben Hans Aeschlimman, einem Glaziologen, ist auch Pia Hollenstein, Alt-Nationalrätin der Grünen und Vorstandsmitglied der Klimaseniorinnen, sowie der Regisseur selbst, Harry Putz, vor Ort. Diana Dengler, Schauspielerin am Theater St.Gallen, moderiert die Diskussion.
Auch «Filme für die Erde» plant jeweils ein Rahmenprogramm um Home is the Ocean, Future Council und Tamina – wann war es immer so. Bis zum Redaktionsschluss lagen einzig die Informationen zum Film über die Wölfe im Taminatal vor, wo die Literaturwissenschaftlerin Claudia Keller das Programm moderieren wird.
Anschliessend an die Podien der Klimaseniorinnen gibt es jeweils einen Apéro, bei dem das Publikum dazu eingeladen ist, gemeinsam mit den Expert:innen Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen. Für Herta Lendenmann ist das Ziel der Veranstaltung klar: «Damit möchten wir die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Ursachen der Klimakrise fördern und für Massnahmen sensibilisieren. Informationen haben wir alle genug, es braucht wieder Aktion.» Lendenmann und ihre Kolleg:innen wollen zeigen, dass der Klimawandel und die damit einhergehenden Probleme – vor allem für den globalen Süden – nicht einfach verschwinden, nur weil anderswo schreckliche Kriege herrschen oder gerade eine Pandemie die Welt flachlegt. Im Gegenteil: «Der Klimawandel ist noch immer da.»