«Wir wollen zeigen, was es sich zu bewahren lohnt»

Die Ostschweizerinnen Herta Lendenmann, Charlotte Kehl und Margrit Zierer sind Umweltaktivistinnen in der Regionalgruppe der Klimaseniorinnen und organisieren das Klima-Kino.

Mitte September zeigen drei Klimaseniorinnen anlässlich der Klimawoche St.Gallen und des Festivals «Filme für die Erde» eine Handvoll Filme. Sie sollen Jung und Alt für den Klimakampf motivieren.

Her­ta Len­den­mann, Char­lot­te Kehl und Mar­grit Zie­rer sind Um­welt­ak­ti­vis­tin­nen in der Ost­schwei­zer Re­gio­nal­grup­pe der Kli­ma­se­nio­rin­nen. Der Ver­ein, dem rund 3000 Frau­en «im Pen­si­ons­al­ter» an­ge­hö­ren, hat im Früh­jahr 2024 in­ter­na­tio­nal für Auf­se­hen ge­sorgt und der Schweiz ge­hö­rig zu den­ken ge­ge­ben. Denn die Kli­ma­se­nio­rin­nen klag­ten sich bis vor den Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) – und schrie­ben Ge­schich­te: Kli­ma­schutz ist ein Men­schen­recht, lau­te­te das Ur­teil des Ge­richts. Die Schweiz muss dem­nach da­für sor­gen, dass das Le­ben der Be­völ­ke­rung nicht un­ter dem Kli­ma­wan­del lei­det – tut sie aber nur un­ge­nü­gend, auch das geht aus dem Ur­teil des EGMR her­vor.

Len­den­mann, Kehl und Zie­rer wa­ren in Stras­bourg vor Ort, als das in­ter­na­tio­na­le Ge­richt den Fall ver­han­del­te. Nun zei­gen sie zu­sam­men mit der Ost­schwei­zer Re­gio­nal­grup­pe von Pu­blic Eye und dem Ver­ein «Fil­me für die Er­de» im Rah­men der St.Gal­ler Kli­ma­wo­che ei­ne Hand­voll Fil­me zum The­ma Kli­ma. Da­zu gibt es meh­re­re Po­di­ums­ver­an­stal­tun­gen.

«Wir wol­len zei­gen, was es sich zu be­wah­ren lohnt», sagt Her­ta Len­den­mann über die Ver­an­stal­tung. Be­reits vor ei­nem Jahr hat die Re­gio­nal­grup­pe der Kli­ma­se­nio­rin­nen an der Kli­ma­wo­che in St.Gal­len teil­ge­nom­men. Da­mals ver­teil­te sie ve­ga­ne Häpp­chen mit den da­zu­ge­hö­ri­gen Re­zep­ten. Auch die­ses Jahr wol­len die drei Frau­en aus Teu­fen, Tro­gen und Ror­schach mit ei­nem Stand für kli­ma­freund­li­che­re, ve­ga­ne Er­näh­rung sen­si­bi­li­sie­ren und mit Fil­men zum Nach­den­ken und Dis­ku­tie­ren an­re­gen. Die drei Ost­schwei­ze­rin­nen wol­len Men­schen mo­ti­vie­ren, sich ein­zu­set­zen, sagt Len­den­mann. Drei Fil­me ha­ben sie aus­ge­sucht, die in fünf ver­schie­de­nen Sä­len ge­zeigt wer­den: Ki­nok, Gra­ben­hal­le, Ki­no Ci­ty Uz­wil, Ci­né­treff He­ris­au und Ki­no Ro­sen­tal Hei­den. Da­ne­ben zeigt «Fil­me für die Er­de» drei wei­te­re Fil­me in St.Gal­len an­läss­lich des jähr­li­chen Fes­ti­vals, das an di­ver­sen Or­ten in der ge­sam­ten Schweiz statt­fin­det.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit «Fil­me für die Er­de» sei eher zu­fäl­lig ent­stan­den, weil das Fes­ti­val in St.Gal­len gleich­zei­tig statt­fin­de wie die Kli­ma­wo­che, er­klärt Len­den­mann. «‹Fil­me für die Er­de› ver­fügt aus­ser­dem über das Know-how und hat uns et­wa im Um­gang mit Li­zen­zen un­ter­stützt.» Fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung gabs auch über die Kul­tur­för­de­rung der Kan­to­ne so­wie von di­ver­sen Stif­tun­gen.

Klimawoche St.Gallen

Die St.Gal­ler Kli­ma­wo­che fin­det zum zwei­ten Mal statt. Mit­te Sep­tem­ber bie­ten di­ver­se Ver­an­stal­ter:in­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen Work­shops, In­for­ma­ti­ons- und Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen an. Da­durch soll die Be­völ­ke­rung sen­si­bi­li­siert, ver­netzt und ak­ti­viert wer­den – be­son­ders im Hin­blick auf das 2020 von den Stimm­be­rech­tig­ten gut­ge­heis­se­ne Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2050. Auf Ba­sis die­ses Kon­zepts hat die Stadt die Kam­pa­gne «Ge­mein­sam wirkt – St.Gal­len wird kli­ma­neu­tral» be­schlos­sen, in de­ren Rah­men die Kli­ma­wo­che statt­fin­det. Das «Fil­me für die Er­de» – Fes­ti­val fin­det zeit­gleich am 13., 18. und 20. Sep­tem­ber in St.Gal­len statt.

Kli­ma­wo­che St.Gal­len: 13. bis 21. Sep­tem­ber, di­ver­se Stand­or­te in St.Gal­len und Um­ge­bung (Kli­ma­ki­no).

Scars of Growth: 
13. Sep­tem­ber, 11 Uhr, Ki­nok, St.Gal­len;
17. 19 Uhr, Ci­ne­treff, He­ris­au.

Re­qui­em in Weiss – das wür­de­lo­se Ster­ben: 
15. Sep­tem­ber, 19 Uhr, Ki­no Ci­ty, Uz­wil;
18. Sep­tem­ber, 19 Uhr, Ki­no Ro­sen­tal, Hei­den;
18. Sep­tem­ber, 20:30 Uhr, Kugl, St.Gal­len.

Fa­shion Reim­agi­ned: 
16. Sep­tem­ber, 19 Uhr, Gra­ben­hal­le, St.Gal­len.

Home is the Oce­an:  
18. Sep­tem­ber, 18 Uhr, Kugl, St.Gal­len.

Fu­ture Coun­cil: 
20. Sep­tem­ber, 17:30 Uhr, Na­tur­mu­se­um, St.Gal­len.

Ta­mi­na – wann war es im­mer so: 
20. Sep­tem­ber, 19:45 Uhr, Na­tur­mu­se­um, St.Gal­len.

Ve­ga­ner Stand: 
19. Sep­tem­ber, 10-14 Uhr, Bä­ren­platz

Erst kürz­lich ist die Do­ku­men­ta­ti­on Trop Chaud von Ben­ja­min Weiss über die Kli­ma­se­nio­rin­nen und ih­ren Kampf für Kli­ma­ge­rech­tig­keit er­schie­nen. Zwar fehlt die­ser Film im dies­jäh­ri­gen Pro­gramm, doch han­delt es sich bei den Fil­men, die Len­den­mann und ih­re Kol­le­gin­nen an der Kli­ma­wo­che zei­gen, eben­falls um Do­ku­men­tar­strei­fen zum The­ma Kli­ma­wan­del. Je­der der Fil­me aus der Schweiz, Deutsch­land, Ös­ter­reich oder Eng­land be­schäf­tigt sich mit ei­nem an­de­ren spe­zi­fi­schen Aspekt zum The­ma.

So dreht sich der deutsch-ös­ter­rei­chi­sche Do­ku­men­tar­film Scars of Growth von Lin­da Osus­ky und Mo­ni­ka Grassl um den Berg­bau in Eu­ro­pa. Zwar gel­ten grü­ne Tech­no­lo­gien als Hoff­nungs­trä­ger der En­er­gie­wen­de, doch ihr Roh­stoff­hun­ger hat ei­nen ho­hen Preis. Der Film zeigt, wie Bau­ern in Spa­ni­en und in­di­ge­ne Ren­tier­züch­ter:in­nen in Nord­schwe­den ge­gen neue Berg­bau­pro­jek­te kämp­fen, die ih­re Le­bens­grund­la­ge be­dro­hen. Zwi­schen Kli­ma­zie­len, Ka­pi­tal­in­ter­es­sen und dem Ruf nach «nach­hal­ti­gem» Berg­bau stellt die Do­ku die un­be­que­me Fra­ge: Wie grün ist Eu­ro­pas Zu­kunft wirk­lich?

Auch Re­qui­em in Weiss – Das wür­de­lo­se Ster­ben un­se­rer Glet­scher be­schäf­tigt sich mit un­be­que­men Fra­gen und The­men – schliess­lich ist dies ja auch Ziel der Ver­an­stal­tung. Das ein­drück­li­che Werk von Har­ry Putz (eben­falls Ös­ter­rei­cher) führt zu 13 schmel­zen­den Glet­schern der Ost­al­pen und ver­knüpft emo­tio­na­le Bil­der mit wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen. Wäh­rend das «ewi­ge Eis» ver­schwin­det, boomt der Tou­rismus –
in­klu­si­ve Kunst­schnee, Glet­scher­ab­de­ckun­gen und mas­si­ver Ein­grif­fe in die Na­tur. Der Film ist ein «stil­les Re­qui­em» für ei­ne un­ter­ge­hen­de Welt und ein dring­li­cher Ap­pell zum Um­den­ken.

Beim Film Fa­shion Reim­agi­ned han­delt es sich um ei­ne Pro­duk­ti­on aus Eng­land. Be­cky Hut­ner, die Re­gis­seu­rin, be­gibt sich da­bei ge­mein­sam mit der De­si­gne­rin Amy Pow­ney auf die Spu­ren der Tex­til­in­dus­trie. Pow­ney will Mo­de neu den­ken – ra­di­kal nach­hal­tig, von der Roh­stoff­ern­te bis zur fer­ti­gen Kol­lek­ti­on. Auf ih­rer Rei­se durch glo­ba­le Lie­fer­ket­ten zeigt sie, wie schmut­zig und res­sour­cen­in­ten­siv die Mo­de­indus­trie ist – und wie schwer es ist, ech­te Al­ter­na­ti­ven zu schaf­fen. Die Do­ku macht deut­lich: Je­der Knopf, je­der Stoff er­zählt ei­ne Ge­schich­te – und un­se­re Klei­dung so­wie die Ar­beit da­hin­ter ver­die­nen mehr Wert­schät­zung.

Fu­ture Coun­cil des be­kann­ten aus­tra­li­schen Re­gis­seurs Da­mon Ga­meau be­schäf­tigt sich der­weil mit Fra­gen von Kin­dern. Acht Kin­der ma­chen sich in ei­nem Bio­bus auf, um Eu­ro­pas Ent­schei­dungs­trä­ger:in­nen mit ih­ren Fra­gen zur Kli­ma­kri­se zu kon­fron­tie­ren – und um Ant­wor­ten oder Lö­sun­gen zu fin­den. Da­bei ent­steht ein in­spi­rie­ren­der Road­trip vol­ler Hoff­nung, Neu­gier und kind­li­cher Ehr­lich­keit. Der Film zeigt, dass ech­te Ver­än­de­rung oft dort be­ginnt, wo Er­wach­se­ne zu­hö­ren und Kin­der mit­ge­stal­ten dür­fen.

Monika Grassl, Linda Osusky: Scars of Growth (2024) (Bild: pd)

Becky Hutner: Fashion Reimagined (2022) (Bild:pd)

Auch zwei Schwei­zer Fil­me wer­den in der Kli­ma­wo­che ge­zeigt: Ta­mi­na – wann war es im­mer so? und Home is the Oce­an. In ers­te­rem füh­ren die bei­den Ost­schwei­zer Re­gis­seu­re Beat Os­wald und Sa­mu­el We­ni­ger so­wie die ge­bür­ti­ge Deut­sche und eben­falls als Re­gis­seu­rin und als Cut­te­rin be­tei­lig­te Le­na Ha­te­bur zwi­schen Wolfs­su­che und Na­tur­re­fle­xi­on durch das Ta­mi­na­tal und hin­ter­fra­gen poe­tisch un­ser Ver­hält­nis zur Wild­nis. Denn wäh­rend me­di­al der Wolf sehr prä­sent ist, be­geg­net sich im Wald der Mensch vor al­lem selbst. Ei­ne ru­hi­ge, nach­denk­li­che Rei­se über das Zu­sam­men­le­ben von Mensch, Tier und Land­schaft im Wan­del der Zeit. Sai­ten be­rich­te­te im April letz­ten Jah­res über den Film (sai­ten.ch/die-mei­nun­gen-fuer-oder-ge­gen-den-wolf-in­ter­es­sie­ren-mich-nicht).

Auch über zwei­te­ren, Home is the Oce­an von der ge­bür­ti­gen St.Gal­le­rin Li­via Vo­n­aesch, hat Sai­ten an­läss­lich der Pre­mie­re im März die­ses Jah­res be­rich­tet (sai­ten.ch/cap­tain-fan­ta­stic-auf-ho­her-see). Seit 25 Jah­ren lebt die Fa­mi­lie Schwö­rer auf ei­nem Se­gel­boot und er­kun­det die ent­le­gens­ten Win­kel der Ozea­ne. Die Lang­zeit­do­ku­men­ta­ti­on be­glei­tet die acht­köp­fi­ge Crew sie­ben Jah­re lang und zeigt, wie Er­zie­hung, Bil­dung und Ge­mein­schaft auf engs­tem Raum neu ge­dacht wer­den. Sie stellt aber auch die Fra­ge: Wie lan­ge kann ein 
Le­ben zwi­schen Frei­heit und Ver­ant­wor­tung auf of­fe­ner 
See gut­ge­hen?

Nach den ers­ten drei Fil­men Scars of Growth, Re­qui­em in Weiss – Das wür­de­lo­se Ster­ben un­se­rer Glet­scher und Fa­shion Reim­agi­ned ha­ben die Kli­ma­se­nio­rin­nen je­weils ein Po­di­um or­ga­ni­siert. So disk­tu­tie­ren Bet­ti­na Dürr, Vor­stands­mit­glied bei der Kli­ma-Al­li­anz Schweiz, Hen­rik Nord­borg, Pro­fes­sor für Phy­sik an der Fach­hoch­schu­le OST, und Hau­ke Schle­si­er, En­er­gie- und Um­welt­in­ge­nieur EM­PA, nach Scars of Growth dar­über, was die Nach­tei­le des «Green Deals» sind und wer die wirk­li­chen Op­fer der Kli­ma­kri­se. Mo­de­riert wird das Ge­spräch vom Jour­na­lis­ten Pi­us Kess­ler.

Harry Putz: Requiem in Weiss - Das würdelose Sterben unserer Gletscher (2025) (Bild:pd)

Nach Fa­shion Reim­agi­ned stel­len sich Mar­tin Leut­hold, ehe­ma­li­ger Krea­tiv­di­rek­tor der Ja­kob Schlaep­fer AG, Ju­lia­ne Chris­ti­ne Sau­er, Ku­ra­to­rin der Aus­stel­lung «Was­ser» im Tex­til­mu­se­um, und Ali­na Loa­cker von der Kli­ma­grup­pe AR dem The­ma Fast Fa­shion und wie da­mit rea­lis­tisch und nach­hal­tig um­ge­gan­gen wer­den soll. Die­ses Ge­spräch wird eben­falls von Pi­us Kess­ler mo­de­riert. Be­son­ders her­aus sticht das Po­di­um nach Re­qui­em in Weiss – Das wür­de­lo­se Ster­ben un­se­rer Glet­scher, denn ne­ben Hans Aeschlim­man, ei­nem Gla­zio­lo­gen, ist auch Pia Hol­len­stein, Alt-Na­tio­nal­rä­tin der Grü­nen und Vor­stands­mit­glied der Kli­ma­se­nio­rin­nen, so­wie der Re­gis­seur selbst, Har­ry Putz, vor Ort. Dia­na Deng­ler, Schau­spie­le­rin am Thea­ter St.Gal­len, mo­de­riert die Dis­kus­si­on.

Auch «Fil­me für die Er­de» plant je­weils ein Rah­men­pro­gramm um Home is the Oce­an, Fu­ture Coun­cil und Ta­mi­na – wann war es im­mer so. Bis zum Re­dak­ti­ons­schluss la­gen ein­zig die In­for­ma­tio­nen zum Film über die Wöl­fe im Ta­mi­na­tal vor, wo die Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin Clau­dia Kel­ler das Pro­gramm mo­de­rie­ren wird.

An­schlies­send an die Po­di­en der Kli­ma­se­nio­rin­nen gibt es je­weils ei­nen Apé­ro, bei dem das Pu­bli­kum da­zu ein­ge­la­den ist, ge­mein­sam mit den Ex­pert:in­nen Ideen zu ent­wi­ckeln und sich aus­zu­tau­schen. Für Her­ta Len­den­mann ist das Ziel der Ver­an­stal­tung klar: «Da­mit möch­ten wir die Aus­ein­an­der­set­zung mit den viel­fäl­ti­gen Ur­sa­chen der Kli­ma­kri­se för­dern und für Mass­nah­men sen­si­bi­li­sie­ren. In­for­ma­tio­nen ha­ben wir al­le ge­nug, es braucht wie­der Ak­ti­on.» Len­den­mann und ih­re Kol­leg:in­nen wol­len zei­gen, dass der Kli­ma­wan­del und die da­mit ein­her­ge­hen­den Pro­ble­me – vor al­lem für den glo­ba­len Sü­den – nicht ein­fach ver­schwin­den, nur weil an­ders­wo schreck­li­che Krie­ge herr­schen oder ge­ra­de ei­ne Pan­de­mie die Welt flach­legt. Im Ge­gen­teil: «Der Kli­ma­wan­del ist noch im­mer da.»

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