, 11. August 2013
4 Kommentare

Zurück an den Absender

Der „Kulturplatz“ im St.Galler Museumsquartier wird nicht neu gestaltet. Zum fragwürdigen Stadtratsentscheid ein Kommentar von Marko Sauer.

Der Wettbewerb für den Kulturplatz brachte ein erstaunliches Resultat hervor. Als einziges Projekt zeigte „Blue Notes in major scale“ des mittlerweile in St. Gallen ansässigen Büros Barao Hutter keinen Platz, sondern eine Strasse. Die Frage, ob es sich bei dem Raum zwischen Theater und Tonhalle überhaupt um einen Platz handelt, ist berechtigt: Der Name „Kulturplatz“ ist politisch entstanden und stammt aus einem immer noch hängigen Postulat aus dem Jahre 1999. Anstatt den romantischen Wunsch nach diesem Platz zu erfüllen, schürften die jungen Architekten in der Tiefe. Sie stellten fest, dass es diesen Platz gar nicht geben kann, weil die Museumsstrasse auf der ganzen Länge befahrbar bleibt. Mit ihrer brillanten Analyse des Museumsquartiers haben sie die einzig richtige Antwort auf die Situation gefunden: Sie reparieren den Anschluss ans Zentrum, indem sie die Strassenführung korrigieren und die ursprüngliche Massstäblichkeit des Strassenraums wieder herstellen.

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Falsch aufgegleist

Der Stadtrat hat nun beschlossen, das Projekt nicht umzusetzen. In einer angespannten finanziellen Lage muss das Nötige vom Wünschenswerten getrennt werden. Und die Neugestaltung der Museumsstrasse ist bestimmt kein dringendes Projekt. Es erstaunt aber sehr, dass der Stadtrat schreibt, dass nicht nur finanzielle Überlegungen eine Rolle spielten, sondern auch „die qualitative Beurteilung des Siegerprojektes durch den Stadtrat“. Er unterstellt einer fachlich hoch qualifizierten Jury, das falsche Projekt gewählt zu haben– und rückt damit den Projektwettbewerb in ein schlechtes Licht.

Markus Buschor kommentiert (hier), dass der Stadtrat nicht bekommen habe, was er bestellt habe. Und lenkt damit den Blick in eine andere Richtung. Denn das Resultat zeigt wohl eher, dass der damalige Stadtrat seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte und nicht wusste, was er bestellen soll: Aus städtebaulicher Sicht macht es keinen Sinn, von einem Platz zu sprechen. Wenn der Stadtrat die Ausschreibung aber doch in diese Richtung laufen lässt, dann muss die Jury am Ende zwischen einem schlechten und einem mutigen Projekt wählen.

Die Fachleute in der Jury haben das einzig Richtige getan und das Projekt gewählt, das die gestellte Aufgabe kritisch hinterfragt und so die beste Lösung präsentiert. Dies ist die grosse Stärke aller Projektwettbewerbe: Zu einem frühen Zeitpunkt werden Aufgabenstellungen mit den unterschiedlichsten Konzepten durchgespielt – eben auch mit mutigen und kritischen. Allerdings scheint in diesem Fall der Mut nun schon früh verloren gegangen zu sein.

Ein strukturelles Problem

Die St. Galler Plätze gaben in letzter Zeit viel zu reden: das Hickhack um den Marktplatz, die lauwarme Unterstützung für den Bahnhofsplatz – und nun das stille Ableben des Kulturplatzes. Woher kommt das? Ein Blick auf die Organigramme der Direktion Bau und Planung gibt einen Hinweis, wo das Problem liegen könnte. Dort sind die Plätze den Strassen zugeordnet. Und zwar unter dem Ressort „nutzungsorientierte Strassen“ im Tiefbauamt.

Aber: In den Städten werden die Aussenräume immer intensiver genutzt und die Frage nach ihrer Qualität wird wichtiger. Die Plätze und oft auch die Strassenräume stellen daher in erste Linie eine städtebauliche Aufgabe dar – keine technische. Auf solche Fragen kann das Tiefbauamt mit seinen technisch ausgerichteten Mitarbeitenden kaum Antworten finden. Zumal es selbst keine Wettbewerbe durchführen kann und auf die Unterstützung des Stadtplanungsamtes angewiesen ist, das nun die Suppe auslöffeln darf.

Diese Strukturen zu bereinigen, würde den Plätzen der Stadt wohl am meisten dienen.

Marko Sauer, Architekt und Fachjournalist, ist Redaktor für Architektur und Wettbewerbe bei TEC21 – der Fachzeitschrift für Achitektur, Ingenieurswesen und Umwelt.

4 Kommentare zu Zurück an den Absender

  • Doris Königer sagt:

    Bereits beim Kreisel Spisertor hat sich gezeigt, dass die internen Strukturen überprüft werden müssen. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf!

  • John Donne sagt:

    Dass nun das Projekt «Kulturplatz» gestoppt wurde, erachte ich als nicht allzu tragisch. Das Wettbewerbsresultat hat mich nicht sonderlich überzeugt, obwohl richtigerweise die Strasse als Leitthema gewählt wurde. Darüber vermag auch ein überdimensioniertes Arbeitsmodell und eine aufwendige Plangrafik nicht hinweghelfen. Dass das Team Barão & Hutter hier eine «brillante» Herleitung gemacht haben soll, ist zu viel des Lobes. Bereits im Vorfeld des Wettbewerbsverfahrens bei der Analyse der Situation wurde der Akzent auf die Strasse als gestalterisches Element bzw. ls roter Faden gelegt. Die «Platzvision» war – und da hat Marko Sauer recht – ein politisches Konstrukt.
    Der Aussage, dass die ausgemachten Schwierigkeiten bei der Gestaltung von «Plätzen» in der Stadt St.Gallen als systeminhärentes Problem dargestellt wird, kann ich nicht folgen. Organigramme sind selten Ursache solcher «Probleme». Hinter einem Organigramm steckt ein Geflecht von Kompetenzregelungen, Beziehungen und Koordinationsplattformen.
    Das Tiefbauamt ist zu recht «Herr» der Strasse bzw. des öffentlichen Raums, schliesslich ist es für Unterhalt und Betrieb (zusammen mit der Stadtpolizei) zuständig. Das Tiefbauamt hat aber schon lange die Grenzen seiner Kompetenzen im gestalterischen Bereich erkannt und arbeitet bei solchen Fragestellungen u.a. eng mit dem Hochbauamt und dem Stadtplanungsamt zusammen (vgl. z.B. die Gestaltung der südlichen Altstadt). Das sollte Marko Sauer als ehemaliger Mitarbeiter des städtischen Hochbauamtes wissen. Wer nun die Suppe auslöffeln muss, ist hier irrelevant, relevant ist, wie es nun weiter geht und ob der Stadtrat, wenn wieder liquide, in der Lage ist, klare und zahlbare Direktiven für die Gestaltung der «Museumsstrasse» zu formulieren.

    John Donne

    • Marko Sauer sagt:

      Lieber John Donne
      In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Es ist interessant, welche Bestellung der Stadtrat nun formulieren wird. Dafür wäre es hilfreich zu wissen, was er am Projekt von Barão & Hutter bemängelt. Da hilft nur eine Medienmitteilung des Stadtrates – die bisher aber auf sich warten lässt.

  • Ueli Vogt sagt:

    Lieber Herr Donne
    ich habe gelesen, dass Sie oder Ihr berühmter Namensvetter bereits im Jahre 1631 verstorben sind. Sie tönen aber recht munter und verfügen über profunde Kenntnisse zu St.Galler Stadtplanungsfragen – oder verbergen Sie sich einfach nur hinter einem Verblichenen? Legen Sie doch offen, wer Sie sind! Diskussionen sind spannender und ergiebiger, wenn das Gegenüber bekannt ist. Gerne würde ich mit einer lebendigen Figur darüber diskutieren, ob denn die Sortierung und Einzelbehandlung der städtischen Grundelemente wie Bauten und Freiräume Sinn macht. Oder noch einen Schritt weiter gedacht: Sollen die Freiräume wirklich weiter in Strassen und Plätze aufgeteilt werden? Das macht vielleicht dann Sinn, wenn es sich um Sicherheits- und Unterhaltsfragen handelt. Wenn es aber um das Erscheinungsbild in der Stadt geht, sollten diese Teile als Gesamtes betrachtet und entwickelt werden. Dass dem so sei, wie Sie schreiben (man vermutet fast Insiderwissen …), ist in St.Gallen leider nur zu selten zu erkennen. Wenn es dann noch um die Möblierung geht, bin ich mir sicher, dass hier fast nie eine Gesamtbeurteilung vorgenommen wird. Beim Kulturplatz erarbeiteten die Architekten frei von fixen Vorstellungen ein Projekt, das zum Ort passt. Das unvermittelte Ende des Projektes ist sehr bedauerlich, denn es hätte eine städtische Situation gut und gesamtheitlich gelöst.

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