Kann ich einen Platz im Gemeinschaftsgrab reservieren? Darf ich mich mit meinen Lieblingsplatten kremieren lassen? Soll ich die Abdankung der liebgewonnenen Altersheimnachbarin besuchen, wenn in der Todesanzeige steht: «Nur im engsten Familienkreis»? Kommt Exit auch ins Altersheim? Und was ziehe ich eigentlich zum eigenen Tod an?
Rund ums Sterben gibt es viel zu klären. So ein bisschen Bürokratie und Organisationsaufwand ist womöglich ganz beruhigend, wenn man schon nicht weiss, was einen im Tod erwartet. Wenigstens das Drumherum lässt sich planen. Gutschweizerisch eben. Zudem wissen wir: Drüber reden hilft. Dinge verlieren oft ihren Schrecken, wenn man sie benennt.
Ebenso schweizerisch ist es leider auch, dass man überall noch eine Prise Xenophobie beigeben muss – selbst den Gräbern. So geschehen in Weinfelden, wo das Referendum gegen die Errichtung von 70 nach Mekka ausgerichteten Grabfeldern für Muslim:innen ergriffen worden ist. Nicht einmal im Tod lässt man sie in Ruhe. Nun muss im Mai die Bevölkerung über die letzte Ruhe von anderen abstimmen. Auch das wissen wir: Bei gewissen Themen werden die Ängste nur grösser, je mehr darüber gesprochen wird.
Die Diskussion in Weinfelden war zwar der Aufhänger für dieses Heft, aber wir wollten uns nicht lange damit aufhalten. Uns interessierte vielmehr das organisatorische Drumherum des Sterbens; das Planen, das Abschiednehmen, das Bestatten. Wir haben das Krematorium in Winterthur besucht und uns mit den gängigen und zukünftigen Bestattungsformen auseinandergesetzt. Und wir haben hochbetagte Menschen gefragt, wie sie sich ihren letzten Gang vorstellen und wie sie sich darauf vorbereiten. Alles dazu ab Seite 14.
Apropos gutschweizerische Xenophobie: Im dritten Teil unserer Serie «Ostschweiz im Dritten Reich» geht Roman Hertler den antisemitischen und NS-freundlichen Tendenzen nach, die damals auch im kirchlichen Milieu verbreitet waren – von der «Schweizer Christenwehr» über die «Katholische Front» bis zum evangelischen Pfarrer, der wegen Landesverrats verurteilt wurde, nachzulesen ab Seite 32. Und immer dabei: die Medien. Es geht halt nichts über ein bisschen Öffentlichkeit.
Das gilt naturellement auch für die Kultur. Kultur zu finanzieren heisst auch, die Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit der Kultur zu finanzieren. Das hat man nun auch im Bündnerland realisiert: Vor knapp zwei Jahren startete das Projekt Graubünden Cultura. Stolze 3,2 Millionen Franken stehen dem Verein bis Mai 2027 zur Verfügung, um «Graubünden als eine der führenden Kulturtourismusregionen der Alpen zu positionieren». Kultur ist quasi der neue Schnee. David Gadze ist der Sache ab Seite 36 nachgegangen. Ausserdem im Kulturteil: die Neue von Stahlberger, GAFFA in Arbon und Kino aus dem Jura.
Zurück zum Thema Abschiednehmen: Dies ist mein 129. und letztes Heft als Saitenredaktorin. Ende März räume ich meinen Platz auf dem Saitenschiff und setze einen eigenen Kurs. Danke für die elfeinhalb erquicklichen, lehrreichen und intensiven Jahre in der Kombüse. Ab jetzt bin ich stolze Saitenabonnentin – wie ihr alle hoffentlich auch. Falls nicht, hier lang: saiten.ch/aboCorinne Riedener