Nach 20 Jahren Denk-, Lobby-, Planungs- und Bauarbeit ist es endlich so weit: Im Mai wird das Klanghaus oberhalb von Wildhaus eröffnet. Nachdem die Baumaschinen verstummt und die letzten Bagger abgezogen sind, mischen sich zum Zwitschern der Vögel und zum Quaken der Frühlingsfrösche neue Natur- und andere Klänge in die idyllische Landschaft. Der Kanton St.Gallen bekommt damit eine neue Kulturinstitution, die weit über die Region hinausstrahlen wird. Dieses Zentrum für Naturklänge ist ein architektonisches und akustisches Meisterwerk und ein Tempel für die gelebte Tradition wie für musikalische Experimente im Toggenburg. Und es ist der Beweis, dass eine Vision mit Beharrlichkeit, kreativen Ideen und dem unerschütterlichen Glauben daran zur Realität werden kann.
Für unserem Mai-Schwerpunkt, der in Kooperation mit der Klangwelt Toggenburg entstanden und von ihr mitfinanziert ist, hat sich die Redaktion drei Tage in Wildhaus eingerichtet und allerhand Stimmungen eingefangen. Wir beleuchten das Klanghaus aus unterschiedlichen Winkeln: Die Geschäftsführerin Mirjam Hadorn und der künstlerische Leiter Christian Zehnder sprechen im Interview über die Herausforderung, das Klanghaus mit Inhalt und Leben zu füllen, über den Spagat zwischen Kultur und Wirtschaft und über die Schaffung einer Förderallianz, die das Klanghaus dereinst in die Zukunft tragen soll. Andres Bosshard, der klangliche Vater des Gebäudes, erklärt, wie sich das Klanghaus perfekt in die Umgebung einpasst. Roman Hertler erzählt, wie zwei findige Handwerker aus der Region eine Lösung für die über fünf Tonnen schweren Tore des Zentralsaals suchten. Und Daria Frick und Andi Giger berichten von zwei Produktionen, bei denen unterschiedliche Kulturen und Sparten aufeinandertreffen, was nicht immer in Minne abläuft.
Die Verantwortlichen der Klangwelt wollen bereits jetzt, trotz eines mit 5,3 Millionen Franken gefüllten Betriebsfonds, der bis zu 20 Jahre reichen sollte, eine «Förderallianz» aufbauen für die langfristige Finanzierung des Betriebs. Das ist so weitsichtig wie alarmierend. Nein, nicht der Businessplan ist falsch, sondern die Kulturförderung im Kanton beziehungsweise das Geld, das dafür (nicht) zur Verfügung steht. Der Kantonsrat sieht das natürlich anders, wie zwei Beispiele aus jüngster Zeit zeigen: Eine Beitragserhöhung von 320’000 Franken an kantonal geförderte Institutionen, damit diese die Löhne und Honorare an die Vorgaben der Branchenverbände anpassen können? Chancenlos. Eine Erhöhung der – im kantonsvergleich tiefen – Kulturausgaben auf ein Prozent des Kantonshaushalts? Chancenlos.
Es ist müssig, an dieser Stelle die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft zu verhandeln und von der Politik zu fordern, dem Rechnung zu tragen – allzu bald wird sich daran im immer schon kulturknausrigen Kanton ohnehin nichts ändern. Wir können von Glück reden, dass die zweite Klanghaus-Vorlage 2019 – und damit nur drei Jahre nach der versenkten ersten – in den Kantonsrat kam und angenommen wurde. Wer weiss, was ihr im aktuellen politischen Klima und dem inzwischen gnadenlosen (Kultur-)Sparkurs der bürgerlichen Parteien geblüht hätte oder noch blühen würde, hätte man sie damals auf die lange Bank geschoben.
Geld braucht auch die Kunsthalle St.Gallen: Sie feiert nicht nur ihr 40-Jahr-Jubiläum, sondern will auch ihr Foyer umbauen, um dort künftig Fremdveranstaltungen zu ermöglichen. Larisa Baumann blickt in ihrem Beitrag auf die Geschichte der Institution zurück und verrät, was zum runden Geburtstag sonst noch alles geplant ist.
Im vierten Teil der Serie «Die Ostschweiz im Dritten Reich» zeichnet Historiker Max Lemmenmeier die Geschichte seines Onkels Karl Lemmenmeier nach. Der ständig umherreisende Lebemann wanderte während des Zweiten Weltkriegs als Geschäftsmann illegal nach Deutschland aus. Während die Gestapo seinen Rorschacher Geschäftspartner wegen Betrügereien ins KZ steckte, ermittelten die Schweizer Behörden gegen Lemmenmeier wegen angeblichen Heiratsschwindels.
Ausserdem im klangvollen Mai: die Flaschenpost aus dem bewegten Belgrad, der neue Leiter der Kellerbühne St.Gallen, eine Vorschau auf den inoffiziellen St.Galler Jazzfrühling und das Interview mit Gardi Hutter zu ihrer Abschiedstournee als Hanna und über neue Pläne.David Gadze