Liebe, beneidenswert entspannt

Der Exil-St.Galler Bruno Pellandini hat den Roman einer unspektakulären «amour fou» geschrieben – eine Liebeserklärung auch an seine Wahlheimat Wien. Heute abend liest er in St.Gallen.
Von  Peter Surber

Dieses altmodische Gefühl, das dem Roman den Titel gegeben hat, ist selbstredend die Liebe. Im Fall der beiden Protagonisten des Romans ist es allerdings eine eher unkonventionelle Variation des Themas.

Unkonventionell ist vor allem der weibliche Part besetzt: Pernilla Brigido ist eine gefeierte, ältere Wiener Schauspielerin, in ihren Alltags-Auftritten so abenteuerlich wie ihr Name, auch wenn beim ersten Anblick noch nichts darauf hindeutet: «Ihr Ausdruck faszinierte mich. Sie schien an etwas zu denken, das ihr teuer war, vielleicht an jemanden, den sie liebte oder einmal geliebt hatte. (…) Dabei hatte sie sonst nichts Auffallendes an sich. Ihre Haltung war von einer solchen Zurückgenommenheit, dass es beinahe aussah, als wollte sie sich unsichtbar machen; was die Eleganz ihrer Erscheinung  aber nur umso stärker zur Geltung brachte.»

Der da spricht und fast nicht mehr wegschauen kann, ist Ildefons Krehmayr, genannt Illo, 49, Bauunternehmer und chronisch in der Krise mit seinem Geschäft. Als der Roman beginnt, ist eben an einer seiner Baustellen ein Grossmaleur passiert, ein Handwerkerfehler beim Betonieren im Obergeschoss. Die Wohnung darunter: zerstört. Ihre Besitzerin: Pernilla Brigido.

Platonisch auf Distanz

Auf rund 300 Seiten entspannt sich in der Folge zwischen Illo und Pernilla eine Beziehung, die aus anfänglicher Abneigung allmählich freundlich, mit der Zeit beinah herzlich wird, ohne je ihre Distanziertheit zu verlieren. Die beiden ungleichen Partner geraten fast naturgesetzlich in einen zunehmend symbiotischer werdenden Lebenswandel hinein. Illo lässt sein Geschäft schlittern, ein später Wiedergänger der guten alten k.u.k.-Lebenshaltungsweisheit «Die Lage ist verzweifelt, aber nicht ernst». Pernilla ihrerseits lässt sich chauffieren, bedienen, bewundern, bis die Rollen kippen – auch sie aber hinter der perfekten Fassade der alternden Diva eine Frau, deren Schwächen und deren sorgsam bewahrten Geheimnisse ihre eigentliche Schönheit ausmachen.

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Autor Bruno Pellandini. (Bild: wortstaetten.at)

Die Bretter, die die Wiener Welt bedeuten

In Pellandinis beneidenswert entspanntem Buch geschieht wenig – weniger als in seiner lokal gefärbten, turbulenten Komödie Bärenjagd, die 2008 am Theater St.Gallen uraufgeführt wurde; weniger auch als im schelmischen Roman Malinovskij. Ein Rausch von 2006. Sein jüngstes Buch lebt von den Nuancen der Beobachtung, von einer gereiften Menschenkenntnis und von erhellenden Einsichten in die Wiener Theaterszene – eine Szene, für deren Beschreibung Pellandini dank seiner Ehe mit der Film- und Theaterschauspielerin Johanna Orsini-Rosenberg aus dem Vollen schöpfen kann.

Lesung: 23. November, 20 Uhr, Keller zur Rose. Platzzahl beschränkt.
buchhandlungzurrose.ch

Dennoch dürfte das Buch kein «Schlüsselroman» sein, auf spektakuläre Enthüllungen und Verstrickungen würde man vergebens warten. Ein Beinbruch, familiäre Konfliktlinien zwischen Illo und seiner halbwüchsigen Tochter Veroni, Pernillas tollkühner Versuch, noch einmal im Scheinwerferlicht zu stehen, und schliesslich eine hindernisreiche Landpartie ins tschechische Grenzgebiet sind die markantesten äusseren Ereignisse dieses Romans.

Das eigentliche Ereignis ist die gelassen-präzise Erzählkunst Pellandinis. Und der ein bisschen altrosa eingedunkelte Glanz dieses «altmodischen Gefühls» namens Liebe.

Bruno Pellandini: Dieses altmodische Gefühl. Roman. Residenz Verlag Salzburg, Wien 2016, Fr. 31.90