Pontem macht dicht: Wer ist schuld?

Vor 2012 hiess das Lokal im Herisauer Gewerbe- und Industriezentrum Hölzli «Metalvetia», seither «Pontem». Unabhängig vom Namen aber seien «für die Betreiber die letzten acht Jahre ein ständiger Kampf ums Überleben» gewesen, heisst es in der Medienmitteilung vom letzten Freitag, in der Pontem seine Geschäftsaufgabe im Sommer 2016 bekanntgibt.
Darin werden heftige Vorwürfe erhoben. Adressat ist die Gemeinde Herisau. «Wir mühen uns mit behördlichen Auflagen und Anfeindungen aus der Bevölkerung und dem Gewerbe ab», wird Vereinspräsident Florian Schneider in der Mitteilung zitiert. Zudem «hielten sich hartnäckige Gerüchte, wonach das Pontem dem Steuerzahler auf der Tasche läge». Man fühle sich nicht mehr willkommen im Ausserrhoder Hauptort.
«Verschwindende Zahl von Lärmklagen»
Was das konkret heisst, präzisieren Schneider und Pressesprecher Raouf Selmi auf Anfrage. Ein Konfliktpunkt war das Bridge Blast Metalfestival: eine Openair-Veranstaltung, bei deren vierter Auflage im September 2015 während drei Abenden 25 Metal-Bands auftraten. Vorgängig habe man ein aufwendiges Verkehrs- und Sicherheitskonzept vorlegen müssen, das Resultat danach sei eine «verärgerte Gemeinde Herisau» gewesen, wegen angeblich zahlreicher Lärmklagen – dabei habe es sich bloss um eine Handvoll Reklamationen gehandelt, «bei mehr als 16’000 Einwohnern eine verschwindende Zahl», sagt Schneider. Dennoch habe die Gemeinde für künftige derartige Anlässen mit noch härteren Auflagen gedroht.
Auf Anfrage entgegnet die Gemeinde vorerst schriftlich: «Die Bewilligungsverfahren liefen im üblichen Rahmen ab. So wurde für die Openair-Veranstaltung auch eine Polizeistundenverlängerung bewilligt und das Feuerwerk musste auf 22 Uhr vorverschoben werden. Es gingen an diesem Abend zwar Lärmklagen ein (gegen 10), die Lärmmessungen der ausgerückten Polizei ergaben aber keine Überschreitungen der Grenzwerte. Entsprechend wurde im Nachgang dem Vereinspräsidenten Florian Schneider zugesichert, ein Gesuch für den gleichen Anlass 2016 normal zu prüfen.» Dass ein Verkehrs- und Sicherheitskonzept verlangt worden sei, sei ihm nicht bekannt, ergänzt Gemeindepräsident Renzo Andreani am Telefon. «Es war alles im Rahmen – das ist meine Wahrnehmung.»
Ein weiterer Konfliktpunkt ist das Geld: Der Kulturverein habe sich in all den Jahren selber über Wasser gehalten und nur einen kleinen Betrag aus dem Lotteriefonds des Kantons erhalten. «Die alljährlichen Gesuche bei Kanton und Gemeinde blieben entweder unbeantwortet oder wurden mit der Begründung des mangelnden öffentlichen Interesses abgelehnt.» Nach «sieben oder acht» vergeblichen Gesuchen habe man es aufgegeben, sagt Pressesprecher Selmi. Beim Kanton spricht die Leiterin des Amts für Kultur, Margrit Bürer, von insgesamt drei Gesuchen. 2012 wurde zur Gründung des Pontem ein Startbeitrag von 2000 Franken gesprochen und bezahlt, 2014 gab es für ein Konzert eine Defizitgarantie von 1000 Franken, eine Abrechnung sei jedoch nie gekommen. «Der Betrag wurde nicht eingefordert.»
Warum kein Betriebsbeitrag?
Der Knackpunkt – und Grund für die negative Antwort Bürers auf ein drittes Gesuch: Der Kanton kann grundsätzlich – auch bei anderen Veranstaltern wie etwa dem Tanzraum Herisau – keine Gelder für den Betrieb oder ein Gesamtprogramm sprechen, sondern nur einzelne Anlässe unterstützen. Aus Sicht von Pontem wäre ein solcher fester Betriebsbeitrag aber nötig, auch um neben den Gagen die Infrastruktur (Strom, Wasser, Helferdienste) dauerhaft sicherstellen zu können. Unterstützung für Einzelkonzerte habe man von privaten Stiftungen oder von der Migros bekommen – und immer mal wieder «auch das eigene Portemonnaie gezückt».
Zuständig für feste Gelder wäre die Gemeinde – an dem Thema scheiterte aber das einzige Treffen der Pontem-Betreiber und der Gemeinde, vor rund zwei Jahren. Pontem habe in jenem Gespräch einen Beitrag gefordert, der «viel zu hoch» war, sagt der SVP-Gemeindepräsident. Er habe daher erklärt, «dass ein Gesuch aufgrund der üblichen Praxis eher geringe Chancen hätte».
Nein: Einen fixen Betrag habe man nicht gefordert, aber Betriebsbeiträge an St.Galler Institutionen zum Vergleich herangezogen: Kugl, Palace oder Grabenhalle, sagt Schneider dagegen. Und: «Es war zwar das einzige Treffen, aber bei weitem nicht der einzige Versuch mit der Gemeinde ins Gespräch zu kommen. Was soll man tun? Die Gemeinde stürmen?»
Hindernisse – und Missverständnisse?
Schneider und Selmi klagen über die Steine, die man ihnen in den Weg gelegt hat. «Wer nicht Steuern im Dorf zahlt, kann auch nicht auf Unterstützung rechnen»: Den Satz will Pontem-Sprecher Selmi gehört haben. Das habe er ganz sicher nicht gesagt, kontert Gemeindepräsident Andreani – allenfalls, dass es ein Vorteil wäre, wenn einer der Veranstalter im Dorf wohnen würde, «aber nicht wegen der Steuern». Die Kritik und die «Tonalität» von Seiten von Pontem überrasche ihn doch sehr, sagt Andreani.
Fazit von Pontem: «Man hat sich bemüht, ein Teil der Gemeinde zu werden und hat es letztlich nicht geschafft. Nach all der Arbeit das Gefühl zu bekommen, man sei unerwünscht, schmerzt zudem sehr.»
Fazit der Gemeinde: «Die Gemeinde sieht aus ihrer Sicht keine grösseren Hindernisse für weitere Veranstaltungen im Pontem und bedauert die Geschäftsaufgabe.»
Fazit des Kantons: «Wir sind Pontem grundsätzlich positiv gesinnt und haben eher Möglichkeiten gesucht, wie wir sie unterstützen könnten, als dass wir sie uns vom Hals halten wollten.»
Den langen Atem bewiesen
In Herisau fliesst der grosse Teil (laut Jahresrechnung 2014 über 700’000 Franken) des Kulturfördergeldes in das vom Amt für Volkswirtschaft betriebene gemeindeeigene «Kulturzentrum Herisau». Damit ist das Casino und das Alte Zeughaus gemeint. Einer der langjährigen Kulturaktivisten in Herisau, Thomas Schiltknecht von Kultur is Dorf, sieht neben dieser Dominanz des Casinos noch ein weiteres grundsätzliches Problem: Im Gemeinderat fehle ein Ressort Kultur – und damit das Interesse und das Know-How.
Kultur is Dorf erhält selber einen festen Jahresbeitrag der Gemeinde von 10’000 Franken. Als Aussenstehender denkt man sich: knausrig… denn immerhin bringt die Vereinigung seit rund 30 Jahren ehrenamtlich und in höchster Verlässlichkeit Kultur is Dorf. Doch zusammen mit den (kantonalen) Fördergeldern, die die Appenzeller Kulturkonferenz paritätisch auf ihre Mitglieder verteilt, mit Eintritten und Gönnerbeiträgen komme man über die Runden, sagt Schiltknecht. Und findet, ein solcher Jahresbeitrag wäre auch für Pontem wohl am Platz gewesen: «Sie haben etwas riskiert und den Beweis erbracht, dass sie einen langen Atem haben. Und für das Budget der Gemeinde, die sich gern als Kulturdorf rühmt, wäre ein solcher Beitrag Peanuts.»
Pontem macht weiter bis Sommer 2016.
Der nächste Anlass von Kultur is Dorf ist am 16. Januar im Alten Zeughaus: Kazalpin.