Spiel an die Grenzen
Im aktuellen Stück des Jugendtheaterclubs St.Gallen loten Jugendliche die Grenzen aus zwischen Spass und Ernst und führen eindrücklich vor, wie mächtig und fatal eine Gruppendynamik werden kann. Cathrin Caprez über «Russisch Roulette».

«Wir werden euch eine Geschichte erzählen; eine Geschichte aus vielen wahren Einzelgeschichten.» Mit diesen Worten begrüssen die zwölf Darsteller des Jugendtheaterclubs ihr Publikum im Studio des Stadttheaters St.Gallen. Unter der Leitung des Theaterpädagogen Mario Franchi und der Schauspielerin Diana Dengler hat das Jugendensemble das Stück «Russisch Roulette» entwickelt. Darin trifft sich eine Gruppe Jugendlicher auf einer halb-legalen Party, wo sich jeder und jede auf die eine oder andere Weise kennt. Eindrücklich demonstrieren die neun jungen Frauen und drei Männer, wie sich innerhalb der Gruppe eine immer mächtigere Dynamik entwickelt – und schliesslich ein fatales Ende nimmt.
«Russisch Roulette» ist bereits die vierte Zusammenarbeit von Franchi und Dengler. Die beiden verfolgen denselben Ansatz bei ihrer Arbeit mit dem jungen Ensemble: innerhalb der Vorgaben einer Storyline lassen sie den Jugendlichen sehr viel Freiraum bei der Entwicklung ihrer Rollen und Dialoge. Diese Art, Theater zu machen, sei sehr zeitaufwendig, meinen die beiden Leiter des Jugendtheaterclubs. Sie beginnt damit, erst einmal ein thematisch passendes Stück zu finden, welches dem Ensemble als Grundlage dient. Anhand von Improvisationen und Rollenspielen erhalten die Jugendlichen anschliessend Gelegenheit, ihre eigenen Erfahrungen und Ideen einzubringen. Als Voraussetzung für diese Arbeitsweise betonen Franchi und Dengler immer wieder das Vertrauen, das sich zwischen ihnen und den Jugendlichen, aber auch innerhalb des Ensembles entwickeln müsse.
Auf dem Höhepunkt des Stücks scheinen die jugendlichen Darsteller ihr Publikum vergessen zu haben. Mutig und authentisch führen sie vor, wie ihnen unter Gruppendruck scheinbar nur die Wahl bleibt zwischen Opfer und Täter, zwischen Mitmachen und Ausgeschlossensein. Natürlich spielten sie eine verdichtete Gruppe problematischer Jugendlicher, räumen die Darsteller nach dem begeisterten Schlussapplaus ein. Aber sie alle hätten persönlich oder im erweiterten Freundeskreis solche Geschichten erlebt oder erzählt bekommen. Den Jugendlichen ist denn auch anzumerken, dass sie sich über die Thematik ihres Stückes ausführlich Gedanken gemacht haben.
Keine Nachwuchssorgen
Der Jugendtheaterclub steht allen offen zwischen 16 und 20 Jahren, die sich fürs Theaterspielen interessieren. Der Andrang ist entsprechend gross, die Anzahl Teilnehmer aber auf ein gutes Dutzend beschränkt. Die Arbeit mit einer grösseren Gruppe wäre zu schwierig und zu aufwändig, begründet Franchi.
Die Bemühungen von Franchi und Dengler, den jungen Leuten den Spass am Theater zu vermitteln, scheinen Früchte zu tragen. Eine der jungen Frauen kann nächstes Jahr altersbedingt nicht mehr teilnehmen, würde am liebsten aber gleich ein eigenes Theaterprojekt aufziehen. Und einer der jungen Darsteller erntet rege Zustimmung, als er die wöchentlichen Proben als ein «Abschalten und Auftanken» bezeichnet – ganz im Sinne von Mario Franchi und Diana Dengler.
Bilder: Tine Edel
Letzte Vorstellung: Mi 28. Mai, 20 Uhr, Studio Theater St.Gallen
theatersg.ch/spielplan/russisch-roulette
Für Interessierte am Jugendtheaterclub:
theatersg.ch/mitmachen