Die Schweizer Livemusikszene ist in Schieflage. Viele Konzerte sind schlecht besucht, die Vorverkäufe laufen nur schleppend, weil viele Besucher:innen oft spontan entscheiden. Und die Barumsätze sind seit Corona in den meisten Lokalen eingebrochen. Das führt dazu, dass Konzerte bei zu wenig verkauften Tickets abgesagt werden, um den finanziellen Schaden in Grenzen zu halten, oder die Veranstalter:innen gewisse Bands gar nicht buchen, wenn sie sich deren Gagen beziehungsweise ein daraus resultierendes Minusgeschäft nicht leisten können. Und schlimmstenfalls führt es sogar dazu, dass Clubs und Konzertlokale schliessen müssen. Prominentestes Beispiel ist aktuell der Zürcher Club Mascotte, der Ende Juni nach 109 Jahren aufgrund von «massiven Umsatzeinbussen» seine Türen schliesst.
Nun fordert diese Entwicklung ein weiteres Opfer: Die Agentur Glad We Met mit Sitz in Baden hat kürzlich bekanntgegeben, den Betrieb Ende Jahr einzustellen. «Nach mehr als 2’500 gebuchten Konzerten haben wir uns entschieden, dieses Projekt per 31. Dezember 2025 zu beenden», heisst es in einer Meldung auf den Kanälen von Glad We Met. «Wir haben Kultur begleitet – oft täglich, meist nebenbei, selten finanziell lohnend, aber immer mit vollem Einsatz. Wir werden den Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, nicht mehr gerecht und sind erschöpft.»
Es ist eine traurige, ja erschütternde Nachricht. Und sie verdeutlicht ein strukturelles Problem, mit dem die Musikszene zu kämpfen hat. Denn während die kleinen Agenturen, Veranstaltungslokale und Künstler:innen um ihr Überleben kämpfen, gibt es wenige grosse Player, die im durchkommerzialisierten Livemusiksektor gutes Geld verdienen.
Eine Arbeit, die an Selbstausbeutung grenzt
Glad We Met entstand 2017 aus dem Zusammenschluss der drei Agenturen Breathing Hole aus Baden, Stagency aus Bern und Braise aus Lausanne. Heute macht Glad We Met mit einem Team von sechs Personen das Booking für rund 70 Künstler:innen und Bands, die Hälfte davon aus der Schweiz. Auch die Ostschweizer Acts Stahlberger, Lord Kesseli & The Drums und Pyrit gehören zum Artist Roster. Ihr Booker ist Fabian Mösch. Der 31-Jährige, der bis im Sommer 2022 Co-Betriebsleiter des St.Galler Kulturlokals Palace war, spricht von einem langfristigen Prozess, der zur Auflösung geführt habe: «Die Erkenntnis, dass es ökonomisch nicht funktioniert, ist nicht neu. Aber die Situation hat sich zugespitzt – wir haben keine Lösungen mehr für unser Businessmodell gefunden.»
Nicht neu ist auch das Wissen um das Prekariat in der Kulturszene – und dass die Politik wenig bis gar nichts unternimmt, um daran etwas zu ändern. Mösch erzählt, dass sich das Glad-We-Met-Team kaum Löhne auszahlen konnte, der Arbeitsaufwand hingegen sehr hoch gewesen sei. Dazu komme die ständige Erreichbarkeit. Er habe nach seinem Abgang beim Palace anfangs versucht, nur vom Job bei Glad We Met zu leben, aber es sei schnell «existenziell bedrohlich» geworden. Neben anderen kreativen Projekten arbeitet er inzwischen in Teilzeit bei Petzi, dem Dachverband der nicht-kommerziellen Schweizer Musikclubs und Festivals.
«Es braucht öffentliche Gelder»
Ein Teil dieser strukturellen Probleme sei auch, dass Agenturen wie Glad We Met keine Möglichkeit hätten, Subventionen von der öffentlichen Hand zu bekommen, um existenzsichernde Jobs zu haben, sagt Mösch. «Dabei verstehen wir unsere Arbeit als Kulturförderung und -vermittlung. Gerade weil es uns wichtig ist, nicht in erster Linie grosse Acts zu vertreten, sondern kleinere, die sonst durchs Raster fallen würden.»
«Wir verstehen unsere Arbeit als Kulturförderung und -vermittlung.»
Die Diskussion, inwieweit diese Dienstleistung gegenüber den Musiker:innen ebenfalls von der öffentlichen Hand entschädigt werden muss, werde man früher oder später führen müssen. Aber auch die Frage, wer Anspruch auf welche Räume habe und zu welchen Bedingungen. «Letztlich geht es ums Verständnis, was aus musikalischer Sicht relevant, aufregend, abenteuerlich ist.» Oder wie es in der Mitteilung von Glad We Met heisst: «Um eine vielfältige und unabhängige Musiklandschaft zu erhalten, brauchen wir Strukturen, die künstlerische Arbeit jenseits kommerzieller Logik unterstützen. Unabhängige Musik ist relevant – nicht nur kulturell, sondern auch gesellschaftlich. Wer Musik fragmentiert, ausbeutet und monopolisiert, kappt ihre Verbindungen.»
Lösungen für die Künstler:innen suchen
Bis Ende Jahr führt Glad We Met seine Aktivitäten normal weiter. Das bedeutet, dass bis dahin auch weiterhin Konzerte gebucht werden. Doch klar ist, dass das Ende von Glad We Met die betroffenen Künstler:innen und Bands vor eine ungewisse Zukunft stellt. Denn andere Bookingagenturen stehen nicht Schlange, um sie zu übernehmen – sie sind letztlich mit denselben Herausforderungen konfrontiert wie Glad We Met.
«Wir suchen mit allen unseren Künstler:innen eine Lösung und schauen, was sie brauchen», sagt Mösch. Einzelne müssten sich womöglich aber künftig selbst um das Booking kümmern. Das ist zum einen ein zusätzlicher administrativer Aufwand, zum anderen eine zusätzliche Hürde, weil Konzertanfragen von Agenturen bei vielen Veranstalter:innen ein ganz anderes Gewicht haben als jene von Bands, die man allenfalls gar nicht kennt.