keine Kommentare
Eine Wahl ohne Blumen
Winterthur hat gewählt: Im Grossen Gemeinderat ändern die Verhältnisse kaum, im Stadtrat zieht die SVP nach elf Jahren wieder in der Regierung ein – die seit 2006 bestehende links-grüne Mehrheit ist Geschichte. Wendelin Brühwiler kommentiert.
Nach den StandortFUCKtor-Protesten im letzten September machte eine Prognose die Runde: Zwei Personen würde dies die Wiederwahl sichern, dem AL-Gemeinderat David Berger und der FDP-Polizeivorsteherin Barbara Günthard-Maier. Nicolas Galladé, jugendlicher Polit-Veteran und seinerseits wiedergewählter Sozialvorsteher, der diese Ansage angeblich gemacht hat, sollte recht behalten.
Die Alternative Liste des von der Polizei verhafteten und vom «Blick» einem nationalen Publikum vorgestellten Informatikers Berger steigerte ihren Wähleranteil um fast die Hälfte. Die aus dem alternativen Lager angefeindete Günthard-Maier zog im Windschatten ihres konsequenten Images locker wieder in die Regierung ein. Was im zweiten Wahlgang der Ersatzwahlen vor gut eineinhalb Jahren, der sie ins Amt hievte, noch eine Handvoll Stimmen war, verwandelte sich in einen Vorsprung von rund 4500. Eine Geschichte nicht ohne Ironie, denn es war die taktische Rücksichtslosigkeit der Juso, deren chancenloser Kandidat den grünliberalen Fraktionspräsidenten Michael Zeugin wohl die entscheidende Unterstützung kostete.
Mitte-Rechts-Allianz funktioniert
Ein hauchdünner Vorsprung von einer einzigen Stimme hatte einst auch Pearl Pedergnana ins Amt gehievt. Die Sozialdemokratin wurde nun – und das ist die unter dem Strich gewichtigere Nachricht – als dienstälteste Stadträtin nach zwölfeinhalb Jahren abgewählt, und zwar klar. Ihr fehlten satte 1800 Stimmen auf Josef Lisibach, den Kandidaten der SVP, der mit verbindlichem, moderatem Image als Teil der bürgerlichen «Allianz starkes Winterthur» angetreten war.
In Winterthur hat mit der Wahl des Kantonspolizisten funktioniert, was in Zürich nicht richtig klappen will: Geschlossenheit im Mitte-rechts-Lager. Nach elf Jahren ist die SVP wieder mit in der Regierung. Mit Stefan Fritschi, Günthard-Maier (beide FDP) und dem Stadtpräsidenten Michael Künzle (CVP) ist die links-grüne Mehrheit, die seit 2006 bestand, Geschichte. Die SP-Vertreter Galladé und Yvonne Beutler sowie der Grüne Matthias Gfeller sind fortan in der Minderheit.
Im Grossen Gemeinderat, dem 60-köpfigen Parlament, ändern die Verhältnisse kaum. Auf der Ratslinken wechselt ein Sitz von der SP (15) zur AL (2), die Grünen bleiben bei ihrer Fünfervertretung. Im liberalen Spektrum hält die FDP ihre sieben Mandate, die GLP schliesst auf (neu 7, +1). Rechts bleibt die SVP bei 13 Mandaten, die SD fliegt raus. Einen Sitz weniger bekommt die CVP (4), die aber wie die EVP (4) die Fraktionsstärke hält. Neu ist neben der Piratenpartei und der EDU auch die BDP mit einem Sitz im Rat vertreten.
Den Parteien der Sparallianz, die sich im letzten Herbst um das Anliegen bildete, eine Steuererhöhung um alles in der Welt zu verhindern (in Erinnerung werden wohl weniger die Pauschalkürzungsanträge bleiben als die gestrichenen Beiträge für Schulreisen), bleibt eine komfortable Mehrheit im Parlament. Mit der Gewichtsverschiebung in der Exekutive wird allerdings die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sich unbedingter Sparwille schon in den Anträgen des Stadtrats deutlicher abzeichnet.
Die Alternative: Like Mike
Stadtpräsident Künzle, ehemaliger Staatsanwalt und Polizeivorsteher, blieb im Wahlkampf ohne Gegenkandidat, immerhin ein knappes Viertel der rund 25000 Stimmen entfielen dennoch auf Vereinzelte. Wie viele davon für SP-Finanzvorsteherin Yvonne Beutler abgegeben wurden, die sich, etwa im Zuge der Sparanstrengungen Effort 14+, als moderate Sachpolitikerin präsentiert, weist die Statistik nicht aus. Die einzige bekannte Alternative zu Künzle bleibt damit sein Double «Like Mike», eine Kunstfigur, die dem gemütlichen Präsidenten aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie äussert sich zum Politikgeschehen seit einigen Monaten über Facebook und Youtube, in einer Kolumne im Coucou und tritt auch auf der Strasse und an Veranstaltungen in Erscheinung.
Noch am Wahlabend gab Like Mike die Ämtliverteilung im neuen Verwaltungsgebäude (Superblock) bekannt: Lisibach soll von Pedergnana den WC-Job erben. Über die neue Verteilung der Departemente wird der Stadtrat alsbald entscheiden, dannzumal der echte. Aufgrund der nicht abreissenden Sparaufgaben erscheinen alle weniger attraktiv als auch schon. Dass der Lack etwas ab ist, zeigt auch der Umstand, dass am Sonntag die offiziellen Blumensträusse fürs Siegerfoto fehlten. Sie wurden weggespart.