Endstation

Nach gut drei Jahren muss die Station U6 Silberturm im St.Fiden-Quartier den Betrieb einstellen. Das Haus, in dem sich das Kulturlokal befindet, wird saniert. Davor wird aber noch einmal gefeiert.
Von  Corinne Riedener

Zum Schluss will es Philipp Bürkler noch einmal wissen. Unter dem Pseudonym Schlimmste Optimierung plant er eine 30-minütige experimentelle Performance mit sechs Plattenspielern. Dabei fügt der St.Galler Künstler und Journalist verschiedene Soundfragmente zu einer organischen Klanglandschaft zusammen. Einige Platten hat er eigens für diese Live-Komposition ersteigert, darunter alte Hi-Fi-Testplatten oder eine Schulungsplatte mit Herztönen aus den 70er-Jahren. Untermalt wird die Performance mit Visuals von Patrick Jost alias Elektromeier. Am Montag haben die beiden ein erstes Mal zusammen geübt.

Das Haus im Wandel der Zeit

Der Raum, in dem sich die performative Klanglandschaft am Donnerstagabend langsam aufbauen wird, ist wie geschaffen für solche Experimente. Er hatte schon viele Gesichter. Seit gut drei Jahren ist er ein Kulturlokal namens Station U6 Silberturm, davor war er ein Solarium und noch früher eine Quartiermetzgerei. Über die Jahre gingen da alle möglichen Menschen ein und aus, zuletzt vor allem Kulturaffine und politisch Interessierte.

Vom Palast der Hedonisten bis zur Schule für Form und Farbe: das fiktive St.Galler U-Bahn-Netz begrüsst die Gäste in der Station.

Bald heisst es hier Endstation. Das Haus an der Lindenstrasse 65 in St.Fiden soll saniert werden, und Bürkler, der die Station im Sommer 2021 eröffnet und regelmässig betrieben hat, muss das Lokal schliessen. Immerhin erst zwei Jahre später als gedacht. Ursprünglich war der Betrieb nur ein Jahr lang geplant.

Ende Oktober müssen nun aber endgültig alle Mieter:innen raus. Rund herum wurde schon reichlich Raum «verdichtet» und «aufgewertet», weitere Bauprojekte in der Nachbarschaft sind unterwegs, etwa auf dem ehemaligen Grossenbacher-Areal an der Oststrasse. St.Finden ist seit Jahren PIG, Planerisches Intensivgebiet. Das traditionelle Quartier im Osten der Stadt wird sich in den kommenden Jahren einmal mehr stark verändern.

Klimathemen, Verteilungsfragen, Zukunftsvisionen

Bürkler blickt auf eine reichhaltige Zeit zurück. Er hat in der Station zahlreiche Kulturveranstaltungen, Workshops, Partys und Performances organisiert. Die Künstler:innen aus diversen Genres und Sparten kamen oft aus der Region, aber immer wieder auch von weiter her, etwa aus Lettland, Kolumbien oder der Ukraine. «Es waren drei gute Jahre», sagt Bürkler. «Mit der Zeit hat sich eine richtige Community gebildet, und das künstlerische Niveau war zum Teil sehr hoch.»

Ein Herzstück der Station waren die Dialogformate. Rund 15 Gespräche mit Gästen hat der ehemalige Radiomann Bürkler zwischen Herbst 2021 und Frühling 2023 geführt und anschliessend als Podcast aufbereitet. Im Kern drehte es sich meist um progressive Gesellschaftspolitik; um Klimathemen, Verteilungsfragen, Zukunftsvisionen.

Unter anderem diskutierte Bürkler mit Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner über die öffentliche Beschaffungspolitik, mit neo-Stadtparlamentarierin Tatiana Pinto Cardoso über die postmigrantische Schweiz, mit dem HSG-Professor Ulrich Schmid über den «postmodernen Diktator» Putin, und das nur drei Wochen nach dem Russischen Einfall in die Ukraine, mit der feministischen Theologin Ina Praetorius über die Bedeutung von Care Arbeit für die Volkswirtschaft und mit Johannes Brunner vom Schweizerischen Architektenbund BSA über zukünftiges Bauen.

Terminus – The very last Stop

26. September: Experimental Turntablism, Performance mit Schlimmste Optimierung

27. September: Phyne, Electro-Pop, SG

28. September: Crowdfruits, Funky Low-Fi, SG

Türöffnung jeweils um 20 Uhr, Showtime um 21 Uhr.

stationtostation.ch

Ständig knapp bei Kasse

Im Frühling 2023 hat Bürkler die Talks auf Eis gelegt, weil Aufwand und Ertrag selten in einem Verhältnis standen. Allgemein sei die Finanzierung des Station-Programms zum Teil schwierig gewesen, sagt Bürkler. Gut 40’000 Franken habe er aus dem eigenen Sack gezahlt. Von Stiftungen und der öffentlichen Hand seien zwar immer wieder kleinere Beträge gesprochen worden, insgesamt aber nur rund 10’000 Franken über dreieinhalb Jahre. «Unser Budget war meist zu klein, um angemessene Gagen zu zahlen», sagt Bürkler. «Aber das ist ja leider nichts neues in der Kulturszene.»

Geld hin oder her, das Ende der Station soll richtig gefeiert werden. Den Start des dreitägigen Mini-Festivals am Donnerstag macht Bürkler als Schlimmste Optimierung – zum zweiten Mal überhaupt. Am Freitag ist Electro-Pop von Phyne zu hören, dem neuen Projekt von Sascha Tittmann und Benjamin Müller, bekannt von Herr Bitter und ParadigMan, sowie Christoph Biastoch. Den Abschluss am Samstag macht das Trio Crowdfruit. Sie spielen bereits zum zweiten Mal in der Station und kommen mit Bass, Gitarre, Synthesizer und Drumcomputer. Für den Ausklang sorgt Elektromeier.

 

Die Video-Installation mit der Rolltreppe lief anlässlich Eröffnung der Station im Sommer 2021