«Orte» steht als Wegmarke mit unverkennbaren Formen in der Literaturlandschaft. Zum 50-Jahr-Jubiläum geht es rund um «Orte» verstärkt publikumsintensiv und hörbar zu und her: Ausser den fünf regulären Ausgaben der Zeitschrift gibt es sieben Veranstaltungen, an denen Literatur zusammen mit Musik gelebt wird. Und neu gibt es einen Online-Baustein: einen für «Orte» charakteristisch ausgeformten literarischen Podcast, basierend auf den O-Tönen der Jubiläumsveranstaltungen. Elf Förderstellen unterstützen xdiese Aktionen.
Ganz aktuell: Am 3. September liest und singt in der Zürcher Wasserkirche der Schweizer Schriftsteller aus Island Joachim B. Schmidt aus der kürzlich erschienenen «Orte»-Ausgabe. Und dazu gehört auch eine alte Ballade aus Island, auf Isländisch und ins Churer-Rheintalische übersetzt gesungen. Ein Akt von «Orte» an einem Ort für «Orte». Literatur ganz nah und lebendig dargeboten.
Blick zurück
Werner Bucher, Verleger und Autor (1938–2019), hat die «Orte»-Literaturzeitschrift 1974 gegründet. Es war ein Willensakt, Literatur – namentlich auch Lyrik – auf eigene und geteilte Weise zu leben, abseits von modischen oder gar ausgetretenen Literaturpfaden. Gelesen, debattiert wurde – und wird bis heute – in der Beiz, Neues entsteht, Altes wird bewusst für Neues genutzt. Eine Erika-Burkart-Ausgabe, Dada-Hefte oder eine Ausgabe mit heutiger Lyrik aus Albanien gehören ebenso zum Programm wie Texte von jungen, noch unbekannten Autor:innen, wie beispielsweise derzeit aus dem Jungen Literaturlabor JULL in Zürich. In der Wirtschaft Rütegg in Oberegg AR, bis heute geführt von Werner Buchers Witwe Irene Bosshart, steht eine alte Musikbox. Beim Drücken auf eine der Tasten erklingt Werner Buchers Stimme, Lyrik aus den frühen 80er-Jahren – Spoken Words. «Orte» war und ist nie Mode, «Orte» ist Avantgarde.


Virgilio Masciadri, Werner Buchers jüngerer Weggefährte und Nachfolger, ging diesen Weg unbeirrt weiter, einen Bleistiftstummel in der feingliedrigen Hand (denn Literatur braucht Notizen), in die Redaktionsrunde in der Weinstube am Zürcher Central blickend (denn eine Literaturzeitschrift braucht Austausch), kritisch, konzentriert, unkonventionell.
Nach Virgilio Masciadris frühzeitigem Hinschied im Jahr 2014 spannten die Mitglieder der Redaktion weiterhin zusammen; der Verlag und die Zeitschrift sind seit 2015 unter dem Dach des umsichtig von Marcel Steiner gegründeten Verlagshauses Schwellbrunn; die Redaktionssitzungen finden bis heute am selben Ort in Zürich von Monat zu Monat statt. Eines der neun Redaktionsmitglieder ist schon seit Ende der siebziger Jahre dabei, ein anderes erst seit drei Jahren – Kontinuität und neue Formen, Beharrlichkeit und fliegende Gedanken bestimmen «Orte» von Ausgabe zu Ausgabe. Die Worte, die Zeilen, die Sprache haben ihren Wert. Man ist literarisch und auch unternehmerisch nicht anders, um anders zu sein, sondern weil es anders nicht geht, will man «Orte» sein – und bleiben.
Blick nach vorne
In den nächsten Monaten, bis Ende des Jahres, folgen noch zwei Jubiläumsthemen: «Buchhandlungen – Geschichten ziehen Wände» und «Unterwegs im Zug & das literarische Olten», mit Veranstaltungen dazu in Zürich, Bern und Olten. Musikalisch wird der Akkordeonist Tom Egger in das Thema «Buchhandlungen» eingebunden; für das letzte Jubiläumsthema wird die Roma-Musikgruppe Ssassa Ende November am Bahnhof Olten aufspielen, durch die Stadt ziehen und dann die lesenden Autor:innen vor Ort begleiten. Auch diese O-Töne werden im zweiten «Orte»-Podcast zu hören sein, im Tonstudio kontextualisiert von Sprecherin Karin Pfammatter, ab Mitte Dezember dieses Jahres über Google Ads distribuiert.
Und noch etwas weiter in die Zukunft geschaut: Nach dem Jubiläumsjahr wird es in der stets neuen alten Manier weitergehen, Personen-Ausgaben, Schweizer Literatur mit Neuentdeckungen, Poesie aus anderen Kulturen. Die enge Verbindung mit Musik wird weiterverfolgt. Für den Podcast gibt es bereits weitere Ideen. Der sorgsame Umgang mit dem treuen Stamm von Abonnent:innen und die Zusammenarbeit mit ebenso treuen, renommierten Schweizer Autor:innen sind und bleiben wichtig für «Orte».
Für eine zusätzliche Distribution wird sich «Orte» von Ausgabe zu Ausgabe neue Wege bahnen, sein (Zusatz-)Publikum je nach Thema definieren und finden. Die Basis ist die langjährige Erfahrung, die ungebrochene Motivation sowie der Spürsinn für neue literarische Verbindungen und Formen.
Viviane Egli, 1956, ist Schriftstellerin, Inhaberin einer Kommunikationsagentur und Mitglied der «Orte»-Redaktion. Sie ist in St.Gallen aufgewachsen und lebt heute in Zürich.
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