Vor der Machtergreifung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) 1933 gab es noch keine Ableger in der Ostschweiz, sondern nur unpolitische Landsmannschaften. Wilhelm Gustloff, der spätere Landesleiter der NSDAP in der Schweiz, baute hier die Grundlagen für die Aktivitäten der Partei auf.
Bereits im Januar 1936 feierten die Nationalsozialisten in St.Gallen im Kongresshaus Schützengarten – einige als Braunhemden der Sturmabteilung (SA), dem paramilitärischen Arm der Partei, erkennbar – den «Tag der Machtergreifung» der NSDAP. Organisiert hatte das Ganze das deutsche Konsulat.
Programmabende im «Deutschen Heim»
Die Nationalsozialisten wollten die in der Ostschweiz lebenden Deutschen in ihre Ideologie und ihre Partei einbinden. Nationalsozialistische Ortsgruppen organisierten regelmässig Programmabende. Gefeiert wurde etwa der «Tag der nationalen Arbeit» oder «Führers Geburtstag». Die Veranstaltungen sollten die allgemeine Stimmung heben und die Volksgemeinschaft erleb- und fühlbar machen. Diese Art der faschistischen Gemeinschaftsbildung war einer der zentralen Pfeiler nationalsozialistischer Herrschaft. Sie dienten aber auch karitativen Zwecken. So fand zum Beispiel alljährlich das sogenannte «Eintopfessen» statt, deren Erträge ins «Winterhilfswerk» (Reichsdeutschenhilfe in der Schweiz) flossen.
Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen war für die in der Ostschweiz lebenden Deutschen Pflicht. 1942 war wohl etwa die Hälfte der 80’000 Deutschen in der Schweiz in NS-Organisationen eingebunden. Die NSDAP war bestrebt, die «Volksgemeinschaft», wie es in der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten hiess, auch im Ausland zusammenzuhalten und ideologisch zu indoktrinieren. Wenn die «reichsdeutschen Volksgenossen» ideologisch gefestigt auftraten, gab es keine Probleme. Wenn sie aus Sicht der Partei aber zu wenig Engagement an den Tag legten, drohte man ihnen Probleme bei der Einreise ins Dritte Reich an. Schliesslich sandte das Propagandaministerium in Berlin eigens Personal in die Schweiz, um die Veranstaltungen durchzuführen.

Im Ökonomiegebäude unmittelbar neben der Villa Rosenhof am Höhenweg in St.Gallen, im Volksmund «Villa Wahnsinn» genannt, war zwischenzeitlich das deutsche Konsulat untergebracht. Die Polizei räumte die Räumlichkeiten am späteren Standort – ebenso wie die Klubhütte bei Ebnat-Kappel – erst am Tag der deutschen Kapitulation auf Geheiss des Bundesrats. (Bild: Stadtarchiv / PA Steigmeier, AF205)
Die Anlässe in St.Gallen waren gut besucht, zum Teil mit rund 2000 Personen. Grössere Veranstaltungen fanden zwischen 1933 und 1945 meistens im «Schützen garten» statt. Regelmässige Treffen und Schulungen fanden darüber hinaus im so genannten «Deutschen Heim» statt, das zunächst an der Teufenerstrasse 5 untergebracht war und ab 1940 in grössere Räumlichkeiten an der nahe gelegenen Haldenstrasse 1 verlegt wurde.
Das grösste «Deutsche Heim» in der Schweiz stand in Basel, im Volksmund das «Braune Haus» genannt. Die Umtriebe der Nationalsozialisten in der Stadt führten im mer wieder zu Spannungen und Konflikten mit der Basler Lokalbevölkerung. In Schaffhausen hingegen hatten die Nationalsozialisten eine Liegenschaft an der Fäsenstaubstrasse 43 gekauft. Diese diente den Zollbeamten auch als Wohnstätte. In kleineren Ortschaften, an denen kein Deutsches Heim zur Verfügung stand, fanden die NS-Treffen in Privatwohnungen oder Restaurants statt. 1941 wurde in St.Margrethen ebenfalls ein Deutsches Heim eröffnet.
Die Reichsdeutsche Jugend in der Ostschweiz
Fast in der gesamten Schweiz hatten die reichsdeutschen Jungen und «Mädel» ihre Standorte. Zu ihren besten Zeiten brachten sie es auf 47 Ableger. In der Ostschweiz waren sie etwa in Frauenfeld, Arbon, Amriswil, Rorschach, St.Gallen, Wil, Werdenberg, Glarus, Kreuzlingen, Schaffhausen, St.Margrethen, St.Moritz oder Davos zu finden. Die Reichsdeutsche Jugend (RDJ) war unterteilt in Jungvolk, Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel und Jungmädel. In St.Gallen soll sie auf dem Zenit ungefähr 150 Mitglieder umfasst haben.
Im Institut Rosenberg, der damals grössten Privatschule der Schweiz, war die Hälfte der Schülerschaft deutsche Reichsangehörige. Gemäss dem Historiker Martin J. Bucher, der ein Buch zur reichsdeutschen Jugend in der Schweiz geschrieben hat, sympathisierten zeitweise die Direktoren des Instituts mit den Nationalsozialisten. Das deutsche Konsulat befand sich ab 1938 unweit vom Institut, nämlich direkt neben der Villa Rosenhof, im Volksmund «Villa Wahnsinn», am Höhenweg auf Höhe der Kinderfestwiese. Auch das Verhältnis zum deutschen Konsul Freiherr von Falkenhausen soll gut gewesen sein. Jedenfalls kam es zu Vertragsabschlüssen, damit das Institut reichsdeutsche Schüler aufnehmen konnte, wobei das Institut dem Dritten Reich in den Konditionen entgegenkam.
Die Polizei beobachtete das Geschehen genau. Gemäss ihren Informationen bestand ein grosser Teil der RDJ in St.Gallen aus Schülern des Instituts. Es soll gar zu einem Spionagefall gekommen sein, bei dem deutsche Schüler Informationen über militärische Anlagen an Stellen des Dritten Reichs weitergereicht hätten. Nach dem Krieg war diese Episode allerdings schnell vergessen.
Wie die RDJ Druck auf eigene Mitglieder ausübte und ihnen dabei schadete, davon berichtet der vom Historiker Bucher entdeckte Fall von Kurt Merkt aus St.Margrethen. Merkt trat mit 13 Jahren der RDJ Rheintal bei. Als der bisherige Standortführer Eugen Klaiber 1943 zur Wehrmacht ging, wurde Merkt nahegelegt, diesem in der Leitungsfunktion nachzufolgen. Merkt lehnte ab. Offiziell schob er schulische Gründe vor. Dennoch wurde er im Herbst 1943 gegen seinen Willen zum Standortführer ernannt. Nachdem die RDJ 1945 verboten wurde, sollte Kurt Merkt aus der Schweiz ausgewiesen werden. Dieser wehrte sich mit einem Wiedererwägungsgesuch. Obwohl ausser seiner Funktion als Standortführer nichts gegen ihn vorlag und selbst der Regierungsrat für seinen Verbleib plädierte, wurde Merkts Gesuch abgelehnt. Er musste am 20. Septem ber 1945 die Schweiz verlassen. Der junge Gymnasiast stand kurz vor dem Abschluss der Kantonsschule in St.Gallen. Die Schweiz wies als symbolischen Akt zwischen 1945 und 1946 rund 2000 Nationalsozialist:innen aus, 1000 konnten nach erfolgreichen Rekursen in der Schweiz bleiben.



Einträge aus dem Hüttenbuch der Stangenhütte oberhalb von Ebnat-Kappel, wo die Reichsdeutsche Jugend diverse Anlässe und Lager durchführte. (Bilder: Staatsarchiv St.Gallen)

Treffen und Schulungen der RDJ im städtischen Gebiet führten zu Unmut der Anwohner:innen. Aber auch in ländlichen Gebieten wurde die Jugendorganisation beobachtet. Oberhalb von Ebnat-Kappel konnte die RDJ 1942 eine Klubhaushütte für Standortführertagungen und andere Treffen nutzen. Die Kantonspolizei liess trotz Falschaussagen der RDJ, die den Anlass harmlos aussehen lassen sollten, das Treffen überwachen. An solchen angeblich harmlosen Ausflügen, die zum Beispiel auch als Skiausflug getarnt waren, wurden, wie die Kantonspolizei feststellte, gleichzeitig auch Schulungen durchgeführt.
Verbote durch städtische und kantonale Behörden
Interessanterweise wies St.Gallen im Vergleich zu anderen Kantonen und im Gegensatz auch zur Linie des Bundes eine klare Haltung auf. Immer wieder wurden Veranstaltungen der reichsdeutschen Jugend, aber auch von nationalsozialistischen Organisationen der Erwachsenen verboten. Selbst der mehrfache Protest des deutschen Konsulats vermochte die Haltung der kantonalen Verantwortlichen nicht zu ändern.
Zum Beispiel wurde eine geplante Rede von Artur Axmann, Reichsjugendführer des Dritten Reiches, der höchsten Stelle in der Hitlerjugend, die für die ideologische Schulung der deutschen Jugend verantwortlich war, in St.Gallen untersagt. Die nationalsozialistische Agitation sei dem Schweizer Empfinden fremd und würde nicht zu den hier geltenden demokratischen Werten passen, lautete die Begründung der Behörden. In Rorschach verbot der Schulrat sogar als einzige Behörde im Kanton die Hitlerjugend, der in der Stadt am Bodensee 20 Jungen und 6 Mädchen angehörten.
In anderen Städten konnten solche Reden stattfinden. Das lag aber auch daran, dass das Eidgenössische Politische Departement erst 1935 Richtlinien für den Umgang mit ausländischen Rednern herausgab. Manchmal schritt der Bund auch gegen die kantonalen Verbote von nationalsozialistischen Veranstaltungen ein und der jeweilige Kanton musste einlenken. Der St.Galler Polizeidirektor Valentin Keel wollte zum Beispiel 1941 ein RDJ-Lager in Oberhelfenschwil nicht bewilligen. Argumentativ geschickt konnte er ins Feld führen, dass das in der Karwoche stattfindende Lager das st.gallische Sonntagsruhegesetz störe. Ein Telegramm des Gesamtbundesrats an das Polizeidepartement kippte den Entscheid jedoch und zwang die Behörden zur Bewilligung des Anlasses.
1936 kam es zum Verbot der Landes- sowie der Kreisleitungen der NSDAP (aber nicht der Partei an sich), worauf die Nationalsozialisten die Leitungen formal an die Auslandsorganisation der Partei (NSDAP/AO) anknüpften und diese damit zumindest offiziell autonom wurden. In der Organisation und Koordination wirkten aber de facto die deutschen Konsulate massgeblich mit.
Ermordung des NS-Landesleiters in Davos
Der bereits erwähnte Wilhelm Gustloff (1895–1936) war von 1932 bis 1936 Landesleiter der NSDAP in der Schweiz, wohnte in Davos und arbeitete dort am 1907 gegründeten Physikalisch-Meteorologischen Observatorium. David Frankfurter, ein jüdischer Student aus Jugoslawien, erschoss Gustloff am 4. Februar 1936 in dessen Wohnung. Frankfurter stellte sich der Polizei freiwillig und war geständig. Seine Tat habe eigentlich Hitler gegolten, soll er gesagt haben. Er wurde zu 18 Jahren Zuchthaus und zu einem lebenslangen Landesverweis verurteilt. Hitler und Goebbels sandten Kondolenztelegramme. Die NSDAP liess prominente Trauerredner einreisen, etwa Ernst Wilhelm Bohle, den Leiter der Auslandsabteilung der NSDAP. Die Partei nannte Gustloff einen «Märtyrer der Bewegung».
Die heftige Reaktion des Dritten Reiches bewies, welche Bedeutung den Auslandsorganisationen auch in der Schweiz zukam. Das deutsche Propagandaministerium gab jedenfalls eine Broschüre zum Fall in Auftrag. Die Broschüre erschien unter dem Titel Der Fall Gustloff, Autor war Wolfgang Diewerge. Darin wurden die Schweizer Zeitungen als «Hetzblätter» diffamiert, die eine deutschfeindliche Stimmung verbreiten würden. Nur die Frontisten würden sich nicht an dieser Hetze beteiligen. Somit trage die Presse Mitverantwortung für die Ermordung von Gustloff.
Frontistische Zeitungen assistierten bei den Vorwür fen, so etwa der «Grenzbote», eine in Stein am Rhein produzierte Zeitung. Sie stand im Dienst der Neuen Front, später der Nationalen Front und der Nationalen Gemeinschaft Schaffhausen. Chefredakteure waren Hans Kläui und Hermann Eisenhut. Die Zeitung meinte in einem Artikel vom 6. Februar 1936, die Urheber des Attentats ausfindig gemacht zu haben, nämlich die «Roten»:
«Die eigentlichen Verantwortlichen (...) sitzen in den Redaktionsstuben der verluderten Marxistenpresse und jener sogenannt bürgerlichen Blätter, die ihre ekeler regende Kriecherei vor dem roten Untermenschentum so lange betreiben und dessen schamlose Hetze gegen Deutschland so lange wohlwollend unterstützen, bis das schweizerische Bürgertum von der roten Mordkommune eines Tages an die Strassenlaterne aufgeknüpft und nach russischem Vorbild viehisch abgeschlachtet wird.»
Die Antwort der übrigen Schweizer Presse liess nicht auf sich warten. Sie lehnte eine solche Darstellung, dass ihre Berichterstattung Hetze sei, entschieden ab. In der Schweiz herrsche Pressefreiheit. In der «Gazette de Lausanne» hiess es etwa am 8. Februar 1936: «La liberté d’opinion (...) et de la presse existe heureusement encore en Suisse.» Zudem wurde der Patriotismus der Fronten in Frage gestellt, die sich so willfährig einer ausländischen Macht unterstellten und dem Ansehen der Schweiz schaden würden.

Wilhelm Gustloff, ab 1932 Landesleiter der NSDAP in der Schweiz, wurde 1936 in Davos ermordet. (Bild: pd)

Reichsjugendführer und oberster Chef der Hitlerjugend Artur Axmann wollte vor der RDJ in St.Gallen eine Rede halten. Die St.Galler Behörden verhinderten den Anlass. (Bild: pd)
Die Tat selbst wurde trotz bekundeter Ablehnung des Nationalsozialismus in der Ostschweizer Presse verurteilt. Der «Oberegger Anzeiger» aus Appenzell Innerrhoden erklärte beispielsweise, dass auch ohne Sympathie für das Opfer und dessen Gesinnung eine solche Tat verabscheuungswürdig sei. Der «Thurgauische Bote vom Untersee und Rhein» beklagte, dass eine solche Tat den Juden in Deutschland schaden würde. In der «Engadiner Post» sprach man trotz gegensätzlicher politischer Anschauungen von einer empörenden Tat. Auch beim Bundesrat war die Angst gross, dass sich die deutschschweizerischen Beziehungen verschlechtern könnten. Bundesrat Giuseppe Motta, Chef des Politischen Departements, liess dem Gesandten in Bern sein Beileid und seine Empörung über den Anschlag mitteilen.
Der Zorn der Nationalsozialisten entlud sich aber nicht nur publizistisch und nicht nur gegen die Presse. In der Zürcher Tonhalle sollen im Februar 1936 rund 1500 Personen zu einem Protest zusammengekommen sein. Redner waren ETH-Dozent Ernst Brandenberger, der spätere Mitgründer der Nationalen Bewegung Schweiz, Wolf Wirz, und der Landesführer der Nationalen Front, Rolf Henne. Die Reden wetteiferten in ihren antisemitischen Tiraden untereinander. Formuliert wurden auch Forderungen an den Bundesrat: «Hinaus mit den Emigranten» und «sofortige Sperre der Grenzen für jüdische Einwanderer». Die Nationale Front gab ein Flugblatt heraus: «Einmal und nie wieder – ein Juden-Chaos!» und forderte «Juden Hinaus!».
Denkmal für deutsche Soldaten in St.Gallen?
Das deutsche Konsulat in St.Gallen war äusserst umtriebig. Es leitete und organisierte etwa Ortsgruppen der reichsdeutschen Jugend. Einigen Aufruhr erweckte der Versuch nationalsozialistischer Akteure, mithilfe des Konsulats ein Soldatendenkmal in St.Gallen zu errichten. Das beabsichtigte «Kriegerdenkmal» sollte der im Ersten Weltkrieg gefallenen und der in der Schweiz internierten deutschen Soldaten gedenken. Die Ortsgruppe St.Gallen des «Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge» wollte 1937 an der Speicherstrasse ein Grundstück erwerben, um eine imposante Gräberstätte zu errichten, wie der frühere St.Galler Stadtarchivar Ernst Ziegler nachgewiesen hat.
Widerstand kam dabei vom Polizeidepartement in St.Gallen und vom Regierungsrat. Sie signalisierten klar, dass das Anliegen ohne Wenn und Aber abzulehnen sei. Das Eidgenössische Politische Departement, dem das Gesuch für den Bau des Denkmals weitergeleitet worden war, riet dem deutschen Konsulat, das offiziell nichts mit dem Bauanliegen zu tun hatte, das Gesuch zurückzuziehen. Falls dies nicht geschehe, empfahl er den kantonalen Behörden ebenfalls die Ablehnung.
Das Anliegen kam auch bei der St.Galler Bevölkerung nicht gut an. Schnell formierte sich Widerstand, der sich in mehreren Zeitungsartikeln manifestierte. Darin wurde auch die Rolle des deutschen Konsulats als «Bureau für nationalsozialistische Agitation» kritisiert, wie es etwa in der sozialdemokratischen «Volksstimme» hiess. Auch in anderen Zeitungen wurde moniert, ein solches Denkmal wäre nicht nur «unschweizerisch», sondern als politisches Symbol auch eine Provokation. Das Ansinnen wurde abgelehnt. Man verwies auf die Möglichkeit, auf den vorhandenen Fried höfen eine reguläre Grabstätte zu errichten. Absagen für ähnliche Baugesuche erhielten die Nationalsozialisten auch in Teufen und Speicher.
Nach 1945: Entnazifizierungsforderungen bringen Wahlerfolg
Ab 1944 nahm das nationalsozialistische Engagement in der Schweiz merklich ab. Angesichts der schlechten Nachrichten von den Kriegsfronten im Osten und Westen und der bevorstehenden Kriegsniederlage verdüsterte sich die Stimmung und die Teilnahmefreudigkeit liess nach. Durchhalteparolen und Aufforderungen zu mehr Aktivismus der «Gauleitungen» sind auch im Thurgau, in St.Gallen und beiden Appenzell nachgewiesen.
Bei absehbarem Kriegsende machte sich das deutsche Konsulat unter Graf Joachim von Hohenthal, der es seit 1943 führte, am 3. Mai 1945 daran, hunderte Akten zur vernichten. Behilflich war Mario Karrer, der mit einem Auto zum Konsulat fuhr, um die Akten abzuholen und sie dann zusammen mit Konsulatsmitarbeitern nach Thal zu fahren und dort zu vernichten. Gesehen hatte ihn ein ehemaliger Stadtpolizist Max Fässler, der damals in Thal im Militärdienst war.
Parallel dazu wurden Stimmen laut, die eine Ausweisung der Nationalsozialisten forderten. Die 1944 gegründete Nachfolgerin der vier Jahre zuvor verbotenen Kommunistischen Partei Schweiz, die Partei der Arbeit (PdA), eroberte bei den Grossratswahlen 1945 in St.Gallen drei Sitze und in Rorschach einen. Auch in den Gemeinderatswahlen in St.Gallen kam sie auf vier Sitze. Ihr Wahlerfolg rührte auch daher, dass sie eine klare Linie gegenüber den Nationalsozialisten gefordert hatte.
Auch die SP verzeichnete zwei Sitze mehr bei den Grossratswahlen. An einer Versammlung der SP und der Gewerkschaften forderte unter anderem der SP-Politiker und Jurist Harald Huber, dass die Polizei, das Militär und die Industrie von Nationalsozialisten «gesäubert» und die Nazis aus der Schweiz ausgewiesen werden sollten. Mässigende Stimmen machten auf die 47 bereits ausgewiesenen Nazis aufmerksam, womit der Kanton St.Gallen schweizweit die meisten Ausweisungen vorgenommen habe. Es müssten aber alle 150 aktiven Nationalsozialisten St.Gallen verlassen. Den Reden sollen im Schützengarten-Saal 2000 Zuhörer gelauscht haben.
Literatur:
Martin J. Bucher: «Führer, wir stehen zu dir!». Die Reichsdeutsche Jugend in der Schweiz, 1931–1945. Chronos Verlag, Zürich 2021.
Ernst Ziegler: Die Stadt St.Gallen in den dreissiger Jahren, S. 23–44, in: Rorschacher Neujahrsblatt 1982, 72. Jg.
Ernst Ziegler: Als der Krieg zu Ende war ... Zur Geschichte der Stadt St.Gallen von
1935 bis 1945, Vorlesungsmanuskript 1995 Universität St.Gallen. Sabon-Verlag, St.Gallen 1996.