, 8. April 2020
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Das Weltbild der Igel

Statt als Bühnenstück coronabedingt als Podcast: Schauspieler Marcus Schäfer und Musiker Willi Häne haben «Das Weltbild der Igel» nach dem Buch von Peter Kurzeck eingespielt.

«Und wisst ihr noch, wie das ist, wenn man als Kind an so einem Sommerabend bei offenem Fenster in den Schlaf hineinträumt?» Schon mit dem ersten Satz ist er angeschlagen, der typische Peter-Kurzeck-Ton. Plaudernd, aber nicht gemütlich, sondern ganz genau und kein Wort zuviel. So wie es auch die Igel halten, von denen Kurzeck (1943-2013) in seinem Erinnerungsbuch «Das Weltbild der Igel» erzählt.

Die Igel lassen sich Zeit, mehrere Wochen lang, vom Tal unten den Hang hoch, vom Sommerquartier bis zum Winterlogis oben am Waldrand, gehen traditionalistisch und eigensinnig ihre seit jeher begangenen Wege – bis ihnen die neue Strasse an die Existenz geht. Aber das ist erst später.

Jetzt, im ersten von vier Teilen, die der Schauspieler Marcus Schäfer und der Musiker Willi Häne aufnehmen und im Wochentakt als Podcast veröffentlichen, ist die Igel-Welt und die Welt des Kindes Peter Kurzeck, damals im Oberhessischen in den 1950er-Jahren, noch in Ordnung. Am Hang findet sich alles, was das Igelherz begehrt: Morgentau im Gras, Schnecken, Mäuse mit Wacholderbeeren, faule Äpfel, Birnen und Pflaumen, Käfer, Larven, wilden Kümmel, Pilze. Und vergorene Sommerbeeren für ihre «Andachten», bei denen ihnen leicht angesäuselt in den Sinn kommt, dass sie eigentlich an die Unsterblichkeit glauben wollten.

Kurzecks Igel sind so heitere wie tiefsinnige Lebewesen, sie mögen Kinder und die Kinder mögen sie, sie schimpfen über den Zaun rund ums neue Schwimmbad und lassen sich von ihm nicht abhalten, es gibt Eigenbrötler unter ihnen, Romantiker und Abenteurer. Die oberhessischen Igel wissen seit ewigen Zeiten, dass sie nützlich sind – bis es eben, eines Tages, mit dieser Nützlichkeit vorbei sein wird. Vielleicht deshalb kann der Erzähler nicht anders: «Man muss immer von ihnen sprechen.»

Das Weltbild der Igel ist als Bühnenstück konzipiert. Marcus Schäfer liest, Willi Häne spielt, Tine und Jurek Edel erweitern den Text um Bilder. Jetzt, coronabedingt, fallen Auftritte mit dem Programm weg. Der Podcast soll einen Ersatz dafür bieten. (Su.)

Blackbox heisst die neue Rubrik auf saiten.ch. Ihre Einführung ist der Corona-Krise geschuldet. Der Kulturbetrieb steht seit Mitte März still, Konzerthäuser, Theater, Kinos, Museen, Clubs: geschlossen. Für das Publikum ist das schade, für viele Kulturschaffende weit mehr: eine existentielle Bedrohung. Die Saiten-Blackbox macht drum eine Bühne auf für Bilder, Texte, Filmbeiträge, Songs und anderes. Kein Streamen um jeden Preis, sondern Originale sollen hier zu sehen und zu hören sein, kurz kommentiert, erklärt oder einfach so. Und dies – soweit zumindest der Plan – über Corona hinaus.

 

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