Abschied von Oskar-ajan
Kaufmännischer Leiter des Stadttheaters, Inhaber von Kostüm-Jäger, aktiv in der Stadtmusik und im Fasnachtskomitee, in der Kellerbühne und im Schweizerischen Bühnenverband und und und: An Oskar Fritschi kam im kulturellen St.Gallen niemand vorbei. Viele hätten eine Anekdote mit ihm und über ihn zu erzählen – ein paar davon hat er selber erzählt, 1993, kurz nach seiner Pensionierung, in einem fiktiven Interview mit Nestroys «Lumpazivagabundus» im Jahrbuch Gallusstadt 1993.
So etwa die frühe Faszination für Musik und Theater. Als Fladeschüler verkaufte Oskar Theater-Tombolalose; mit dem Gutschein fürs Stehparterre, den er dafür erhielt, lernte er «das ganze Musiktheater-Repertoire und das Ensemble unseres alten, heimeligen Theaters am Bohl kennen». Seine «nicht zu übersehende musische Veranlagung» habe ihm zwar nicht zu seinem kindlichen Traumberuf (Paukist) verholfen, und auch in der Stadtmusik habe er rasch feststellen müssen, dass es «viel bessere Trompeter, aber wahrscheinlich nicht viele schlechtere» gab. So lernte er einen seriösen Beruf, wurde Buchhalter – und kam auf Umwegen doch noch an den Ort seiner musischen Träume: ans Stadttheater St.Gallen.
1967 bis 1991, eine halbe Ewigkeit war Oskar Fritschi kaufmännischer Direktor und damit Vorgänger des heutigen Direktors Werner Signer. «Das stete Bemühen, Geld dem Geist dienstbar zu machen, fand ich besonders erstrebenswert», erzählt Fritschi dem Lumpazivagabundus. Als er anfing in St.Gallen, seien die Gagen an die Künstler noch an der Billetkasse ausbezahlt worden; das Publikum habe so jeden Monat bereits in der Warteschlange «persönlichen» Kontakt zu den Künstlern gehabt. Oder: Sein St.Galler Jobprofil wurde am Anfang gleich masslos erweitert – Fritschi wurde das Rechnungswesen von Stadttheater, Konzertverein, Olma und Kellerbühne aufgehalst, heute unvorstellbar. Erst 1979 erhielt die Olma eine eigene Verwaltung.
Im fiktiven Dialog mit Lumpazi geht es ähnlich munter weiter.
Lumpazi: Ist es wahr, dass du einmal im Verwaltungsrat ausgerufen hattest: «Das Theater ist doch keine Nudelfabrik»?
Oskar: Ja, dieses Beispiel habe ich immer dann angeführt, wenn es darum ging, neuen Verwaltungsräten darzulegen, dass am Theater andere finanztechnische Überlegungen zu machen sind als in der Privatwirtschaft. Wenn in einer Nudelfabrik eine Sorte nicht rentiert, wird überlegt, ob sie aus dem Sortiment genommen wewrden muss. Wenn beim «Hamlet» Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis stehen, kann man nicht sagen: «Nie wieder Shakespeare.»
Und zum Finanzgebaren der Direktoren witzelt Oskar in Anspielung auf die damals viel diskutierte Schleiertanz-Nacktszene in Strauss‘ «Salome» in der Ära Zörner: «Sehr kooperativ war diesbezüglich Dr. Zörner. Zur Überbrückung von finanziellen Engpässen liess er jeweils möglichst viele Kostüme weg, ich ging mit den Preisen rauf, und die Kasse stimmte wieder.»
Dann wird er noch einmal grundsätzlich: «Ich weiss: Das Theater benötigt beachtliche Subventionen. Dem Steuerzahler ist jedoch zuwenig bewusst, dass diese Beiträge kein Einbahnverkehr vom Staat zu den Kulturinstitutionen sind, sondern einen regen Zirkulationsverkehr zwischen Staat, Instituten, Wirtschaft und Privatpersonen auslösen.» Kurzum: «Ohne ein qualitativ hochstehendes Theater- und Konzertleben in der Metropole der Ostschweiz würde die Schweiz tatsächlich in Winterthur aufhören.»
Oskars Wort in der Steuerzahler und Stimmbürgerinnen Ohr! Wie diese Woche bekannt geworden ist, ist Oskar Fritschi am 5. Februar 89jährig gestorben. In den letzten Jahren hatte man ihn auf den St.Galler Gassen trotz zunehmender Gebrechlichkeit immer wieder angetroffen, zuletzt mit dem Rollator unterwegs. Heute Freitag um 10 Uhr findet die Abdankung auf dem Ostfriedhof St.Gallen statt.