Nach der Matura hat Kathrin Loppacher sich entschlossen, es gleich wie Elisabeth Kopp zu machen: ab in den Militärdienst. «Mein Ziel war es immer, gleiche Rechte und Pflichten für alle zu schaffen, und ich begann mit den gleichen Pflichten.» Ob sie es heute wieder machen würde, weiss sie nicht. «Ich war unter den 200 in der Kompanie die einzige Frau. Es war eine harte, aber lehrreiche Schule.»
Heute ist sie Leiterin Academy und Office Management bei der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell sowie engagiert als Co-Präsidentin der FDP Frauen Kanton St.Gallen, Mutter und Co-Initiantin des Vereins Helvetia spricht. Dieser ist ein Zusammenschluss verschiedener Frauenorganisationen aus der Ostschweiz.
Vorbilder wie die erste Bundesrätin gibt es viele – auch in der Ostschweiz. Man muss sie nur sichtbar machen. Deshalb lancierte Helvetia spricht die Referentinnenplattform Alphaberta. Loppacher weiss, dass der Bedarf gerade in der Ostschweiz gross ist: «Über 70 Prozent von den referierenden Menschen auf unseren Bühnen sind männlich. Viele Frauen sagen ab, weil sie sich zu Unrecht nicht für die idealen Referentinnen halten.» Gerade bei Events, die von Männern organisiert werden, fehle es oft an Frauen, da Veranstalter in ihren eigenen Netzwerken nach Know-how suchen. Alphaberta ist inzwischen eine Plattform mit Expertinnen aus allen Bereichen der Gesellschaft.
Beim Aufbau des Projekts führte Loppacher dutzende Gespräche mit den Frauen, die auf der Plattform sind. «Ich war inspiriert und wir fanden, dass diese Geschichten weitergetragen werden müssen.» Der Podcast «Berta & Gamma» entstand. In der ersten Folge vom 8. März 2024 begrüsste Moderatorin Sabrina Lehmann die St.Galler Journalistin Eveline Falk. Sie habe laut Loppacher gezögert, die Anfrage anzunehmen, doch ein Zitat von Gabriela Manser habe sie überzeugt: «Frauen müssen in die Öffentlichkeit, um andere Frauen zu inspirieren.»
Männer in der Verantwortung
Seither findet immer am ersten Donnerstag im Monat eine weitere Ausgabe statt, wo jeweils zwei Folgen vor Livepublikum aufgezeichnet werden. «Das ist jeden Monat ein Highlight für mich, die Gespräche entwickeln sich oft in überraschende Richtungen», sagt Loppacher. Nach einer der ersten Folgen befürchtete ein Zuhörer zwar, es würde Männer-Bashing betrieben. «Dabei geht es in den Gesprächen oft gar nicht um Männer. Und wenn, dann wird beispielsweise darüber gesprochen, wie wichtig es ist, einen unterstützenden Partner zu haben.» Für eine gerechtere Gesellschaft brauche es schliesslich alle.
Etwa 15 Prozent des Publikums ist männlich. «Das darf gerne mehr sein. Wir wollen aufzeigen, mit welchen Problemen Frauen noch zu kämpfen haben und auf welche Arten man sie unterstützen kann.» Doch Diskussionen wie jene ums angebliche Männer-Bashing seien nicht zielführend. «Ich versuche natürlich immer, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Aber wenn es nur um einen Schlagabtausch geht, ist mir die Zeit zu schade.» Klar sei aber auch, dass Männer ihren Teil zur Gleichberechtigung leisten müssten, weswegen man auf ihre Unterstützung, Privilegien und Netzwerke angewiesen sei.
Mit Vorbildern inspirieren
Die Gespräche in «Berta & Gamma» sind nah bei den Menschen. «Es geht darum, die feministischen Diskurse mit lokalen Vorbildern und ihren Geschichten zu ergänzen, praktische Tipps zu geben und über Herausforderungen zu reden», sagt Loppacher. Es ist vielleicht ein weniger intellektueller Zugang zu Feminismus. Wir wollen inspirieren und Feminismus so thematisieren, dass er keine Abwehrhaltungen auslöst.»
Ist in der aktuellen Weltlage der Feminismus nicht sogar selbst in der Defensive? «Vor ein paar Jahren war Bush noch der schlimmste Präsident, den ich mir hätte vorstellen können. Nun hat mit Trump die Polemik und auch das Beschränken von Frauenrechten neue Dimensionen erreicht.» Hierzulande sei das Tempo etwas gemächlicher. Das habe jetzt auch Vorteile, denn das Bewusstsein für Feminismus komme – gerade in der Ostschweiz – zwar langsamer, aber es komme. Die grosse violette Welle vom Streik im Jahr 2019 habe hier vielleicht einige nicht erfasst. «Auch wenn sich hier Trumpisten die Hände reiben und auf einen konservativen Aufschwung hoffen, glaube ich, dass es nicht einfach wird, das Selbstverständnis vieler Frauen wieder wegzunehmen.»
Das Podcast-Projekt ist für weitere 29 Folgen finanziert, insgesamt gibt es so 55 Folgen. Ob es danach weitergeht, ist laut Kathrin Loppacher unklar: «Ich mache die Projektleitung ehrenamtlich. Doch wir wollten nicht in die typische Frauenprojektfalle tappen, wo dann alles gratis gemacht wird.» Die Produktion, Social-Media-Arbeit und Moderation erhalten einen Unkostenbeitrag. Die Liste möglicher Podcastgäste sei lang, und die Vision von der Gleichstellung der Geschlechter wohl auch nach 55 Folgen noch nicht Realität.
«Berta & Gamma»: Aufzeichnung der nächsten Podcast-Folge mit den Unternehmerinnen Christin Walser und Caroline Studer am 12. Juni, 19 Uhr, Collektiv St.Gallen.
berta-gamma.ch