Im Auftrag des Basses

Vor zehn Jahren entstand in St.Gallen das Local Bass Movement, ein Kollektiv von Drum-’n’-Bass-DJs und -Produzenten, die allen Liebhaber:innen des Genres eine Heimat bieten wollten. Dieses Wochenende wird der runde Geburtstag mit einer Party gefeiert.
Von  David Gadze

Tiefe Bässe, die durch den ganzen Körper dringen. Peitschende Beats, die mit bis zu 180 BPM (Beats pro Minute) den Puls in einem Dauerhoch halten. Zischende Hi-Hats und messerscharfe Samples, die sich unablässig und unbarmherzig in die Gehörgänge bohren. Das sind die Zutaten für Drum ’n’ Bass. Anfang der 90er-Jahre in England aus der Jungle-Szene entstanden, schwappte diese neue Welle der elektronischen Musik bald auf alle Kontinente über.

Aus dieser weltweiten Bewegung entstand vor zehn Jahren in St.Gallen das Local Bass Movement (LBM). Damals schlossen sich ein paar Enthusiasten zusammen, um allen Liebhaber:innen dieser Musik eine Plattform zu geben: Roger Berhalter alias nice nice und Urs Wild (damals JD, inzwischen OctaState) sowie Indra Testolin (SNES), die alle auch eigene Tracks produzieren. Inzwischen auf sieben Mitglieder angewachsen, feiert LBM diesen Samstag in der Tankstell-Bar in St.Gallen seinen runden Geburtstag.

Ein Versuch als Auftakt

Die Geburtsstunde des Local Bass Movement war gewissermassen die Schliessung des Clubs CMC an der St.Galler Metzgergasse im September 2014. Berhalter und Wild, die schon in den Nullerjahren als Duo ¡Bassda! gemeinsam Drum ’n’ Bass produzierten (mit Live-Drums!), legten im CMC regelmässig auf, auch an der Abschiedsparty. «Wir hatten dort einige der besten, aber auch ganz schlimme Abende und Nächte», sagt Berhalter. An manchen war der Laden proppenvoll, an anderen verlor sich kaum jemand in den Keller.

 

Kurz nach dem Ende des CMC riefen Berhalter, Wild und Testolin das Local Bass Movement ins Leben, wenig später stiess Valandi Batsilas alias Rumble hinzu. Anfang 2015 fand die erste Party unter dem LBM-Label in der Tankstell-Bar statt, «ein Versuch», wie Berhalter sagt. Ein Versuch, der auf sehr positive Resonanz stiess und LBM «mega Schub» gab, sodass daraus schliesslich eine regelmässige Reihe entstand. In der kleinen Bar an der Teufener Strasse bildete sich eine Community, die immer grösser wurde. Bald spielte das Kollektiv in diversen Lokalen in der Stadt und der Region, und es lud regelmässig Gäste ein wie den St.Galler Rapper Doppia Erre oder den Wiler Produzenten Thedawn (Nils Halter).

Generationenwechsel nach der Pandemie

Doch der Schwung, den sich die LBM-Crew über die Jahre geholte hatte, war mit Ausbruch der Coronapandemie praktisch von einem Tag auf den anderen Weg. Das Quartett nutzte die Pause, um sich neu zu organisieren. Doch es blieb die Frage, wie es weitergehen würde – und ob überhaupt. «Da war die Befürchtung, dass die Leute die Clubkultur verlernen würden während der Pandemie», sagt Berhalter. Und: «Ich sah lange die Gefahr, dass es plötzlich vorbei sein könnte, wenn Publikum und DJs zusammen älter werden. Denn die meisten machen es nicht bis 50.» Doch als die Clubs nach der Aufhebung der Coronamassnahmen im Frühling 2022 wieder öffneten, war das Publikum verjüngt.

Und nicht nur das: Auch eine neue Generation von Drum-’n’-Bass-DJs war plötzlich da. «Wir hatten uns vor Corona immer wieder gefragt, wo der Nachwuchs ist.» Das Local Bass Movement begann, sich mit den jungen DJs zu connecten und sie an ihre Anlässe einzuladen. Seit diesem Jahr gehörten drei von ihnen fest zur Crew: Leaneye (Lenithan Thilagarajah), anotha90skid (Eileen Boscardin) und Manitu Marianna Galiková). Dadurch sei das Local Bass Movement auch stilistisch vielfältiger geworden, sagt Berhalter. Leaneye und anotha90skid würden beispielsweise auch Dubstep einbringen.

Wie gross das Interesse an Drum ’n’ Bass heute (wieder) ist, zeigte sich Anfang März: Damals veranstaltete LBM eine Party in der Grabenhalle – und am gleichen Abend fand im knapp 100 Meter entfernten Palace ebenfalls ein Drum-’n’-Bass-Abend statt, an dem LTJ Bukem live auftrat, eine Pionierfigur des Genres. Resultat: Ein ausverkauftes Palace und über 300 Besucher:innen am LBM-Anlass in der Grabenhalle. Für Berhalter, der auch die Nächte im fast leeren CMC erlebt hatte, war es ein ganz spezielles Erlebnis zu sehen, dass so viele Menschen die Leidenschaft des LBM-Kollektivs teilen: «Alle tanzten in derselben Nacht in derselben Stadt zur gleichen Musik, der Wahnsinn!»

Künftig mehr Musik veröffentlichen

Inzwischen hat sich Local Bass Movement als Drum-’n’-Bass-Label in der Untergrund-Szene etabliert und ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Die DJs legen regelmässig auch in Clubs in Winterthur, Chur oder Zürich auf. Und 2023 fand es eine neue Heimat in der Øya-Bar, wo es regelmässig Partys veranstaltet und Gäste einlädt, um frisch zu bleiben. «Wir haben keinen Businessplan, sondern machen einfach, weil es uns immer noch verdammt viel Spass macht», sagt Berhalter. «Drum ’n’ Bass entwickelt sich Tune für Tune, und so haben auch wir immer nur die nächste Party im Kopf.» Doch das Ziel sei, künftig mehr eigene Musik zu veröffentlichen, anstatt sie nur an den Partys zu spielen.

Doch erstmal geht es jetzt zurück an den Ort, wo im Januar 2015 mit der ersten LBM-Party alles begann: in die Tankstell-Bar. Dort servieren alle sieben LBM-Mitglieder bis mitten in der Nacht tiefe Bässe, peitschende Beats, zischende Hi-Hats und messerscharfe Samples. Und leisten so ihren Beitrag dazu, dass die Welle niemals abebbt.

 

Local Bass Movement Jubiläumsparty: 2. November, 21 Uhr, Tankstell-Bar St.Gallen; weiterer Auftritt: 23. November, 20 Uhr, Rümpeltum St.Gallen.

Instagram: @local_bass_movement