Ins Waaghaus kommt Leben

Das Erdgeschoss des Waaghauses. (Bild: Su.) 

Vom 7. Juni bis 7. September wird das St.Galler Waaghaus zum Kulturhaus. «Waaghaus wagt» heisst das interdisziplinäre Festival im Zeichen von Teilhabe und Vermittlung. Noch fehlt Geld, ein Crowdfunding soll helfen.

Vor 18 Jah­ren hat sie das Waag­haus ken­nen­ge­lernt. Da­mals führ­te sie ihr Weg zum Pro­be­spiel beim Sin­fo­nie­or­ches­ter in der Ton­hal­le am ehr­wür­di­gen Ge­bäu­de vor­bei, des­sen Tor­bo­gen da­mals noch of­fen­stan­den. Ele­na Neff Zhun­ke war be­ein­druckt – doch seit­her kaum je wie­der dort. Für sie wie für die meis­ten St.Gal­ler:in­nen ist das Waag­haus Ku­lis­se, ein Wahr­zei­chen der Stadt zwar, mit dem sie aber we­nig ver­bin­det.

Das soll sich än­dern. Die Stadt hat ei­nen Pro­zess in drei Etap­pen in Gang ge­setzt, mit dem das Waag­haus be­lebt, als öf­fent­li­cher Ort ge­nutzt und dann auch re­no­viert wer­den soll. Die ers­te Etap­pe, ei­ne auf die Som­mer­mo­na­te be­fris­te­te kul­tu­rel­le oder ge­werb­li­che Zwi­schen­nut­zung, ist letz­tes Jahr aus­ge­schrie­ben wor­den. Und das Pro­jekt der ukrai­nisch-schwei­ze­ri­schen Gei­ge­rin und ih­res Teams hat die Stadt über­zeugt. «Waag­haus wagt» heisst ihr mehr­mo­na­ti­ges Pro­gramm. 

Am 7. Ju­ni geht es los mit «Bal­lads & Mo­re», ge­spielt von ei­nem klas­si­schen Streich­quar­tett und ei­nem Jazz­quar­tett. Bis zum 7. Sep­tem­ber sind über 25 Ver­an­stal­tun­gen ge­plant mit rund hun­dert Mit­wir­ken­den aus al­len Spar­ten, aus Mu­sik, Tanz, Schau­spiel, Kunst, Li­te­ra­tur. Ein «Fes­ti­val der Sin­ne» nennt es Ele­na Neff Zhun­ke – «vol­ler Be­geg­nun­gen, Über­ra­schun­gen, Emo­tio­nen und neu­er Per­spek­ti­ven». 

«Fu­sio­nen» al­ler Art

Das Fes­ti­val hat ei­nen mu­si­ka­li­schen Schwer­punkt, will aber aus­drück­lich kei­ne «rei­nen» Kon­zer­te bie­ten, son­dern Spar­ten­gren­zen auf­bre­chen. So trifft Tan­go auf Klas­sik, das Loe­we Quar­tett lädt «auf ei­nen Drink mit Schu­bert», ita­lie­ni­sche Ari­en er­klin­gen zur Wein­de­gus­ta­ti­on. Mit­glie­der des Sin­fo­nie­or­ches­ters St.Gal­len spie­len ne­ben in­ter­na­tio­na­len Gäs­ten, dar­un­ter das hoch­ge­lob­te Pa­ri­ser Kla­vier­trio Zadig. 

Die Fes­ti­val­lei­te­rin hat mit der St.Gal­ler Sin­fo­ni­et­ta be­reits vor Jah­ren ein schwei­ze­risch-ukrai­ni­sches Or­ches­ter ins Le­ben ge­ru­fen und lädt jetzt be­freun­de­te Mu­si­ker:in­nen ein – teils le­ben sie seit lan­gem in der Schweiz, teils sind sie nach dem rus­si­schen Über­fall in das Land emi­griert. Zu hö­ren sind auch Wer­ke ukrai­ni­scher Kom­po­nist:in­nen. 

Elena Neff Zhunke, die künstlerische Leiterin des Festivals. (Bild: pd/Kanton St.Gallen)

Pop, Rock und Jazz sind ih­rer­seits ver­tre­ten, mit Love­boy and His Ima­gi­na­ry Fri­ends, Ca­fé De­se­a­do, Trom­pe­ter Mi­cha­el Neff und wei­te­ren klin­gen­den Jazz­na­men wie Na­tha­lie Maer­ten, Mar­kus Bi­schof und an­de­ren. Für In­klu­si­on steht die jun­ge Band Mo­ril­lon aus Wil und der seh­be­hin­der­te Sin­ger-Song­wri­ter Gerd Bin­ge­mann.

Ein Abend un­ter dem Ti­tel «Con­den­sed» bringt Ril­ke und Ra­vel zu­sam­men, mu­si­ka­lisch, li­te­ra­risch und ge­tanzt. Die «Nacht­ge­stal­ten» von Ja­ros­lav Ru­dis ma­chen das Waag­haus un­si­cher. Kam­mer­mu­sik trifft Ur­ban Sound­scapes, Le­sun­gen wer­den mit Tanz er­wei­tert, acht Cel­lis­ten spie­len Film­mu­sik, Live-Vi­su­als, Per­for­mance, ein Au­dio-Walk und mehr ge­hö­ren zum Kon­zept. 

Wich­tig war es den In­iti­ant:in­nen, jun­ge Ta­len­te ins Waag­haus zu brin­gen. Da­zu ge­hö­ren Mo­mo­ko und Eli­as Bert­hold und Mau­rice Ge­ro­sa, die ein au­dio­vi­su­el­les und elek­tro­ni­sches Ge­samt­kunst­werk ei­gens für das Waag­haus kre­ieren, oder die Song­wri­te­rin Ana Lou, die ihr De­büt­al­bum Litt­le Vil­lain In Me prä­sen­tiert. Zu­dem sind Sing-, Zei­chen- und Thea­ter-La­bors und ein Mit­mach­kon­zert für Kin­der und Ju­gend­li­che ge­plant. 

Ver­mitt­lung ist das ei­ne – fai­re Ga­gen sind das an­de­re. Das Fes­ti­val will glei­che Löh­ne für al­le, ob an­ge­stellt oder frei­schaf­fend, ga­ran­tie­ren. «Al­le in ei­nem Haus, al­le ge­mein­sam», das ist Ele­na Neff Zhun­kes Cre­do. 

Letz­te Ta­ge im Crowd­fun­ding

Die Fi­nan­zie­rung ei­nes sol­chen Gross­an­las­ses ist ein Kraft­akt. «In un­se­rer Zeit ist es nicht ein­fach, Spon­so­ren zu fin­den», sagt die In­iti­an­tin. Die Stadt zahlt 10’000 Fran­ken an das Pro­jekt, Stif­tun­gen, Fir­men und pri­va­te Un­ter­stüt­zer:in­nen sind eben­falls da­bei, aber da­mit sei erst ein Teil der Kos­ten ge­deckt. «Waag­haus wagt» hat da­her ein Crowd­fun­ding ge­star­tet. 20’000 Fran­ken sol­len zu­sam­men­kom­men, die Ak­ti­on läuft noch bis En­de Mai. Hier geht es zur Kam­pa­gne

Die An­läs­se fin­den zum ei­nen im Raum im Ober­ge­schoss statt, vis-à-vis des Saals, in dem das Stadt­par­la­ment tagt. Zum an­de­ren soll aber auch das Erd­ge­schoss be­spielt wer­den. Dort sei zwar der Ver­kehr zu hö­ren, aber da­für füh­le man sich «halb draus­sen», was für Ele­na Neff Zhun­ke zum Spi­rit des gan­zen Fes­ti­vals bes­tens passt. «Waag­haus wagt» wol­le nicht eli­tär, son­dern nie­der­schwel­lig und al­len zu­gäng­lich sein. Das al­te Ge­mäu­er kön­ne zum «neu­en kul­tu­rel­len Wohn­zim­mer» der Stadt wer­den, sagt Vio­li­nis­tin Gwen­do­li­ne Rouil­ler im Wer­be­film zur Crowd­fun­ding-Kam­pa­gne.


Fes­ti­val Waag­haus wagt: 7. Ju­ni bis 7. Sep­tem­ber, Waag­haus St.Gal­len
waag­haus-wagt.ch