, 11. September 2015
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Pedro Lehmann finden im Wald die Ruhe nach dem Hype

2013 wurden Pedro Lehmann als Indie-Hoffnung durch die Medien gereicht – dann wurde es still um das Duo aus Altstätten. Den Rückzug haben Pedro Lehmann auf ihrem ersten Album Forestal nun zum Konzept gemacht.

Live kann es bei Pedro Lehmann auch mal krachen, auf der Platte ist eher Ruhe angesagt. (Bild: pd)

Mit einem Knall waren Pedro Lehmann ans Tageslicht getreten: 2013 gewann die Band aus Altstätten mit Hurricane den Hauptpreis «Demo of the Year» am m4music – dem wichtigsten Festival der Schweizer Popszene und Musikindustrie. Über 700 Bands hatten sich dafür beworben.

«Ich wäre jetzt lieber zu Hause, im Proberaum», sagte Sänger und Gitarrist Yannick Gächter damals noch kurz vor der Preisverleihung zum «Rheintaler».

Der Song zum Nachhören:

Diese Haltung passt bis heute. Medial angeheizte Aufregung ist nicht Pedro Lehmanns Welt. Nach der Überraschung 2013 surften Gächter und sein Drummer Sven Wüst zwar einige Zeit auf der Welle: Es folgte ein Auftritt am Openair St.Gallen, im Palace durften Pedro Lehmann die Band Okkervil River rund um den genialen Songschreiber Will Sheff supporten.

Hurricane wurde währenddessen fleissig im Radio gespielt, «20 Minuten» schrieb von Pedro Lehmann als «Schweizer Musiker, die auch international den Durchbruch schaffen können».

Stattdessen wurden die Gigs langsam weniger und um Pedro Lehmann wurde es ruhiger.

Aus dem Keller

Nun treten Pedro Lehmann wieder aus dem Keller, in dem sie in Altstätten jeweils proben: In wenigen Tagen erscheint ihr Debütalbum Forestal. 

Warum erst jetzt? «Wir wollten uns vom kurzfristigen Hype nicht stressen lassen. Wichtig ist, dass wir mit der jetzt entstandenen Musik glücklich sind», sagt Yannick Gächter.

Und da Gächter mittlerweile in Zürich lebt, hat das Erarbeiten neuer Songs auch etwas mehr Zeit gebraucht: Er und Wüst tauschten Songschnipsel online aus, zum richtigen Proben treffen sie sich aber nach wie vor in Altstätten. «Da wir unsere Songs auch live zu zweit aufführen, mussten wir sie teilweise fast neu erfinden», sagt Gächter.

Live kommt fast alles weg, was auf dem Album mitklingt, wie etwa Synthies. «Live kracht es schon auch mehr», sagt Gächter und lacht. Davon überzeugen kann man sich etwa dieses Wochenende am Weihern Unplugged, wo Pedro Lehmann am Samstag Headliner ist.

Ein Album als Krisengeschichte

Auf Forestal allerdings ist die Grundstimmung ruhig bis melancholisch mit nur vereinzelten lauten Ausbrüchen. Es ist ein rätselhaftes Konzeptalbum geworden, das die Kunstfigur Pedro Lehmann ins Zentrum stellt. «Die Figur erwecken wir mit unserer Musik zum Leben», sagt Gächter, näher erklären kann oder will er das gar nicht.

 

Sven Wüest (links, drums) und Yannick Gächter (Git/Voc) sind Pedro Lehmann. (Bild: pd)

Sven Wüst (links, drums) und Yannick Gächter (Git/Voc) sind Pedro Lehmann. (Bild: pd)

Nun denn: Pedro Lehmann, die Kunstfigur, hat offenbar eine Lebenskrise. In elf Songs wird seine ungewisse Reise vertont. Enstanden ist sphärischer bis bombastischer Indie-Pop. Die Songs beginnen gerne leise und steigern sich in weltschmerzigen Crescendos zum Schluss. Prägend ist Gächters unglaublich wandelbare Stimme: Beim Hören denkt man mal an Noel Gallagher (etwa im Song Fog), mal an Tom Smith von den Editors (Truth). Dann wieder packt Gächter seine tiefsten, düster gefärbten Töne aus und besingt in Gambler den Tiefpunkt von Pedros Reise. «I’m all alone…», klagt dieser zuerst und schreit er zuletzt voller echt wirkender Verzweiflung – und verschwindet in den Wald.

Auf dem Grat der Melancholie

Forestal ist ein Album, das in vielen guten Momenten unter anderem an die oben erwähnten Herren erinnert. In wenigen schlechten Momenten aber auch an Kitsch-Pop à la Coldplay (Hope). Aber wenn man auf dem Grat der Melancholie wandert, wie Pedro Lehmann es tun, darf man auch mal kippen. Lobenswert ist, dass sich die Band nach solchen Momenten auch fängt und wieder kantig tönt.

Die Single You don’t know my mind ist das zugänglichste Stück auf dem Album. Sie wird zusammen mit einem aufwendig animierten Videoclip veröffentlicht – und könnte fast vergessen machen, was Forestal im Grunde ist: ein düsterer Soundtrack für den Herbst und danach den wie immer ewigen Winter.

 

Pedro Lehmann. Forestal. Lehmann Records.

Live zu sehen am Freitag, 11. Dezember, Palace St.Gallen.

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