, 3. April 2013
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Profitlogik bei der SBB

Stolperstein für die Bahnhofsabstimmung am 9. Juni? Beim geplanten Umbau des St.Galler Hauptbahnhofs regiert der Kommerz auf Kosten der Reisenden. 

Am 9. Juni stimmen wir über die Neugestaltung des Bahnhofplatzes ab. Aber nicht nur. Wer Ja sagt, sagt auch Ja zum Versuch, den Hauptbahnhof in ein Einkaufszentrum zu verwandeln. Die Pläne der SBB erwecken gar den Eindruck, als stünde dieses Ziel im Vordergrund – und nicht die Verbesserung der Situation für die Reisenden.

Laut SBB sollen in der Schalterhalle zusätzliche Verkaufsflächen geschaffen werden. Obwohl die meisten Reisenden vom Bahnhofplatz her ins Gebäude strömen, sollen die Billettschalter weiter nach Westen verlegt werden. Dorthin, wo jetzt der Avec-Shop steht. Dafür rücken die Geschäfte nach vorne zu den Passantenströmen. Wer also ein Ticket vom Schalter braucht, muss einen weiteren Weg zurücklegen, vorbei an allen Läden. Shops als Schikane.

Markus Streckeisen von SBB Immobilien räumt ein, dass man den Bahnhof «kommerziell aufwerten» will. Nach der Logik der Immobilienentwickler, die heute das Sagen haben, sind Reisende vor allem Kunden, die kaufen. Da kann es nicht schaden, wenn sie ein paar Schritte mehr an Geschäften vorbeilaufen müssen. Wie in Läden, an denen man Schlange laufen muss bis zur Kasse. Der Bahnhofumbau folgt der Profitlogik und nicht dem Mobilitätsbedürfnis. Trotzdem wird stets die Aufwertung der Mobilität beschworen.

Die Bundesbahnen scheffeln mit der Umwandlung von Bahnhöfen in Shopping-Center viel Geld. Die Zuwachsraten sind traumhaft. Der Betriebsertrag aller Bahnhöfe stieg im Jahr 2012 auf 870 Millionen Franken (+8,9%). Die Mietverträge von Dritten brachten 379 Millionen Franken ein ( +16,4%). Allein die Convenience-Läden mit Fertiggerichten und Schnellfood liefern 127 Mio. Franken. Die SBB will nun auch aus dem achtgrössten Bahnhof der Schweiz mehr Ertrag herauspressen.

Angefangen hat die Kommerzlogik im Jahr 2003. In der Generaldirektion hatte man erkannt, dass in Bahnhöfen enorme Standortvorteile schlummern. Urs Schlegel, Leiter SBB Immobilien, schwärmt vom «einzigartigen Portfolio». Es entstand das Konzept «RailCity», das auf Grossbahnhöfe an Toplagen abzielte. Inzwischen wurde diese Marke, reines Managerdeutsch, wieder aufgegeben. Doch die Kommerzialisierung grösserer Bahnhöfe wird bis heute mit Sanierungen von jährlich 160 Millionen Franken vorangetrieben. Vorbild ist das einträgliche «Shopville», das an den Zürcher HB angehängte Einkaufszentrum unter der Erde.

Die SBB Immobilien sind zur Milchkuh geworden, die möglichst viel Ertrag abwerfen soll, damit CEO Andreas Meyer die teuren Löcher im vernachlässigten Unterhalt der Netzinfrastruktur besser stopfen kann.

Die Stadt macht in diesem Reigen kritiklos mit. Patrizia Adam und Fredy Brunner priesen die Umbaupläne als wichtigen Beitrag zu einer «nachhaltigen Verkehrsentwicklung». Floskeln, die niemand mehr ernst nimmt, weil sie die Stadt mit ihrer mutlosen Verkehrspolitik selbst entwertet hat.

Was stimmen wir am 9. Juni? Ja oder Nein?

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