Von Rorschach aus in den Rest der Schweiz

Die Rorschacher Band Waterback am «Rorschach Unplugged» 2023 im Kornhaus. (Bilder: pd) 

«Rorschach Unplugged» findet dieses Wochenende zum vierten Mal statt. Das akustische Konzertformat aus der Hafenstadt am Bodensee hat dieses Jahr einen ersten Ableger in Winterthur gefunden. 2026 sollen weitere Städte hinzukommen.

Akus­ti­sche Kon­zer­te kön­nen ei­nen ganz be­son­de­ren Reiz ha­ben. Vor al­lem von Mu­si­ker:in­nen oder Bands, die nor­ma­ler­wei­se auf ver­stärk­ten In­stru­men­ten spie­len. In akus­ti­schem Ge­wand, auf ih­re Es­senz re­du­ziert und neu ar­ran­giert, ent­fal­ten ih­re Songs ei­ne ganz be­son­de­re No­te. Nicht um­sonst er­freut sich das For­mat «MTV Un­plug­ged», bei dem zahl­rei­che Grös­sen der Rock- und Pop-Sze­ne ih­re Mu­sik neu in­ter­pre­tier­ten, seit den 90er-Jah­ren und bis heu­te gros­ser Be­liebt­heit. Aus der Schweiz ha­ben bis­lang Pa­tent Ochs­ner und Stress ein «MTV Un­plug­ged»-Kon­zert ge­spielt. Und in Zer­matt fin­det seit 2007 ein «Un­plug­ged»-Fes­ti­val statt. 

Den Akus­tik-Zau­ber gibt es seit 2022 auch in Ror­schach live zu er­le­ben, in klei­ner Form zwar, aber nicht min­der in­ter­es­sant, eher im Ge­gen­teil: das Fes­ti­val «Ror­schach Un­plug­ged». Nun geht es in die vier­te Run­de: Die­sen Frei­tag und Sams­tag tre­ten wie­der mehr als ein Dut­zend Acts auf. Wie es der Na­me schon sagt, spie­len Mu­si­ker:in­nen aus­schliess­lich auf akus­ti­schen In­stru­men­ten, mi­ni­mal ver­stärkt für das Pu­bli­kum. Sti­lis­ti­sche Gren­zen gibt es nicht, nur zeit­li­che: Je­der Auf­tritt dau­ert 20 Mi­nu­ten. Das zwei­tä­gi­ge Fes­ti­val soll aus­ser­dem ei­ne Platt­form für re­gio­na­le Mu­si­ker:in­nen sein, um sich ei­nem brei­te­ren Pu­bli­kum vor­zu­stel­len und un­ter­ein­an­der zu ver­net­zen. Wo­bei in­zwi­schen auch über­re­gio­na­le Acts auf­tre­ten – und «Ror­schach Un­plug­ged» Ab­le­ger in an­de­ren Schwei­zer Städ­ten hat. 

Zwi­schen Wän­den aus Bier­ha­ras­sen 

«Ror­schach Un­plug­ged» ent­stand auf In­itia­ti­ve von Ro­man El­se­ner, Sän­ger der Ror­scha­cher In­die-Band The Ro­man Games, und Kul­tur­ver­mitt­ler Ri­chard Leh­ner von der Kle­be­rei. «Mir ge­fiel die­ser Ort un­glaub­lich gut. Ich fand, er sei per­fekt, um im Win­ter et­was Akus­ti­sches auf die Bei­ne zu stel­len», er­zählt El­se­ner. Ge­sagt, ge­tan. Doch die ers­te Aus­tra­gung 2022 war zu­gleich der letz­te An­lass in der Kle­be­rei, die Zwi­schen­nut­zung in der ehe­ma­li­gen Sti­cke­rei­fa­brik Feld­müh­le ging da­mit über­ra­schend früh zu En­de. Seit­her fin­det «Ror­schach Un­plug­ged» im Korn­haus statt, dies­mal wie­der – wie be­reits 2023 – in der La­ger­hal­le von Korn­haus­bräu, «vor Wän­den aus Bier­ha­ras­sen», wie El­se­ner sagt. Der Ein­tritt ist kos­ten­los, es gibt ei­ne Kol­lek­te. 

Die Ein­nah­men vom Frei­tag spen­den die Or­ga­ni­sa­tor:in­nen voll­um­fäng­lich für den Wie­der­auf­bau der Bad­hüt­te, die En­de 2024 kom­plett ab­ge­brannt war – und für Ro­man El­se­ner, den «Heim­weh-Ror­scha­cher», der seit fast 30 Jah­ren in New York lebt, ein Sehn­suchts­ort war. Ih­re Wie­der­her­stel­lung kos­tet knapp 6 Mil­lio­nen Fran­ken, wie die­se Wo­che be­kannt wur­de. Die Fi­nan­zie­rung ist noch nicht ge­si­chert. 

Ein Abend im Zei­chen der Bad­hüt­te 

Da­zu passt das Frei­tags­pro­gramm: Lap­se Of Time – die «Bad­hüt­te-Band per se», wie El­se­ner sie nennt – spiel­ten jah­re­lang das Sai­son­schluss­kon­zert in der Bad­hüt­te. Sie ge­ben sich gleich zwei­mal die Eh­re: am Frei­tag im Duo und am Sams­tag im Trio. B’ad Hoc, ei­ne spe­zi­ell für die­sen Abend ins Le­ben ge­ru­fe­ne For­ma­ti­on mit Mit­glie­dern der St.Gal­ler Band Der Schwa­ger & Kon­sor­ten, lies­sen sich dort zu ih­ren Tex­ten in­spi­rie­ren. Phon & Zu mit Ber­tolt Spe­cker (Stim­me), Ni­na Rech­stei­ner (Gei­ge) und Ernst Waes­pe (Kla­vier) be­zie­hen sich in ih­rem 20-mi­nü­ti­gen Pro­gramm auf die Bad­hüt­te. Auch das St.Gal­ler Folk-Duo Stel­la & Se­bas­ti­an, das In­die-Folk-Trio Pa­ra­jen aus St.Mar­grethen oder Leif Vein, das Sin­ger-Song­wri­ter-Pro­jekt des St.Gal­lers Yan­nick Vogt, wer­den ih­re Auf­trit­te der 100-jäh­ri­gen Ba­de­an­stalt wid­men. Erst­mals seit über zehn Jah­ren tre­ten Ven­ti­mülla auf, ei­ne au­dio­vi­su­el­le Kol­la­borai­ton zwi­schen der Ani­ma­ti­ons­fil­me­rin Mi­chae­la Mül­ler und Sound­künst­ler Fa Ven­ti­la­to, der nach vie­len Jah­ren in den USA zum ers­ten Mal wie­der in der Schweiz ist. Zwi­schen den Kon­zer­ten gibt es ins­ge­samt vier Open-Mic-Blö­cke, bei de­nen auch die Zu­schau­er:in­nen ih­re per­sön­li­chen Ge­schich­ten zur Bad­hüt­te vor­tra­gen kön­nen. 

Lapse of Time bei ihrem letzten Auftritt  in der Badhütte im Oktober 2024 - knappe zwei Monate später brannte das ikonische Rorschacher Bad ab.

Am Sams­tag ist das Pro­gramm über­re­gio­nal: Nebst dem St.Gal­ler Ame­ri­ca­na-Duo Lo­wray, der Ror­scha­cher Pop-Grup­pe Wa­ter­back und Lap­se of Time spie­len auch Bands von aus­ser­halb der Re­gi­on: Ca­tana­m­bú, die La­ti­no-Hits neu in­ter­pre­tie­ren, und das Folk-Pop-Duo Cat­bird aus Win­ter­thur, die bei­de schon im ver­gan­ge­nen Jahr zu Gast wa­ren, so­wie die bei­den Co­ver-Bands The Med­ley Crew aus Schaff­hau­sen und das über die gan­ze Schweiz ver­streu­te Team Ne­gro­ni, das aus ehe­ma­li­gen Mit­glie­dern der Ror­scha­cher Bands For­mer Franks (Mir­co Koch, Pe­ter Lutz) und The Ro­man Games (Fre­dy Stie­ger, Oli­ver Roh­ner) be­steht. Zum Ab­schluss des Fes­ti­vals tre­ten wie ge­wohnt die Lo­kal­ma­ta­do­ren The Ro­man Games auf. 

Ein­zi­ger Wer­muts­trop­fen: Die New Yor­ker Sän­ge­rin Ker­ry Ken­ne­dy, die am Frei­tag mit Ro­man El­se­ner so­wie am Sams­tag mit Fa Ven­ti­la­to und zum Ab­schluss mit The Ro­man Games hät­te auf der Büh­ne sol­len, muss­te ih­re Auf­trit­te ab­sa­gen, weil sie ih­ren Pass nicht recht­zei­tig be­kom­men hat. 

Aus­brei­tung in an­de­re Schwei­zer Städ­te 

Die pro­gram­ma­ti­sche Öff­nung des Fes­ti­vals für Bands aus­ser­halb der Re­gi­on hat un­ter an­de­rem da­mit zu tun, dass sich «Ror­schach Un­plug­ged» in­ner­halb we­ni­ger Jah­re nicht nur als An­lass in der Re­gi­on eta­bliert hat, son­dern nun auch im Rest der Deutsch­schweiz Ab­le­ger fin­det: Ver­schie­de­ne Schwei­zer Bands und lo­ka­le Ver­an­stal­ter:in­nen ha­ben sich zum Ver­bund «Un­plug­ged on Tour» zu­sam­men­ge­schlos­sen. Das Ziel sei, sol­che Kon­zert­aben­de in ver­schie­den Ort­schaf­ten ins Le­ben zu ru­fen und Mu­si­ker:in­nen aus den teil­neh­men­den Städ­ten un­ter den «Un­plug­ged»-An­läs­sen «aus­zu­tau­schen», sagt El­se­ner. «Das gibt den Acts die Mög­lich­keit, in ei­ner frem­den Stadt vor ei­nem gros­sen Pu­bli­kum zu spie­len an­statt vor ei­ni­gen we­ni­gen Zu­schau­er:in­nen bei ei­nem ge­wöhn­li­chen Kon­zert.»

So tra­ten The Ro­man Games und The Ro­bots im Sep­tem­ber am «Win­ter­thur Un­plug­ged» auf, das die­ses Jahr als ers­ter Ab­le­ger von «Ror­schach Un­plug­ged» statt­fand, or­ga­ni­siert von Beat Glog­ger (Ca­tana­m­bú) und An­dre­as Mös­li (Cat­bird, ehe­mals Ear). Mit dem ei­ge­nen «Un­plug­ged»-An­lass sei er «zu 200 Pro­zent zu­frie­den», sagt Glog­ger: «Wir ha­ben mit 100 Zu­schau­er:in­nen ge­rech­net, ge­kom­men sind 200.» Das Pu­bli­kum ha­be die sti­lis­ti­sche Brei­te sehr ge­schätzt. 

Der ei­ge­ne Auf­tritt mit Ca­tana­m­bú in Ror­schach im ver­gan­ge­nen Jahr sei die In­iti­al­zün­dung für «Win­ter­thur Un­plug­ged» ge­we­sen, sagt Glog­ger. «Ich fand die­sen An­lass so toll, dass ich un­be­dingt et­was Ähn­li­ches or­ga­ni­sie­ren woll­te.» Dies­mal wird er nicht nur we­gen des ei­ge­nen Kon­zerts die­ses Wo­chen­en­de in Ror­schach ver­brin­gen. Er wol­le die Ge­le­gen­heit auch nut­zen, mög­li­che Acts für die nächs­te Aus­ga­be von «Win­ter­thur Un­plug­ged» zu ent­de­cken. Ob­wohl er Ca­tana­m­bú (und Cat­bird) zum zwei­ten Mal in Fol­ge am «Ror­schach Un­plug­ged» auf­tre­ten, be­tont Glog­ger: «Ich will we­der ein Abon­ne­ment in Ror­schach noch will ich es an­de­ren Bands für Win­ter­thur ge­ben. Es soll ei­ne mög­lichst gros­se Durch­mi­schung statt­fin­den.» Ein Punkt, den man im Ror­schach durch­aus stär­ker be­rück­sich­ti­gen könn­te. 

Glog­ger und El­se­ner hof­fen, dass schon im nächs­ten Jahr wei­te­re Städ­te hin­zu­kom­men. Kon­kre­te Ideen gibt es für Schaff­hau­sen, So­lo­thurn, Wid­nau und Die­pold­sau. «Es wä­re schön, wenn auch Zü­rich und das Welsch­land da­bei wä­ren», sagt Ro­man El­se­ner. 


«Ror­schach Un­plug­ged»: 28. und 29. No­vem­ber, je­weils 19.15 Uhr, Korn­haus, Ror­schach. 
un­plug­ged.gold­schach.ch

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