Akustische Konzerte können einen ganz besonderen Reiz haben. Vor allem von Musiker:innen oder Bands, die normalerweise auf verstärkten Instrumenten spielen. In akustischem Gewand, auf ihre Essenz reduziert und neu arrangiert, entfalten ihre Songs eine ganz besondere Note. Nicht umsonst erfreut sich das Format «MTV Unplugged», bei dem zahlreiche Grössen der Rock- und Pop-Szene ihre Musik neu interpretierten, seit den 90er-Jahren und bis heute grosser Beliebtheit. Aus der Schweiz haben bislang Patent Ochsner und Stress ein «MTV Unplugged»-Konzert gespielt. Und in Zermatt findet seit 2007 ein «Unplugged»-Festival statt.
Den Akustik-Zauber gibt es seit 2022 auch in Rorschach live zu erleben, in kleiner Form zwar, aber nicht minder interessant, eher im Gegenteil: das Festival «Rorschach Unplugged». Nun geht es in die vierte Runde: Diesen Freitag und Samstag treten wieder mehr als ein Dutzend Acts auf. Wie es der Name schon sagt, spielen Musiker:innen ausschliesslich auf akustischen Instrumenten, minimal verstärkt für das Publikum. Stilistische Grenzen gibt es nicht, nur zeitliche: Jeder Auftritt dauert 20 Minuten. Das zweitägige Festival soll ausserdem eine Plattform für regionale Musiker:innen sein, um sich einem breiteren Publikum vorzustellen und untereinander zu vernetzen. Wobei inzwischen auch überregionale Acts auftreten – und «Rorschach Unplugged» Ableger in anderen Schweizer Städten hat.
Zwischen Wänden aus Bierharassen
«Rorschach Unplugged» entstand auf Initiative von Roman Elsener, Sänger der Rorschacher Indie-Band The Roman Games, und Kulturvermittler Richard Lehner von der Kleberei. «Mir gefiel dieser Ort unglaublich gut. Ich fand, er sei perfekt, um im Winter etwas Akustisches auf die Beine zu stellen», erzählt Elsener. Gesagt, getan. Doch die erste Austragung 2022 war zugleich der letzte Anlass in der Kleberei, die Zwischennutzung in der ehemaligen Stickereifabrik Feldmühle ging damit überraschend früh zu Ende. Seither findet «Rorschach Unplugged» im Kornhaus statt, diesmal wieder – wie bereits 2023 – in der Lagerhalle von Kornhausbräu, «vor Wänden aus Bierharassen», wie Elsener sagt. Der Eintritt ist kostenlos, es gibt eine Kollekte.
Die Einnahmen vom Freitag spenden die Organisator:innen vollumfänglich für den Wiederaufbau der Badhütte, die Ende 2024 komplett abgebrannt war – und für Roman Elsener, den «Heimweh-Rorschacher», der seit fast 30 Jahren in New York lebt, ein Sehnsuchtsort war. Ihre Wiederherstellung kostet knapp 6 Millionen Franken, wie diese Woche bekannt wurde. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert.
Ein Abend im Zeichen der Badhütte
Dazu passt das Freitagsprogramm: Lapse Of Time – die «Badhütte-Band per se», wie Elsener sie nennt – spielten jahrelang das Saisonschlusskonzert in der Badhütte. Sie geben sich gleich zweimal die Ehre: am Freitag im Duo und am Samstag im Trio. B’ad Hoc, eine speziell für diesen Abend ins Leben gerufene Formation mit Mitgliedern der St.Galler Band Der Schwager & Konsorten, liessen sich dort zu ihren Texten inspirieren. Phon & Zu mit Bertolt Specker (Stimme), Nina Rechsteiner (Geige) und Ernst Waespe (Klavier) beziehen sich in ihrem 20-minütigen Programm auf die Badhütte. Auch das St.Galler Folk-Duo Stella & Sebastian, das Indie-Folk-Trio Parajen aus St.Margrethen oder Leif Vein, das Singer-Songwriter-Projekt des St.Gallers Yannick Vogt, werden ihre Auftritte der 100-jährigen Badeanstalt widmen. Erstmals seit über zehn Jahren treten Ventimülla auf, eine audiovisuelle Kollaboraiton zwischen der Animationsfilmerin Michaela Müller und Soundkünstler Fa Ventilato, der nach vielen Jahren in den USA zum ersten Mal wieder in der Schweiz ist. Zwischen den Konzerten gibt es insgesamt vier Open-Mic-Blöcke, bei denen auch die Zuschauer:innen ihre persönlichen Geschichten zur Badhütte vortragen können.
Lapse of Time bei ihrem letzten Auftritt in der Badhütte im Oktober 2024 - knappe zwei Monate später brannte das ikonische Rorschacher Bad ab.
Am Samstag ist das Programm überregional: Nebst dem St.Galler Americana-Duo Lowray, der Rorschacher Pop-Gruppe Waterback und Lapse of Time spielen auch Bands von ausserhalb der Region: Catanambú, die Latino-Hits neu interpretieren, und das Folk-Pop-Duo Catbird aus Winterthur, die beide schon im vergangenen Jahr zu Gast waren, sowie die beiden Cover-Bands The Medley Crew aus Schaffhausen und das über die ganze Schweiz verstreute Team Negroni, das aus ehemaligen Mitgliedern der Rorschacher Bands Former Franks (Mirco Koch, Peter Lutz) und The Roman Games (Fredy Stieger, Oliver Rohner) besteht. Zum Abschluss des Festivals treten wie gewohnt die Lokalmatadoren The Roman Games auf.
Einziger Wermutstropfen: Die New Yorker Sängerin Kerry Kennedy, die am Freitag mit Roman Elsener sowie am Samstag mit Fa Ventilato und zum Abschluss mit The Roman Games hätte auf der Bühne sollen, musste ihre Auftritte absagen, weil sie ihren Pass nicht rechtzeitig bekommen hat.
Ausbreitung in andere Schweizer Städte
Die programmatische Öffnung des Festivals für Bands ausserhalb der Region hat unter anderem damit zu tun, dass sich «Rorschach Unplugged» innerhalb weniger Jahre nicht nur als Anlass in der Region etabliert hat, sondern nun auch im Rest der Deutschschweiz Ableger findet: Verschiedene Schweizer Bands und lokale Veranstalter:innen haben sich zum Verbund «Unplugged on Tour» zusammengeschlossen. Das Ziel sei, solche Konzertabende in verschieden Ortschaften ins Leben zu rufen und Musiker:innen aus den teilnehmenden Städten unter den «Unplugged»-Anlässen «auszutauschen», sagt Elsener. «Das gibt den Acts die Möglichkeit, in einer fremden Stadt vor einem grossen Publikum zu spielen anstatt vor einigen wenigen Zuschauer:innen bei einem gewöhnlichen Konzert.»
So traten The Roman Games und The Robots im September am «Winterthur Unplugged» auf, das dieses Jahr als erster Ableger von «Rorschach Unplugged» stattfand, organisiert von Beat Glogger (Catanambú) und Andreas Mösli (Catbird, ehemals Ear). Mit dem eigenen «Unplugged»-Anlass sei er «zu 200 Prozent zufrieden», sagt Glogger: «Wir haben mit 100 Zuschauer:innen gerechnet, gekommen sind 200.» Das Publikum habe die stilistische Breite sehr geschätzt.
Der eigene Auftritt mit Catanambú in Rorschach im vergangenen Jahr sei die Initialzündung für «Winterthur Unplugged» gewesen, sagt Glogger. «Ich fand diesen Anlass so toll, dass ich unbedingt etwas Ähnliches organisieren wollte.» Diesmal wird er nicht nur wegen des eigenen Konzerts dieses Wochenende in Rorschach verbringen. Er wolle die Gelegenheit auch nutzen, mögliche Acts für die nächste Ausgabe von «Winterthur Unplugged» zu entdecken. Obwohl er Catanambú (und Catbird) zum zweiten Mal in Folge am «Rorschach Unplugged» auftreten, betont Glogger: «Ich will weder ein Abonnement in Rorschach noch will ich es anderen Bands für Winterthur geben. Es soll eine möglichst grosse Durchmischung stattfinden.» Ein Punkt, den man im Rorschach durchaus stärker berücksichtigen könnte.
Glogger und Elsener hoffen, dass schon im nächsten Jahr weitere Städte hinzukommen. Konkrete Ideen gibt es für Schaffhausen, Solothurn, Widnau und Diepoldsau. «Es wäre schön, wenn auch Zürich und das Welschland dabei wären», sagt Roman Elsener.
«Rorschach Unplugged»: 28. und 29. November, jeweils 19.15 Uhr, Kornhaus, Rorschach.
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