Die alten Backpacks sind back

Die Bungle Brothers sind Produzent Dan One, die beiden Rapper Flip und CRF sowie DJ ILL-O (von links). (Bild: pd) 

Die Bungle Brothers veröffentlichen heute ihr drittes Album Restfunkstrahlen. Die St.Galler Hip-Hop-Urgesteine lassen sich nicht von Trends beeinflussen, sondern ziehen ihr Ding durch. Herausgekommen ist dabei ein «Gemischtwarenladen», der viel Spass macht, aber auch sehr ernst ist.

«Die al­ten Back­packs sind zum drit­ten Mal back!», rap­pen die Bungle Brot­hers in No End Theo­rie. Es ist der Er­öff­nungs­track ih­res neu­en Al­bums Rest­funk­strah­len, das heu­te er­scheint. «Es hat sich kaum et­was ge­än­dert / Aus­ser Da­ten im Ka­len­der / Und der An­zahl Bungle-Mem­bers», heisst es da wei­ter. 

Seit bald 30 Jah­ren ma­chen die bei­den Rap­per CRF (Phil­ip­pe Rie­der) und Flip (Phil­ip Baum­gart­ner) so­wie DJ ILL-O (Oli­ver Scho­ch) ge­mein­sam Mu­sik. Von 1998 bis 2016 ge­hör­ten sie zur Beat Dic­ta­tor Crew. Als BDC aus­ein­an­der­fie­len, grün­de­ten sie mit Dan One (Da­ni­el Eber­hard) vor zehn Jah­ren die Bungle Brot­hers, «um Boom­bap und Sto­rytel­ling zu ver­bin­den», wie sie da­mals sag­ten. Ei­ne For­mel, die sie be­reits auf dem zwei­ten Al­bum Halb Fic­tion nicht mehr ganz so kon­se­quent ver­folg­ten und nun noch­mal auf­wei­chen. «Es ist ein ziem­li­cher mu­si­ka­li­scher Ge­mischt­wa­ren­la­den ge­wor­den», sagt CRF. Von Be­lie­big­keit ist al­ler­dings kei­ne Spur. Die Bungle Brot­hers spie­len auch dies­mal ih­re Stär­ken aus: Viel­schicht­er Hip-Hop mit mes­ser­schar­fen Rhy­mes und viel Wort­witz. 

Scheiss auf Trend­um­fra­gen 

Die Mit­glie­der der Bungle Brot­hers zäh­len ne­ben Acts wie E.S.I.K. oder Dop­pia er­re, mit dem sie auf dem neu­en Al­bum im Track Trau kei­nem zu­sam­men­ge­ar­bei­tet ha­ben, zu den Pio­nie­ren der Ost­schwei­zer Hip-Hop-Sze­ne. In­zwi­schen sind jün­ge­re Acts wie 2kma­fia, Rap­tu­re Boy, Kollad­de­rall oder Pro­jekt ET in ih­re Fuss­stap­fen ge­tre­ten, neue Trends ha­ben den Hip-Hop ver­än­dert. Die Mu­sik der Bungle Brot­hers ist zwar nicht in den 90ern, in de­nen sie ver­wur­zelt ist, ste­hen­ge­blie­ben, hält mit den ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen aber nur be­dingt mit. 

Kri­ti­ker:in­nen könn­ten sa­gen, sie sei aus der Zeit ge­fal­len. Man kann es auch so se­hen: Die Bungle Brot­hers blei­ben au­then­tisch. «Wenn du Rap­per aus un­se­rer Ge­ne­ra­ti­on siehst, die ver­zwei­felt ver­su­chen, wie Twen­ty­so­me­things zu klin­gen … das kommt nicht so gut», sagt CRF. Und man merkt dem 47-Jäh­ri­gen im Ge­spräch die Ge­las­sen­heit an, mit der man in­zwi­schen ans Werk geht. «Wir ma­chen das, wor­auf wir Bock ha­ben.» Oder wie es in No End Theo­rie heisst: «Scheiss auf Trend­um­fra­gen.»

Das zeigt sich auch in ih­ren Tex­ten. Die­se sind zum ei­nen sehr selbst­iro­nisch. Die Bungle Brot­hers – «vier ge­stan­de­ne Vä­ter, qua­si Fa­mi­li­en­clan» – wis­sen, wo sie im Le­ben ste­hen, sie neh­men sich selbst auf die Schip­pe, wenn sie sich als «al­te Back­packs» be­zeich­nen oder da­von rap­pen, dass sie «im­mer noch kei­nen Sinn fürs Ge­schäft» ha­ben. 

So ge­sell­schafts­kri­tisch wie noch nie 

Zum an­de­ren zei­gen sich die Bungle Brot­hers so ge­sell­schafts­kri­tisch wie noch nie, mal sub­til, mal beis­send. «Es ist uns wich­tig, ei­ne Hal­tung zu ver­mit­teln», sagt CRF, der Ge­schich­te stu­diert und über Völ­ker­mord dok­to­riert hat. Ein zu Hau­se bei­spiels­wei­se han­delt von der Mi­gra­ti­ons­the­ma­tik, Igno­ran­ten von der Flucht vor der har­ten Rea­li­tät in die So­zia­len Me­di­en. Stay Ba­lan­ced (mit ei­nem Fea­ture von Shadez of Brook­lyn) ist ei­ne un­miss­ver­ständ­li­che Ab­rech­nung mit der ak­tu­el­len po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in der Schweiz: «Die Men­schen hier sind kalt / (…) / Ha­ben klei­ne Her­zen / Schüt­zen lie­ber ih­re gros­sen Ran­zen / Vor den An­dern, an den Gren­zen / Vor dem Frem­den, das uns Angst macht / Der Rolf und der Pe­ter und der Ste­fan und der Beat / Mö­gen we­der Frau­en­rech­te noch Aus­län­der oder Gre­ta / Sie sind SVP-nah, prä­fe­rie­ren / Nichts ver­än­dert sich.» 

In Ha­bi­bi ha­ben die Bungle Brot­hers As­hya­neh von Ferey­doun Far­rokhzad ge­sam­pelt, ei­nem ira­ni­schen Mu­si­ker, Dich­ter und Ak­ti­vis­ten, der zum Sym­bol des Wi­der­stands ge­gen das Re­gime wur­de und 1992 im deut­schen Exil er­mor­det wur­de – mut­mass­lich vom ira­ni­schen Ge­heim­dienst. «Auch sol­che Sa­chen ha­ben für mich ei­ne Mes­sa­ge», sagt CRF. 

«Es gibt kein Ab­lauf­da­tum da­für, mich aus­drü­cken zu wol­len»

Und nur, da­mit man den Ti­tel nicht falsch ver­steht: Bei Rest­funk­strah­len han­delt es sich nicht et­wa um das letz­te Si­gnal, das die St.Gal­ler Hip-Hop-Crew noch aus­sen­det. Viel­mehr ist es ih­re Wort­schöp­fung für die Strah­lung, die ein funk­ba­sier­tes Ge­rät wie ein Han­dy auch nach dem Aus­schal­ten mög­li­cher­wei­se noch von sich gibt – und et­wa bei ei­nem Mi­kro­fon das Stör­ge­räusch pro­du­ziert, das im In­tro zu hö­ren ist. 

Die No End Theo­rie – der Ti­tel ist ei­ne An­spie­lung auf das le­gen­dä­re Al­bum The Low End Theo­ry von A Tri­be Cal­led Quest – soll je­den­falls noch län­ger für die Bungle Brot­hers gel­ten, den an­ge­grau­ten Haa­ren und Bär­ten zum Trotz. «Für mich gibt es kein Ab­lauf­da­tum da­für, mich aus­drü­cken zu wol­len. Und ich kann mir im Au­gen­blick nicht vor­stel­len, was ich sonst ma­chen wür­de. Mir macht die Mu­sik gros­sen Spass, mir macht die Band gros­sen Spass, mir ma­chen un­se­re Kon­zer­te gros­sen Spass», sagt CRF. 

Ge­ra­de des­halb ist Rest­funk­strah­len so gut ge­lun­gen: Man spürt die­sen Spass in den 13 Tracks – und hat ihn auch beim Hö­ren. 

 

Bungle Brot­hers: Rest­funk­strah­len, er­schie­nen am 19. Sep­tem­ber auf Vi­nyl und di­gi­tal. 
Live: 19. Sep­tem­ber, 20 Uhr, Rüm­pel­tum, St.Gal­len (Plat­ten­tau­fe); 12. De­zem­ber, Re­stau­rant Splü­gen, St.Gal­len. 
bun­g­le­brot­hers.ch

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