Puder, Pastell und Pomp, ein Schnörkel hier, ein Löckchen da – im 18. Jahrhundert feierte die Lust am Dekor ein rauschendes Fest. Jedenfalls an den europäischen Königshöfen, allen voran am französischen. Er wird spätestens im Rokoko zum Inbegriff des überschwänglichen, ausschweifenden Genusses an Farbe und Form. Die barocke, symmetrische Pracht wich einer leichtfüssigen Eleganz.
Die Dinge mussten nicht mehr monumental sein, sondern zierlich, heiter, erotisch. Alles wurde verziert von der Robe bis zum Risalit, von der Pforte bis zur Perücke, von der Tasse bis zur Türklinke. Das Boudoir wurde der zentrale Ort eines jeden Wohnsitzes und das Pudertischlein zu dessen Mitte: In den Privatgemächern blieb der Luxus nicht aussen vor, im Gegenteil. Eine verspielte Ausstattung wurde hier auf die Spitze getrieben und prägte auch die Aufmachung der höfischen Gesellschaft.
Das alles ist lange her. Wer sich ein Bild davon machen möchte, kann Sofia Coppolas Film «Marie Antoinette» ansehen, Schlösser und Orangerien besuchen, die Gemälde Watteaus und Bouchers studieren – oder in den Kunstraum Dornbirn gehen. Hier zeigt Karla Black ihre neue, eigens für diesen Ort entwickelte Installation «Safety As A Stance». Sie vermittelt eine allumfassende Raumerfahrung, die einerseits verwandt mit den architektonischen, künstlerischen und gestalterischen Bestrebungen im 18. Jahrhundert und andererseits ganz in der Gegenwart angesiedelt ist.
Schwerelos schwebend
Die schottische Künstlerin hat die ehemalige Montagehalle nicht einfach negiert und überformt, sondern sie hat deren Gegebenheiten aufmerksam in ihre eigene Arbeit integriert. Papierbahnen hängen von Decke und verleihen dem monumentalen Raum ein menschliches Mass und Nähe. Zwischen den Bahnen hängen an Schnüren halbkugelige Formen, Ballons und durchscheinende Folien. Sie sind schwerelos, schwebend und entziehen sich gegenständlichen Zuschreibungen. Am Boden fangen pulvrig markierte Flächen die vertikal ausgerichteten Objekte optisch auf. Sie bieten Halt und bilden Inseln für weitere Dinge wie Badekugeln und Törtchen-Repliken. Eingefasst sind diese Flächen mit gekräuselten Borten aus Toilettenpapier.

Badkugeln auf Pulver (Bild: pd/Günter Richard Wett)
Aus diesem profanen Material sind auch die hängenden Papierbahnen – Karla Blacks Mittel sind einfach und doch verwandt mit jenen des Rokoko. Denn sie siebt Pigment- und Gipspulver auf den Boden. Ihre Farbpalette reicht von Rosa über Pfirsich bis Beige und Zartgelb: Pastell überall. Ein pudriger Duft durchzieht die Halle. Im Sonnenlicht verschmelzen die Farbtöne und die Materialien zu einem harmonischen Ganzen. Ein weiterer, auch im Rokoko oft genutzter Kunstgriff trägt zum Raumerlebnis bei: Die gerasterten Fenster an der hinteren Längsseite der Halle sind mit Spiegeln verkleidet. Sie lösen die Raumgrenzen auf, die Dinge verdoppeln sich, Farben und Licht werden reflektiert. Lustvoll spielt die Künstlerin mit dem Raum und den Möglichkeiten, ihn neu zu interpretieren.
Leicht und sinnlich
Abbilden muss sie dabei nichts. Auch wenn sie Gegenstände verwendet, bleibt ihre Arbeit ungegenständlich. Sie illustriert nicht und interpretiert nicht. Karla Blacks Installation ist einfach da. Die Künstlerin vertraut auf die Kraft des räumlichen Erlebens und konzentriert sich auf die physisch anwesende Welt: «Mein Werk ist im Wesentlichen formal. Sein Hauptinteresse ist ästhetisch. Was in ihm vorgeht, ist die Bearbeitung und Wiederbearbeitung des Verhältnisses von Farbe, Form, Material und Komposition», wie Black 2014 in der Zeitschrift Kunstforum International erklärte.

Verspiegelte Halle (Bild: pd/Günter Richard Wett)
Das klingt wenig sinnlich, entfaltet aber vor Ort einen starken optischen, olfaktorischen und haptischen Reiz. Gespeist wird letzterer auch durch den fragilen Charakter der Installation. Wie leicht reisst Toilettenpapier! Wie einfach lassen sich Puder und Pulver wegpusten! Wie schnell ist ein Spiegel angehaucht und beschlagen! Die Künstlerin vermeidet die feste Form und setzt stattdessen auf Unbestimmtheit. Sie siebt und stäubt, sie häuft und hängt, sie knotet und knüpft. Ihre Installation füllt eine ganze Industriehalle und ist doch niemals monumental. Sie ist eine Manifestation von Leichtigkeit und Schönheit.
Karla Black – «Safety As A Stance»: bis 2. November, Kunstraum Dornbirn
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