Ein neuer Morgen für die Kellerbühne

Hüseyin Michael Cirpici übernimmt ab der Spielzeit 2026/27 die Leitung der Kellerbühne. (Bild: St.Galler Tagblatt/Diana Hagmann-Bula) 

Mit Hüseyin Michael Cirpici übernimmt ein bekannter Regisseur die Leitung der Kellerbühne. Er soll frischen Wind und internationales Flair nach St.Gallen bringen.

Der Ver­ein Kel­ler­büh­ne hat kürz­lich be­kannt­ge­ge­ben, wer in die Fuss­stap­fen von Ma­thi­as Pe­ter tre­ten soll: Zur Spiel­zeit 2026/27 wird der re­nom­mier­te Re­gis­seur und Au­tor Hü­sey­in Mi­cha­el Cir­pi­ci die Zü­gel von Ma­thi­as Pe­ter über­neh­men.

Zwi­schen ihm, der Kel­ler­büh­ne und de­ren Vor­stand ha­be es ge­funkt, er­zählt Cir­pi­ci am Te­le­fon. Erst im Nach­gang sei ihm auf­ge­fal­len, dass sein Wer­de­gang im Jahr­zehn­te-Tur­nus von in­ter­es­san­ten Wen­dun­gen ge­prägt sei. So wie sein an­ste­hen­der Um­zug von Köln nach St. Gal­len. Cir­pi­ci ist mo­men­tan noch als frei­be­ruf­li­cher Thea­ter­re­gis­seur, Au­tor und Spre­cher in Deutsch­land un­ter­wegs. So in­sze­nier­te er über die letz­ten Jah­re für die Münch­ner Kam­mer­spie­le, am Thea­ter Bre­men oder am Schloss­thea­ter in Cel­le. Zur­zeit be­spielt er die Büh­ne Göt­tin­gen mit ei­nem po­li­ti­schen Thea­ter über die Im­mo­bi­li­en­bran­che.

Von den rie­si­gen Hal­len Deutsch­lands in die Ost­schwei­zer Klein­kunst­sze­ne? Er freue sich sehr über die­se Wen­dung, sagt Cir­pi­ci, und eben­so auf St. Gal­len, die Klein­kunst und ein Thea­ter, an dem er sich viel­sei­tig ein­brin­gen und an­pa­cken kann – «sel­ber Hand an­zu­le­gen, macht eben Spass». 

Fri­scher Wind und ein biss­chen Po­li­tik 

Die Kel­ler­büh­ne blickt auf über 60 Jah­re Klein­kunst zu­rück, ins­be­son­de­re Ka­ba­rett, Chan­son und Schau­spiel – und 20 Jah­re Ma­thi­as Pe­ter. Auf der Su­che nach ei­ner neu­en Lei­tung ha­be sich der Vor­stand ge­fragt, wie das Thea­ter in zehn Jah­ren aus­se­hen soll, er­klärt Leo Geh­rer, Prä­si­dent des Ver­eins Kel­ler­büh­ne. «Es soll so er­folg­reich wei­ter­ge­hen wie bis­her, dar­in wa­ren wir uns ei­nig, aber auch, dass ei­ne neue Per­spek­ti­ve gut­tun wür­de.» Dass die «fri­sche Per­spek­ti­ve» mit ei­nem be­ein­dru­cken­den, in­ter­na­tio­na­len Le­bens­lauf ein­her­geht, scheint da­bei nicht ganz ne­ben­säch­lich zu sein. Auch für Cir­pi­ci ist klar: Er wol­le das Kon­zept Pe­ters nicht «um­mo­deln», son­dern erst ein­mal in St. Gal­len an­kom­men und die Kul­tur, die Men­schen und die Struk­tu­ren ken­nen­ler­nen. «Die Di­stanz ist auch ein Vor­teil, ich kann das Ge­sche­hen mit ei­nem fri­schen Aus­sen­blick be­trach­ten.»

Wie Ma­thi­as Pe­ter ver­fügt der Thea­ter­lei­ter in spe über ein brei­tes Thea­ter-Know-how. Auch Cir­pi­ci hat über zehn Jah­re lang als Schau­spie­ler ge­ar­bei­tet, vor al­lem in Stutt­gart, aber auch in Bo­chum oder für die Salz­bur­ger Fest­spie­le. Da­nach wech­sel­te er zum Ra­dio, dem er bis heu­te er­hal­ten ge­blie­ben ist. Dort schreibt und in­sze­niert er Hör­stü­cke für den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk. 

«Als Mensch mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund kann ich gar nicht un­po­li­tisch sein.»

Hüseyin Michael Cirpici

Mitt­ler­wei­le in­sze­niert der 57-Jäh­ri­ge auch im­mer öf­ter ei­ge­ne Stü­cke auf der Büh­ne. Die­se sind sehr oft po­li­tisch. «Als Mensch mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund kann ich gar nicht un­po­li­tisch sein», sagt Cir­pi­ci. Und das Thea­ter sei ein ge­sell­schafts­re­le­van­ter Ort und da­mit auch ei­ner, an dem Auf­klä­rung wich­tig sei, be­tont der Deut­sche mit tür­ki­schen und nie­der­län­di­schen Wur­zeln. Das passt zu den Aus­sa­gen von Ma­thi­as Pe­ter im be­reits er­wähn­ten In­ter­view, wo­nach das In­ter­es­se beim jun­gen Pu­bli­kum an po­li­ti­schem Thea­ter wie­der zu­neh­me.

Kei­ne Angst und ein biss­chen Hoff­nung 

Ja, das Kel­ler­büh­nen-Pu­bli­kum wer­de äl­ter, räumt Ver­eins­prä­si­dent Geh­rer ein. Cir­pi­ci ver­fü­ge ne­ben der Tat­sa­che, dass er sein Hand­werk be­herr­sche, über das Po­ten­zi­al, Neu­es zu den­ken und um­zu­set­zen. Auch dar­um ha­be man sich für ihn ent­schie­den. Des­sen ist sich Re­gis­seur und Au­tor Cir­pi­ci be­wusst. Er freue sich dar­auf, die­sen Aus­blick mit­zu­brin­gen, sagt er. Sor­gen, den Er­war­tun­gen nicht ge­recht zu wer­den, ma­che er sich kei­ne, denn Angst zu ha­ben, sei nie gut. Im Ge­gen­teil: «Je­den Mor­gen, wenn ich auf­wa­che, freue ich mich auf den Tag und dar­über, dass ich die­ses Le­ben le­be.»

Mög­li­cher­wei­se ent­täuscht sind jetzt all je­ne, die sich ei­ne Frau an der Spit­ze die­ser kul­tu­rell wich­ti­gen In­sti­tu­ti­on ge­wünscht hät­ten. Erst ein­mal, zwi­schen 1992 und 1995, stand die Kel­ler­büh­ne mit Lia­na Ruck­stuhl un­ter weib­li­cher Füh­rung, da­nach folg­te mit Kurt Schwarz wie­der ein Mann. Und jetzt? 30 Jah­re und zwei Män­ner-Ären spä­ter?

Be­dau­er­li­cher­wei­se hät­ten sich nicht vie­le Frau­en be­wor­ben, sagt Ver­eins­prä­si­dent Leo Geh­rer. Da­von ha­be es ei­ne in die End­run­de ge­schafft, sei dann aber aus­ge­stie­gen, weil ihr der für die Thea­ter­lei­tung er­for­der­li­che Orts­wech­sel zu früh ge­kom­men wä­re. Geh­rer hat auch ei­ne Er­klä­rung pa­rat, war­um es so we­ni­ge Be­wer­be­rin­nen ge­ge­ben ha­be: «Als Thea­ter­lei­tung hat man auch ei­ne fi­nan­zi­el­le Ver­ant­wor­tung und soll­te kauf­män­ni­sche Kennt­nis­se be­sit­zen. Bei uns gibt es aber ein star­kes Team im Hin­ter­grund, da­mit wä­re es auch für Frau­en, die fak­tisch in der Fi­nanz­welt we­ni­ger ver­tre­ten sind, kein Hin­der­nis ge­we­sen, sich zu be­wer­ben.» 

Frau­en und Fi­nan­zen, das scheint halt doch nicht recht zu­sam­men­zu­pas­sen, zu­min­dest nach dem Da­für­hal­ten des Kel­ler­büh­nen­ver­eins­vor­stands. Ab­ge­se­hen da­von scheint Hü­sey­in Mi­cha­el Cir­pi­ci doch ein Glücks­griff für die Kel­ler­büh­ne zu sein. Ihm könn­te es tat­säch­lich ge­lin­gen, neue Per­spek­ti­ven auf be­währ­te – aber auch das ein oder an­de­re ein­ge­fah­re­ne – Mus­ter in die Gal­len­stadt zu brin­gen.