Jugendrevolte anno dazumal

Sie spielen in Die Rote Zora des Café Fuerte: Johanna Köster, Simon Labhart, Anne Bontemps und Tobias Fend (von links). (Bild: Laurenz Feinig) 

Die Theatergruppe Café Fuerte bringt den Jugendbuchklassiker Die Rote Zora auf die Bühne, Premiere war in Trogen. Ein rasanter Trip in eine Zeit, als Gut und Böse noch unterscheidbar waren und Jugendliche analog rebellieren konnten.

Dra­ma­tik ist vom ers­ten Mo­ment an. Zo­ra holt Bran­ko aus dem Ge­fäng­nis, wo er we­gen ei­nes ge­klau­ten Fischs ein­ge­sperrt ist. Ein ein­fa­ches Holz­ge­viert reicht als Sze­ne­rie – un­ten krallt sich Bran­ko fest, oben zerrt Zo­ra, ei­ne wil­de Flucht um die Büh­ne, dann die blu­ti­ge Mut­pro­be na­mens «Mes­ser­spiel», und Zoras Gang ist kom­plett. Das Aben­teu­er kann be­gin­nen.

An­ne Bon­temps spielt die un­beug­sa­me, wil­de Zo­ra, Jo­han­na Kös­ter ist die kri­ti­sche Du­ro, To­bi­as Fend spielt den ängst­li­chen Ni­co­la und Si­mon Lab­hart Bran­ko. Der Neue bringt gleich die un­ge­schrie­be­nen Re­geln der Ban­de durch­ein­an­der: Klau­en ist ok, aber nicht bei ei­nem wie dem Fi­scher Go­ri­an, der sel­ber ein ar­mer Schlu­cker ist, son­dern wenn schon rich­tig, beim rei­chen Ka­ra­man. Die­ser hat zwar ei­nen schar­fen Hund, aber das kann ei­nen Us­ko­ken nicht schre­cken, fin­det Bran­ko.

Ge­gen die Mäch­ti­gen

Wie es wei­ter­geht in der kroa­ti­schen Ha­fen­stadt Senj, in der Au­tor Kurt Held sei­ne 1941 er­schie­ne­ne Er­zäh­lung an­ge­sie­delt hat, könn­ten Ge­ne­ra­tio­nen von jun­gen Le­ser:in­nen nach­er­zäh­len. Die Kin­der hel­fen Go­ri­an beim Fisch­fang, die­ser bie­tet ih­nen Un­ter­schlupf vor den Be­hör­den und den Bür­ger­kids der Stadt, die der Ju­gend­gang an den Kra­gen wol­len. Der Kon­flikt spitzt sich zu, als Go­ri­an den ein­sa­men Kampf ge­gen die mäch­ti­ge Fisch­fang­ge­sell­schaft auf­nimmt und Zoras Ban­de dem Bür­ger­meis­ter ei­nen to­ten Hund vors Haus wirft. 

In ei­ner flam­men­den Re­de ver­tei­digt Go­ri­an die el­tern­lo­sen Kin­der und ih­ren Wi­der­stand ge­gen ei­ne Ge­sell­schaft, die sie aus­ge­grenzt und in die Kri­mi­na­li­tät ge­trie­ben hat. Die Mo­ral ist ein­präg­sam: Die Klei­nen fängt man, die Gros­sen lässt man lau­fen. Doch die Sto­ry geht gut aus – im Ori­gi­nal wer­den die Kin­der gut bür­ger­lich re­inte­griert, in der Fas­sung von Ca­fé Fuer­te ist der Aus­gang of­fe­ner: Man fei­ert mit Go­ri­an die ge­glück­te «Ra­che der Us­ko­ken». 

Re­gis­seu­rin Da­ni­elle Strahm und ihr Quar­tett set­zen auf Ac­tion – in ra­sen­dem Tem­po ja­gen sich Glück und Pech. Und vir­tu­os stür­zen sich die Schau­spie­ler:in­nen in die wei­te­ren Rol­len, Halb­mas­ke und Man­tel ge­nü­gen, und schon en­tern Go­ri­an, Ka­ra­man, Po­li­zist, Bür­ger­meis­ter oder Fi­scher­kon­kur­ren­tin die Büh­ne. Im klei­nen Röss­li­saal in Tro­gen, wo die Pre­mie­re statt­fand, ist das manch­mal fast zu hef­tig an Wild­heit und Laut­stär­ke – ge­spielt wird die Pro­duk­ti­on, wie bei Ca­fé Fuer­te die Re­gel, an den meis­ten an­de­ren Or­ten out­door.

So­li­da­ri­tät ist al­les

Den stil­len Kon­tra­punkt set­zen vier­stim­mi­ge Ge­sän­ge, vom Schau­spiel­quar­tett gran­di­os ge­sun­gen in den kur­zen Pau­sen zwi­schen den Sze­nen – Aus­schnit­te aus dem Sta­bat ma­ter von Per­go­le­si, laut­ma­le­ri­sche Vo­ka­li­sen oder ein Kärt­ner Volks­lied. Im ge­mein­sa­men Sin­gen ver­kör­pert sich sinn­bild­lich, was die Bot­schaft des Stücks ins­ge­samt ist: Zu­sam­men­hal­ten, so­li­da­risch sein ist das, was am En­de zählt.

Die­se Bot­schaft hat auch heu­te – und viel­leicht mehr denn je – ih­re Bri­sanz, auch wenn das in­zwi­schen mehr als 80 Jah­re al­te Buch sonst et­was aus der Zeit ge­fal­len ist. Den mit So­cial Me­dia, Han­dy-Dau­er­kon­trol­le und Fake Rea­li­ty stra­pa­zier­ten Kin­dern von heu­te wür­de man ger­ne ei­ne Welt zu­rück­wün­schen, in der sie sich im Wald ver­ste­cken, beim Nach­bar Hüh­ner klau­en, am Teich­wehr her­um­ma­ni­pu­lie­ren und zu­sam­men mit ei­nem al­ten Fi­scher die Welt ver­bes­sern könn­ten. 


Wei­te­re Vor­stel­lun­gen ab 21. Ok­to­ber in Feld­kirch, Hit­tis­au und Dorn­birn. 
ca­fe­fuer­te.at

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