Dramatik ist vom ersten Moment an. Zora holt Branko aus dem Gefängnis, wo er wegen eines geklauten Fischs eingesperrt ist. Ein einfaches Holzgeviert reicht als Szenerie – unten krallt sich Branko fest, oben zerrt Zora, eine wilde Flucht um die Bühne, dann die blutige Mutprobe namens «Messerspiel», und Zoras Gang ist komplett. Das Abenteuer kann beginnen.
Anne Bontemps spielt die unbeugsame, wilde Zora, Johanna Köster ist die kritische Duro, Tobias Fend spielt den ängstlichen Nicola und Simon Labhart Branko. Der Neue bringt gleich die ungeschriebenen Regeln der Bande durcheinander: Klauen ist ok, aber nicht bei einem wie dem Fischer Gorian, der selber ein armer Schlucker ist, sondern wenn schon richtig, beim reichen Karaman. Dieser hat zwar einen scharfen Hund, aber das kann einen Uskoken nicht schrecken, findet Branko.
Gegen die Mächtigen
Wie es weitergeht in der kroatischen Hafenstadt Senj, in der Autor Kurt Held seine 1941 erschienene Erzählung angesiedelt hat, könnten Generationen von jungen Leser:innen nacherzählen. Die Kinder helfen Gorian beim Fischfang, dieser bietet ihnen Unterschlupf vor den Behörden und den Bürgerkids der Stadt, die der Jugendgang an den Kragen wollen. Der Konflikt spitzt sich zu, als Gorian den einsamen Kampf gegen die mächtige Fischfanggesellschaft aufnimmt und Zoras Bande dem Bürgermeister einen toten Hund vors Haus wirft.
In einer flammenden Rede verteidigt Gorian die elternlosen Kinder und ihren Widerstand gegen eine Gesellschaft, die sie ausgegrenzt und in die Kriminalität getrieben hat. Die Moral ist einprägsam: Die Kleinen fängt man, die Grossen lässt man laufen. Doch die Story geht gut aus – im Original werden die Kinder gut bürgerlich reintegriert, in der Fassung von Café Fuerte ist der Ausgang offener: Man feiert mit Gorian die geglückte «Rache der Uskoken».
Regisseurin Danielle Strahm und ihr Quartett setzen auf Action – in rasendem Tempo jagen sich Glück und Pech. Und virtuos stürzen sich die Schauspieler:innen in die weiteren Rollen, Halbmaske und Mantel genügen, und schon entern Gorian, Karaman, Polizist, Bürgermeister oder Fischerkonkurrentin die Bühne. Im kleinen Rösslisaal in Trogen, wo die Premiere stattfand, ist das manchmal fast zu heftig an Wildheit und Lautstärke – gespielt wird die Produktion, wie bei Café Fuerte die Regel, an den meisten anderen Orten outdoor.
Solidarität ist alles
Den stillen Kontrapunkt setzen vierstimmige Gesänge, vom Schauspielquartett grandios gesungen in den kurzen Pausen zwischen den Szenen – Ausschnitte aus dem Stabat mater von Pergolesi, lautmalerische Vokalisen oder ein Kärtner Volkslied. Im gemeinsamen Singen verkörpert sich sinnbildlich, was die Botschaft des Stücks insgesamt ist: Zusammenhalten, solidarisch sein ist das, was am Ende zählt.
Diese Botschaft hat auch heute – und vielleicht mehr denn je – ihre Brisanz, auch wenn das inzwischen mehr als 80 Jahre alte Buch sonst etwas aus der Zeit gefallen ist. Den mit Social Media, Handy-Dauerkontrolle und Fake Reality strapazierten Kindern von heute würde man gerne eine Welt zurückwünschen, in der sie sich im Wald verstecken, beim Nachbar Hühner klauen, am Teichwehr herummanipulieren und zusammen mit einem alten Fischer die Welt verbessern könnten.
Weitere Vorstellungen ab 21. Oktober in Feldkirch, Hittisau und Dornbirn.
cafefuerte.at